Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Erneuerung des Kriegs in Ungarn.
Beurtheilung seiner Befehlshaber zu überlassen, ob ein Mann
leben oder sterben solle, dessen Schuld ihm selber zweifelhaft
war. 1 Castaldo und seine Freunde, von persönlichem Haß,
der Besorgniß am Ende selber verrathen zu werden, und der
Begierde erfüllt, sich der Schätze des Mönches zu bemächti-
gen, von denen man Unglaubliches meldete, trugen kein Be-
denken augenblicklich zur That zu schreiten. In dem eignen
Schlosse des Mönches, der doch dabei wenig Vorsicht zeigte,
Alvinz, fanden sie Gelegenheit an ihn zu kommen. Mar-
tinuzzi ward in dem Augenblicke daß er sich anschickte einen
ihm überbrachten Brief zu lesen, wie dort in Neuburg Jo-
hann Diaz, von den Überbringern ermordet. Seine Schätze
fand man weit geringer als man gemeint.

Und nun läßt sich denken, daß auch dem König aus
diesen Dingen kein Heil erwuchs. Der Tod des Mannes,
der alles zusammengehalten, mußte nothwendig alles auflö-
sen. In Kurzem finden wir den östreichischen Befehlshaber
Castaldo zugleich mit einem Aufstand der Szekler, den Ein-
fällen der Walachen und einem neuen türkischen Heere in
ungleichem Kampfe.

Die Hauptsache war auch hier, daß hiedurch der Still-
stand gebrochen war, den man mit so vieler Mühe zu Stande
gebracht hatte. Ich finde die Nachricht (wiewohl nicht mit
voller Sicherheit), die Unternehmungen auf Mehdia und auf

1 Nach Ferdinands Instruction für seine Gesandten an den
Papst bei Bucholtz IX, 600 war seine Weisung an Castaldo: ut
fortiter dissimularet, quatenus monachum - - differre sentiret: si
tamen intelligeret rem aliter transigi non posse - - tunc potius
ipse eum praeveniret et tolleret e medio, quam quod primum
ictum expectando, ab ipso preveniretur.

Erneuerung des Kriegs in Ungarn.
Beurtheilung ſeiner Befehlshaber zu überlaſſen, ob ein Mann
leben oder ſterben ſolle, deſſen Schuld ihm ſelber zweifelhaft
war. 1 Caſtaldo und ſeine Freunde, von perſönlichem Haß,
der Beſorgniß am Ende ſelber verrathen zu werden, und der
Begierde erfüllt, ſich der Schätze des Mönches zu bemächti-
gen, von denen man Unglaubliches meldete, trugen kein Be-
denken augenblicklich zur That zu ſchreiten. In dem eignen
Schloſſe des Mönches, der doch dabei wenig Vorſicht zeigte,
Alvinz, fanden ſie Gelegenheit an ihn zu kommen. Mar-
tinuzzi ward in dem Augenblicke daß er ſich anſchickte einen
ihm überbrachten Brief zu leſen, wie dort in Neuburg Jo-
hann Diaz, von den Überbringern ermordet. Seine Schätze
fand man weit geringer als man gemeint.

Und nun läßt ſich denken, daß auch dem König aus
dieſen Dingen kein Heil erwuchs. Der Tod des Mannes,
der alles zuſammengehalten, mußte nothwendig alles auflö-
ſen. In Kurzem finden wir den öſtreichiſchen Befehlshaber
Caſtaldo zugleich mit einem Aufſtand der Szekler, den Ein-
fällen der Walachen und einem neuen türkiſchen Heere in
ungleichem Kampfe.

Die Hauptſache war auch hier, daß hiedurch der Still-
ſtand gebrochen war, den man mit ſo vieler Mühe zu Stande
gebracht hatte. Ich finde die Nachricht (wiewohl nicht mit
voller Sicherheit), die Unternehmungen auf Mehdia und auf

