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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
nen, die Reformation der Verfassung und die Aufrechterhal-
tung der alten Einheit zugleich durchgesetzt worden.

Denn daran ist kein Zweifel, daß er nun, wenn die
Beschlüsse einigermaßen in seinem Sinne ausfielen, alles zu
thun entschlossen war um sie zur Vollziehung zu bringen.

Und war es nicht in der That der Mühe werth? Die
große Genossenschaft zu behaupten, in der sich die europäi-
sche Welt seit ihrer ersten Gründung entwickelt, und doch
dabei die Mißbräuche zu heben, welche die Alleinherrschaft
der römischen Päpste hervorgebracht hatte, war das nicht
wirklich eine eines großen Fürsten würdige Absicht?

Mit der Idee verband sich aber der mächtigste persön-
liche Ehrgeiz. Das Kaiserthum wäre wahrhaft erneuert
worden, es hätte Wurzel für die Zukunft geschlagen. So
dachte er es noch selber zu verwalten und dann seinem
Sohne als einen Besitz seiner Nachkommen zu hinterlassen.
Keinen Augenblick verließ ihn dieser Gedanke. Mit den
geistlichen Fürsten hat er noch auf ihrer Reise zum Conci-
lium darüber unterhandeln lassen, und wenigstens Einer von
ihnen, der Churfürst von Cölln, hatte seine besten Dienste
versprochen. Unaufhörlich lud er Brandenburg und Sach-
sen ein, ebenfalls in die Nähe zu kommen, um die Sache
zum Schluß zu bringen. Man glaubte, er denke sich des
Conciliums selber zu seinem Zwecke zu bedienen. 1


1 Lettera dell arcivescovo Sipontino a Pp. Giulio III. In-
form. politt. XXII, f. 252. L'intentione di S Ma e di provare
ogni via di ottenere questo suo disegno con buona volonta degli
elettori et altri principi di Germania, se potra: altrimenti pre-
valersi dell'autorita del concilio: e come e stato gia parlato del
modo, questa ombra sara causa che gli elettori ecclesiastici per-

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
nen, die Reformation der Verfaſſung und die Aufrechterhal-
tung der alten Einheit zugleich durchgeſetzt worden.

Denn daran iſt kein Zweifel, daß er nun, wenn die
Beſchlüſſe einigermaßen in ſeinem Sinne ausfielen, alles zu
thun entſchloſſen war um ſie zur Vollziehung zu bringen.

Und war es nicht in der That der Mühe werth? Die
große Genoſſenſchaft zu behaupten, in der ſich die europäi-
ſche Welt ſeit ihrer erſten Gründung entwickelt, und doch
dabei die Mißbräuche zu heben, welche die Alleinherrſchaft
der römiſchen Päpſte hervorgebracht hatte, war das nicht
wirklich eine eines großen Fürſten würdige Abſicht?

Mit der Idee verband ſich aber der mächtigſte perſön-
liche Ehrgeiz. Das Kaiſerthum wäre wahrhaft erneuert
worden, es hätte Wurzel für die Zukunft geſchlagen. So
dachte er es noch ſelber zu verwalten und dann ſeinem
Sohne als einen Beſitz ſeiner Nachkommen zu hinterlaſſen.
Keinen Augenblick verließ ihn dieſer Gedanke. Mit den
geiſtlichen Fürſten hat er noch auf ihrer Reiſe zum Conci-
lium darüber unterhandeln laſſen, und wenigſtens Einer von
ihnen, der Churfürſt von Cölln, hatte ſeine beſten Dienſte
verſprochen. Unaufhörlich lud er Brandenburg und Sach-
ſen ein, ebenfalls in die Nähe zu kommen, um die Sache
zum Schluß zu bringen. Man glaubte, er denke ſich des
Conciliums ſelber zu ſeinem Zwecke zu bedienen. 1


1 Lettera dell arcivescovo Sipontino a Pp. Giulio III. In-
form. politt. XXII, f. 252. L’intentione di S Mà è di provare
ogni via di ottenere questo suo disegno con buona volontà degli
elettori et altri principi di Germania, se potrà: altrimenti pre-
valersi dell’autorità del concilio: e come è stato gia parlato del
modo, questa ombra sarà causa che gli elettori ecclesiastici per-
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[140/0152] Neuntes Buch. Drittes Capitel. nen, die Reformation der Verfaſſung und die Aufrechterhal- tung der alten Einheit zugleich durchgeſetzt worden. Denn daran iſt kein Zweifel, daß er nun, wenn die Beſchlüſſe einigermaßen in ſeinem Sinne ausfielen, alles zu thun entſchloſſen war um ſie zur Vollziehung zu bringen. Und war es nicht in der That der Mühe werth? Die große Genoſſenſchaft zu behaupten, in der ſich die europäi- ſche Welt ſeit ihrer erſten Gründung entwickelt, und doch dabei die Mißbräuche zu heben, welche die Alleinherrſchaft der römiſchen Päpſte hervorgebracht hatte, war das nicht wirklich eine eines großen Fürſten würdige Abſicht? Mit der Idee verband ſich aber der mächtigſte perſön- liche Ehrgeiz. Das Kaiſerthum wäre wahrhaft erneuert worden, es hätte Wurzel für die Zukunft geſchlagen. So dachte er es noch ſelber zu verwalten und dann ſeinem Sohne als einen Beſitz ſeiner Nachkommen zu hinterlaſſen. Keinen Augenblick verließ ihn dieſer Gedanke. Mit den geiſtlichen Fürſten hat er noch auf ihrer Reiſe zum Conci- lium darüber unterhandeln laſſen, und wenigſtens Einer von ihnen, der Churfürſt von Cölln, hatte ſeine beſten Dienſte verſprochen. Unaufhörlich lud er Brandenburg und Sach- ſen ein, ebenfalls in die Nähe zu kommen, um die Sache zum Schluß zu bringen. Man glaubte, er denke ſich des Conciliums ſelber zu ſeinem Zwecke zu bedienen. 1 1 Lettera dell arcivescovo Sipontino a Pp. Giulio III. In- form. politt. XXII, f. 252. L’intentione di S Mà è di provare ogni via di ottenere questo suo disegno con buona volontà degli elettori et altri principi di Germania, se potrà: altrimenti pre- valersi dell’autorità del concilio: e come è stato gia parlato del modo, questa ombra sarà causa che gli elettori ecclesiastici per-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/152>, abgerufen am 27.04.2024.