wenig Eindruck. Vargas meinte, mit dieser Zusage habe man wohl nur den Papst zur Wiedereröffnung des Concils be- wegen wollen; gewiß beziehe sie sich allein auf die gegründe- ten und vernünftigen Ansprüche desselben; bei der Abschaf- fung augenscheinlicher Mißbräuche könne den Prälaten die Hand damit nicht gebunden seyn.
Am römischen Hofe war man auch dadurch in Schrecken gesetzt, daß die spanischen Prälaten den Augenblick benutzen zu wollen schienen, um die Collation der Pfarren und Pfrün- den in Spanien ihm entweder ganz zu entziehen oder doch gewaltig zu schmälern. "Daraus soll nichts werden," ruft der Papst aus, "eher wollen wir alles Unglück erwarten, eher wollen wir die Welt zu Grunde gehn lassen." 1 Dazu kamen nun die Vorträge der Protestanten, die er als extra- vagant und gottlos bezeichnet. "Unter dem Namen Miß- brauch soll man uns das nicht angreifen was kein Mißbrauch ist; man soll unsre Autorität nicht antasten." 2
Bis auf diesen Punct gediehen die Dinge in raschem Fortgang auf dem neueröffneten Concilium.
Der Kaiser war so weit wie jemals entfernt, dem Papst darin freie Hand zu lassen. Er trieb ihn vielmehr von zwei entgegengesetzten Seiten in die Enge. Die alte Oppo- sition der spanischen Prälaten verband sich jetzt mit den hier zuerst erschallenden Forderungen der deutschen Protestanten. Beide schlossen sich an den Kaiser an, der zugleich in Besitz uralter Ansprüche an eine geistliche Mitherrschaft, eine gewal- tige und trotz aller politischen Verbindungen für das Papst- thum furchtbare Stellung einnahm.
1Giulio III al Cl Crescentio 16 Genn. 1552.
2Pp. Giulio a Monsignor de' Grassi 20 Febr. 1552.
Neuntes Buch. Drittes Capitel.
wenig Eindruck. Vargas meinte, mit dieſer Zuſage habe man wohl nur den Papſt zur Wiedereröffnung des Concils be- wegen wollen; gewiß beziehe ſie ſich allein auf die gegründe- ten und vernünftigen Anſprüche deſſelben; bei der Abſchaf- fung augenſcheinlicher Mißbräuche könne den Prälaten die Hand damit nicht gebunden ſeyn.
Am römiſchen Hofe war man auch dadurch in Schrecken geſetzt, daß die ſpaniſchen Prälaten den Augenblick benutzen zu wollen ſchienen, um die Collation der Pfarren und Pfrün- den in Spanien ihm entweder ganz zu entziehen oder doch gewaltig zu ſchmälern. „Daraus ſoll nichts werden,“ ruft der Papſt aus, „eher wollen wir alles Unglück erwarten, eher wollen wir die Welt zu Grunde gehn laſſen.“ 1 Dazu kamen nun die Vorträge der Proteſtanten, die er als extra- vagant und gottlos bezeichnet. „Unter dem Namen Miß- brauch ſoll man uns das nicht angreifen was kein Mißbrauch iſt; man ſoll unſre Autorität nicht antaſten.“ 2
Bis auf dieſen Punct gediehen die Dinge in raſchem Fortgang auf dem neueröffneten Concilium.
Der Kaiſer war ſo weit wie jemals entfernt, dem Papſt darin freie Hand zu laſſen. Er trieb ihn vielmehr von zwei entgegengeſetzten Seiten in die Enge. Die alte Oppo- ſition der ſpaniſchen Prälaten verband ſich jetzt mit den hier zuerſt erſchallenden Forderungen der deutſchen Proteſtanten. Beide ſchloſſen ſich an den Kaiſer an, der zugleich in Beſitz uralter Anſprüche an eine geiſtliche Mitherrſchaft, eine gewal- tige und trotz aller politiſchen Verbindungen für das Papſt- thum furchtbare Stellung einnahm.
1Giulio III al Cl Crescentio 16 Genn. 1552.
2Pp. Giulio a Monsignor de’ Grassi 20 Febr. 1552.
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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
wenig Eindruck. Vargas meinte, mit dieſer Zuſage habe man
wohl nur den Papſt zur Wiedereröffnung des Concils be-
wegen wollen; gewiß beziehe ſie ſich allein auf die gegründe-
ten und vernünftigen Anſprüche deſſelben; bei der Abſchaf-
fung augenſcheinlicher Mißbräuche könne den Prälaten die
Hand damit nicht gebunden ſeyn.
Am römiſchen Hofe war man auch dadurch in Schrecken
geſetzt, daß die ſpaniſchen Prälaten den Augenblick benutzen
zu wollen ſchienen, um die Collation der Pfarren und Pfrün-
den in Spanien ihm entweder ganz zu entziehen oder doch
gewaltig zu ſchmälern. „Daraus ſoll nichts werden,“ ruft
der Papſt aus, „eher wollen wir alles Unglück erwarten,
eher wollen wir die Welt zu Grunde gehn laſſen.“ 1 Dazu
kamen nun die Vorträge der Proteſtanten, die er als extra-
vagant und gottlos bezeichnet. „Unter dem Namen Miß-
brauch ſoll man uns das nicht angreifen was kein Mißbrauch
iſt; man ſoll unſre Autorität nicht antaſten.“ 2
Bis auf dieſen Punct gediehen die Dinge in raſchem
Fortgang auf dem neueröffneten Concilium.
Der Kaiſer war ſo weit wie jemals entfernt, dem
Papſt darin freie Hand zu laſſen. Er trieb ihn vielmehr von
zwei entgegengeſetzten Seiten in die Enge. Die alte Oppo-
ſition der ſpaniſchen Prälaten verband ſich jetzt mit den hier
zuerſt erſchallenden Forderungen der deutſchen Proteſtanten.
Beide ſchloſſen ſich an den Kaiſer an, der zugleich in Beſitz
uralter Anſprüche an eine geiſtliche Mitherrſchaft, eine gewal-
tige und trotz aller politiſchen Verbindungen für das Papſt-
thum furchtbare Stellung einnahm.
1 Giulio III al Cl Crescentio 16 Genn. 1552.
2 Pp. Giulio a Monsignor de’ Grassi 20 Febr. 1552.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/150>, abgerufen am 03.05.2024.
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