1 Nach Ferdinands Inſtruction fuͤr ſeine Geſandten an den
Papſt bei Bucholtz IX, 600 war ſeine Weiſung an Caſtaldo: ut
fortiter dissimularet, quatenus monachum ‒ ‒ differre sentiret: si
tamen intelligeret rem aliter transigi non posse ‒ ‒ tunc potius
ipse eum praeveniret et tolleret e medio, quam quod primum
ictum expectando, ab ipso preveniretur.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0169" n="157"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erneuerung des Kriegs in Ungarn</hi>.</fw><lb/>
Beurtheilung &#x017F;einer Befehlshaber zu überla&#x017F;&#x017F;en, ob ein Mann<lb/>
leben oder &#x017F;terben &#x017F;olle, de&#x017F;&#x017F;en Schuld ihm &#x017F;elber zweifelhaft<lb/>
war. <note place="foot" n="1">Nach Ferdinands In&#x017F;truction fu&#x0364;r &#x017F;eine Ge&#x017F;andten an den<lb/>
Pap&#x017F;t bei Bucholtz <hi rendition="#aq">IX,</hi> 600 war &#x017F;eine Wei&#x017F;ung an Ca&#x017F;taldo: <hi rendition="#aq">ut<lb/>
fortiter dissimularet, quatenus monachum &#x2012; &#x2012; differre sentiret: si<lb/>
tamen intelligeret rem aliter transigi non posse &#x2012; &#x2012; tunc potius<lb/>
ipse eum praeveniret et tolleret e medio, quam quod primum<lb/>
ictum expectando, ab ipso preveniretur.</hi></note> Ca&#x017F;taldo und &#x017F;eine Freunde, von per&#x017F;önlichem Haß,<lb/>
der Be&#x017F;orgniß am Ende &#x017F;elber verrathen zu werden, und der<lb/>
Begierde erfüllt, &#x017F;ich der Schätze des Mönches zu bemächti-<lb/>
gen, von denen man Unglaubliches meldete, trugen kein Be-<lb/>
denken augenblicklich zur That zu &#x017F;chreiten. In dem eignen<lb/>
Schlo&#x017F;&#x017F;e des Mönches, der doch dabei wenig Vor&#x017F;icht zeigte,<lb/>
Alvinz, fanden &#x017F;ie Gelegenheit an ihn zu kommen. Mar-<lb/>
tinuzzi ward in dem Augenblicke daß er &#x017F;ich an&#x017F;chickte einen<lb/>
ihm überbrachten Brief zu le&#x017F;en, wie dort in Neuburg Jo-<lb/>
hann Diaz, von den Überbringern ermordet. Seine Schätze<lb/>
fand man weit geringer als man gemeint.</p><lb/>
            <p>Und nun läßt &#x017F;ich denken, daß auch dem König aus<lb/>
die&#x017F;en Dingen kein Heil erwuchs. Der Tod des Mannes,<lb/>
der alles zu&#x017F;ammengehalten, mußte nothwendig alles auflö-<lb/>
&#x017F;en. In Kurzem finden wir den ö&#x017F;treichi&#x017F;chen Befehlshaber<lb/>
Ca&#x017F;taldo zugleich mit einem Auf&#x017F;tand der Szekler, den Ein-<lb/>
fällen der Walachen und einem neuen türki&#x017F;chen Heere in<lb/>
ungleichem Kampfe.</p><lb/>
            <p>Die Haupt&#x017F;ache war auch hier, daß hiedurch der Still-<lb/>
&#x017F;tand gebrochen war, den man mit &#x017F;o vieler Mühe zu Stande<lb/>
gebracht hatte. Ich finde die Nachricht (wiewohl nicht mit<lb/>
voller Sicherheit), die Unternehmungen auf Mehdia und auf<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0169] Erneuerung des Kriegs in Ungarn. Beurtheilung ſeiner Befehlshaber zu überlaſſen, ob ein Mann leben oder ſterben ſolle, deſſen Schuld ihm ſelber zweifelhaft war. 1 Caſtaldo und ſeine Freunde, von perſönlichem Haß, der Beſorgniß am Ende ſelber verrathen zu werden, und der Begierde erfüllt, ſich der Schätze des Mönches zu bemächti- gen, von denen man Unglaubliches meldete, trugen kein Be- denken augenblicklich zur That zu ſchreiten. In dem eignen Schloſſe des Mönches, der doch dabei wenig Vorſicht zeigte, Alvinz, fanden ſie Gelegenheit an ihn zu kommen. Mar- tinuzzi ward in dem Augenblicke daß er ſich anſchickte einen ihm überbrachten Brief zu leſen, wie dort in Neuburg Jo- hann Diaz, von den Überbringern ermordet. Seine Schätze fand man weit geringer als man gemeint. Und nun läßt ſich denken, daß auch dem König aus dieſen Dingen kein Heil erwuchs. Der Tod des Mannes, der alles zuſammengehalten, mußte nothwendig alles auflö- ſen. In Kurzem finden wir den öſtreichiſchen Befehlshaber Caſtaldo zugleich mit einem Aufſtand der Szekler, den Ein- fällen der Walachen und einem neuen türkiſchen Heere in ungleichem Kampfe. Die Hauptſache war auch hier, daß hiedurch der Still- ſtand gebrochen war, den man mit ſo vieler Mühe zu Stande gebracht hatte. Ich finde die Nachricht (wiewohl nicht mit voller Sicherheit), die Unternehmungen auf Mehdia und auf 1 Nach Ferdinands Inſtruction fuͤr ſeine Geſandten an den Papſt bei Bucholtz IX, 600 war ſeine Weiſung an Caſtaldo: ut fortiter dissimularet, quatenus monachum ‒ ‒ differre sentiret: si tamen intelligeret rem aliter transigi non posse ‒ ‒ tunc potius ipse eum praeveniret et tolleret e medio, quam quod primum ictum expectando, ab ipso preveniretur.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/169
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/169>, abgerufen am 27.04.2024.