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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Krieg mit Frankreich.
1537 verabredete der König mit ihnen einen gemeinschaftli-
chen Angriff auf den Kaiser.

Eben an dieser Stelle aber nehmen wir die ganze Bedeutung
des Gegensatzes zwischen dem Kaiser und dem König wahr.

Allerdings hatten sich christliche Mächte von niederem
Range, Grenzstaaten der Christenheit, schon immer dann und
wann in Bündnisse mit den Ungläubigen eingelassen, auch
wohl bedeutendere, einst sogar ein Papst: jedoch nur in Mo-
menten großer Bedrängniß, auf kurze Zeit, unter dem tiefsten
Geheimniß. Jetzt aber trat eine der größten Mächte der
Christenheit, wenn damals nicht die erste, doch gewiß die
zweite, der allerchristlichste König selbst, und zwar nicht in
einem Augenblick der Noth, sondern nachdem er sich des
Feindes schon erwehrt und zu einem unleugbaren Überge-
wicht gelangt war, in Bündniß mit den Osmanen. Eine
Zeitlang hatte auch er dieß Verhältniß sorgfältig verheimlicht:
es rief nicht allein allgemeinen Tadel hervor, sondern sogar
eine Art von Scham; allein jetzt wie gesagt machte er kein
Hehl weiter daraus.

Bemerken wir wohl, was darin liegt. Die alte Christen-
heit des Mittelalters beruhte wahrhaftig nicht allein auf dem
Dogma, sondern sie bildete eine große militärisch-politische,
auf den Grund der Kirche befestigte Einheit. Sich davon
loszureißen, wie man es auch beschönigen mochte, thatsächlich,
ja systematisch von der zusammenhaltenden Idee der alten
Christenheit abzusehen, war in der That ein nicht viel ge-
ringerer Gegensatz gegen die Sinnesweise der frühern Zei-
ten, als der Abfall der Protestanten vom Dogma und den
Cerimonien. Man könnte sagen: es war ein militärisch-po-

Krieg mit Frankreich.
1537 verabredete der König mit ihnen einen gemeinſchaftli-
chen Angriff auf den Kaiſer.

Eben an dieſer Stelle aber nehmen wir die ganze Bedeutung
des Gegenſatzes zwiſchen dem Kaiſer und dem König wahr.

Allerdings hatten ſich chriſtliche Mächte von niederem
Range, Grenzſtaaten der Chriſtenheit, ſchon immer dann und
wann in Bündniſſe mit den Ungläubigen eingelaſſen, auch
wohl bedeutendere, einſt ſogar ein Papſt: jedoch nur in Mo-
menten großer Bedrängniß, auf kurze Zeit, unter dem tiefſten
Geheimniß. Jetzt aber trat eine der größten Mächte der
Chriſtenheit, wenn damals nicht die erſte, doch gewiß die
zweite, der allerchriſtlichſte König ſelbſt, und zwar nicht in
einem Augenblick der Noth, ſondern nachdem er ſich des
Feindes ſchon erwehrt und zu einem unleugbaren Überge-
wicht gelangt war, in Bündniß mit den Osmanen. Eine
Zeitlang hatte auch er dieß Verhältniß ſorgfältig verheimlicht:
es rief nicht allein allgemeinen Tadel hervor, ſondern ſogar
eine Art von Scham; allein jetzt wie geſagt machte er kein
Hehl weiter daraus.

Bemerken wir wohl, was darin liegt. Die alte Chriſten-
heit des Mittelalters beruhte wahrhaftig nicht allein auf dem
Dogma, ſondern ſie bildete eine große militäriſch-politiſche,
auf den Grund der Kirche befeſtigte Einheit. Sich davon
loszureißen, wie man es auch beſchönigen mochte, thatſächlich,
ja ſyſtematiſch von der zuſammenhaltenden Idee der alten
Chriſtenheit abzuſehen, war in der That ein nicht viel ge-
ringerer Gegenſatz gegen die Sinnesweiſe der frühern Zei-
ten, als der Abfall der Proteſtanten vom Dogma und den
Cerimonien. Man könnte ſagen: es war ein militäriſch-po-

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[37/0049] Krieg mit Frankreich. 1537 verabredete der König mit ihnen einen gemeinſchaftli- chen Angriff auf den Kaiſer. Eben an dieſer Stelle aber nehmen wir die ganze Bedeutung des Gegenſatzes zwiſchen dem Kaiſer und dem König wahr. Allerdings hatten ſich chriſtliche Mächte von niederem Range, Grenzſtaaten der Chriſtenheit, ſchon immer dann und wann in Bündniſſe mit den Ungläubigen eingelaſſen, auch wohl bedeutendere, einſt ſogar ein Papſt: jedoch nur in Mo- menten großer Bedrängniß, auf kurze Zeit, unter dem tiefſten Geheimniß. Jetzt aber trat eine der größten Mächte der Chriſtenheit, wenn damals nicht die erſte, doch gewiß die zweite, der allerchriſtlichſte König ſelbſt, und zwar nicht in einem Augenblick der Noth, ſondern nachdem er ſich des Feindes ſchon erwehrt und zu einem unleugbaren Überge- wicht gelangt war, in Bündniß mit den Osmanen. Eine Zeitlang hatte auch er dieß Verhältniß ſorgfältig verheimlicht: es rief nicht allein allgemeinen Tadel hervor, ſondern ſogar eine Art von Scham; allein jetzt wie geſagt machte er kein Hehl weiter daraus. Bemerken wir wohl, was darin liegt. Die alte Chriſten- heit des Mittelalters beruhte wahrhaftig nicht allein auf dem Dogma, ſondern ſie bildete eine große militäriſch-politiſche, auf den Grund der Kirche befeſtigte Einheit. Sich davon loszureißen, wie man es auch beſchönigen mochte, thatſächlich, ja ſyſtematiſch von der zuſammenhaltenden Idee der alten Chriſtenheit abzuſehen, war in der That ein nicht viel ge- ringerer Gegenſatz gegen die Sinnesweiſe der frühern Zei- ten, als der Abfall der Proteſtanten vom Dogma und den Cerimonien. Man könnte ſagen: es war ein militäriſch-po-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/49>, abgerufen am 28.03.2024.