Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Das tridentinische Concilium.

Anfangs war es die Absicht der Legaten, diesen Con-
ferenzen auch die Theologen beiwohnen zu lassen: aber die
Prälaten weigerten sich mit Mönchen zu Rath zu sitzen. Die
Legaten versammelten hierauf die Theologen in einer beson-
dern Congregation. Von diesen war, wie die Dinge stan-
den, am wenigsten Opposition zu erwarten. Die Theologen
konnten nichts wünschen, als die Sanction ihrer Doctrinen
durch die päpstliche Autorität und das unter dem Schutz
derselben versammelte Concil. Schon am 19ten Februar
1546 -- merkwürdiger Weise gerade der Tag nach Luthers
Tode -- vereinigten sich die Legaten, über kein Dogma Be-
schluß fassen zu lassen, es wäre denn vorher mit diesen Theo-
logen überlegt. 1

Die Deutschen hatten einst ein Concilium gefordert, im
Sinne des Baseler, aber noch entschiedner deutsch, wo die
Geistlichen von ihrer Pflicht gegen den Papst erledigt und
auch die Laien ein entscheidendes Votum führen sollten: da
hofften sie die alten Streitigkeiten der Nation mit dem rö-
mischen Stuhle zu schlichten und sich über die Glaubens-
irrung zu versöhnen.

Statt dessen bot man ihnen nun dieses Concilium an.
Es war fast eine Täuschung, daß man es in Trient berief,
jenseit der Berge. In diesem für die Deutschen bestimmten
Concilium fanden sich beinah keine Deutschen. Man hatte
gemeint der hierarchisch-dominicanischen Entwickelung des
Dogma Einhalt zu thun: in Trient waren nur die eifrig-

1 Rainaldus aus den Acten: a praesidentibus concilii decre-
tum est, quoties de articulis fidei et dogmatibus agendum esset,
antequam quidquam a sancta synodo decerneretur, omnia prius
cum dictis theologis familiariter conferenda.
Das tridentiniſche Concilium.

Anfangs war es die Abſicht der Legaten, dieſen Con-
ferenzen auch die Theologen beiwohnen zu laſſen: aber die
Prälaten weigerten ſich mit Mönchen zu Rath zu ſitzen. Die
Legaten verſammelten hierauf die Theologen in einer beſon-
dern Congregation. Von dieſen war, wie die Dinge ſtan-
den, am wenigſten Oppoſition zu erwarten. Die Theologen
konnten nichts wünſchen, als die Sanction ihrer Doctrinen
durch die päpſtliche Autorität und das unter dem Schutz
derſelben verſammelte Concil. Schon am 19ten Februar
1546 — merkwürdiger Weiſe gerade der Tag nach Luthers
Tode — vereinigten ſich die Legaten, über kein Dogma Be-
ſchluß faſſen zu laſſen, es wäre denn vorher mit dieſen Theo-
logen überlegt. 1

Die Deutſchen hatten einſt ein Concilium gefordert, im
Sinne des Baſeler, aber noch entſchiedner deutſch, wo die
Geiſtlichen von ihrer Pflicht gegen den Papſt erledigt und
auch die Laien ein entſcheidendes Votum führen ſollten: da
hofften ſie die alten Streitigkeiten der Nation mit dem rö-
miſchen Stuhle zu ſchlichten und ſich über die Glaubens-
irrung zu verſöhnen.

Statt deſſen bot man ihnen nun dieſes Concilium an.
Es war faſt eine Täuſchung, daß man es in Trient berief,
jenſeit der Berge. In dieſem für die Deutſchen beſtimmten
Concilium fanden ſich beinah keine Deutſchen. Man hatte
gemeint der hierarchiſch-dominicaniſchen Entwickelung des
Dogma Einhalt zu thun: in Trient waren nur die eifrig-

1 Rainaldus aus den Acten: a praesidentibus concilii decre-
tum est, quoties de articulis fidei et dogmatibus agendum esset,
antequam quidquam a sancta synodo decerneretur, omnia prius
cum dictis theologis familiariter conferenda.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0489" n="477"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das tridentini&#x017F;che Concilium</hi>.</fw><lb/>
          <p>Anfangs war es die Ab&#x017F;icht der Legaten, die&#x017F;en Con-<lb/>
ferenzen auch die Theologen beiwohnen zu la&#x017F;&#x017F;en: aber die<lb/>
Prälaten weigerten &#x017F;ich mit Mönchen zu Rath zu &#x017F;itzen. Die<lb/>
Legaten ver&#x017F;ammelten hierauf die Theologen in einer be&#x017F;on-<lb/>
dern Congregation. Von die&#x017F;en war, wie die Dinge &#x017F;tan-<lb/>
den, am wenig&#x017F;ten Oppo&#x017F;ition zu erwarten. Die Theologen<lb/>
konnten nichts wün&#x017F;chen, als die Sanction ihrer Doctrinen<lb/>
durch die päp&#x017F;tliche Autorität und das unter dem Schutz<lb/>
der&#x017F;elben ver&#x017F;ammelte Concil. Schon am 19ten Februar<lb/>
1546 &#x2014; merkwürdiger Wei&#x017F;e gerade der Tag nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luthers</persName><lb/>
Tode &#x2014; vereinigten &#x017F;ich die Legaten, über kein Dogma Be-<lb/>
&#x017F;chluß fa&#x017F;&#x017F;en zu la&#x017F;&#x017F;en, es wäre denn vorher mit die&#x017F;en Theo-<lb/>
logen überlegt. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/130236160">Rainaldus</persName> aus den Acten: <hi rendition="#aq">a praesidentibus concilii decre-<lb/>
tum est, quoties de articulis fidei et dogmatibus agendum esset,<lb/>
antequam quidquam a sancta synodo decerneretur, omnia prius<lb/>
cum dictis theologis familiariter conferenda.</hi></note></p><lb/>
          <p>Die Deut&#x017F;chen hatten ein&#x017F;t ein Concilium gefordert, im<lb/>
Sinne des Ba&#x017F;eler, aber noch ent&#x017F;chiedner deut&#x017F;ch, wo die<lb/>
Gei&#x017F;tlichen von ihrer Pflicht gegen den Pap&#x017F;t erledigt und<lb/>
auch die Laien ein ent&#x017F;cheidendes Votum führen &#x017F;ollten: da<lb/>
hofften &#x017F;ie die alten Streitigkeiten der Nation mit dem rö-<lb/>
mi&#x017F;chen Stuhle zu &#x017F;chlichten und &#x017F;ich über die Glaubens-<lb/>
irrung zu ver&#x017F;öhnen.</p><lb/>
          <p>Statt de&#x017F;&#x017F;en bot man ihnen nun die&#x017F;es Concilium an.<lb/>
Es war fa&#x017F;t eine Täu&#x017F;chung, daß man es in <placeName>Trient</placeName> berief,<lb/>
jen&#x017F;eit der Berge. In die&#x017F;em für die Deut&#x017F;chen be&#x017F;timmten<lb/>
Concilium fanden &#x017F;ich beinah keine Deut&#x017F;chen. Man hatte<lb/>
gemeint der hierarchi&#x017F;ch-dominicani&#x017F;chen Entwickelung des<lb/>
Dogma Einhalt zu thun: in <placeName>Trient</placeName> waren nur die eifrig-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[477/0489] Das tridentiniſche Concilium. Anfangs war es die Abſicht der Legaten, dieſen Con- ferenzen auch die Theologen beiwohnen zu laſſen: aber die Prälaten weigerten ſich mit Mönchen zu Rath zu ſitzen. Die Legaten verſammelten hierauf die Theologen in einer beſon- dern Congregation. Von dieſen war, wie die Dinge ſtan- den, am wenigſten Oppoſition zu erwarten. Die Theologen konnten nichts wünſchen, als die Sanction ihrer Doctrinen durch die päpſtliche Autorität und das unter dem Schutz derſelben verſammelte Concil. Schon am 19ten Februar 1546 — merkwürdiger Weiſe gerade der Tag nach Luthers Tode — vereinigten ſich die Legaten, über kein Dogma Be- ſchluß faſſen zu laſſen, es wäre denn vorher mit dieſen Theo- logen überlegt. 1 Die Deutſchen hatten einſt ein Concilium gefordert, im Sinne des Baſeler, aber noch entſchiedner deutſch, wo die Geiſtlichen von ihrer Pflicht gegen den Papſt erledigt und auch die Laien ein entſcheidendes Votum führen ſollten: da hofften ſie die alten Streitigkeiten der Nation mit dem rö- miſchen Stuhle zu ſchlichten und ſich über die Glaubens- irrung zu verſöhnen. Statt deſſen bot man ihnen nun dieſes Concilium an. Es war faſt eine Täuſchung, daß man es in Trient berief, jenſeit der Berge. In dieſem für die Deutſchen beſtimmten Concilium fanden ſich beinah keine Deutſchen. Man hatte gemeint der hierarchiſch-dominicaniſchen Entwickelung des Dogma Einhalt zu thun: in Trient waren nur die eifrig- 1 Rainaldus aus den Acten: a praesidentibus concilii decre- tum est, quoties de articulis fidei et dogmatibus agendum esset, antequam quidquam a sancta synodo decerneretur, omnia prius cum dictis theologis familiariter conferenda.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/489
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/489>, abgerufen am 25.11.2024.