Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Buch. Drittes Capitel.
so versprach man ihren Kaufmannsgesellschaften die Wieder-
eröffnung aller kaiserlichen und königlichen Lande, Heraus-
gabe aller festgehaltenen Waarenballen, die Gnade und Huld
des Kaisers. 1

"Vor eurer Thüre", schrieb ihnen der ferdinandeische Rath
Georg Gienger, "stehn Friede und Krieg, Glück und Unglück,
Segen und Fluch. Zwischen denen habt ihr zu wählen."

Man wird es einer deutschen Commune schwerlich zu-
trauen, daß sie unter solchen Umständen festhalten sollte.
Hingebung Aller ohne Ausnahme und die entschlossenste Füh-
rung hätten dazu gehört.

Auch das aber wird man von einer Commune dieser
Zeit nicht erwarten, daß sie nachdem sie den Krieg bestan-
den, das große Interesse um deßwillen sie ihn unternommen,
hätte vergessen sollen.

Die ersten Vorschläge, welche Granvella machte, wur-
den zurückgewiesen, weil darin der Religion nicht gedacht
worden. Die Fünf erklärten, ihre Absicht sey nie eine andre
gewesen, als sich vor dem Gehorsam und Glauben des Pap-
stes zu schützen; der gemeine Mann in der Stadt werde
Leib und Leben, Gut und Blut lieber wagen als davon ab-
lassen. Mit den zweideutigen Versicherungen welche im An-
fang des Krieges gemacht worden, wollten sie sich noch im-
mer nicht begnügen.

Auch nach dem gefährlichen und siegreichen Feldzug den
der Kaiser gemacht, stellte sich ihm doch die religiöse For-

1 "Wir haben in unser Capitulation ayns notigen artigkls ver-
gessen, nämlich das Ewrn Gesellschaften Kaufleuten und hantirenden
Bürgern der ks. kön. Mt Lande wider geoffnet und alle hantirung
massen wie vor diesem krieg zugelassen auch was inen arrestirt wäre
wieder relaxirt würde." (Giengen 2 Dez.)

Achtes Buch. Drittes Capitel.
ſo verſprach man ihren Kaufmannsgeſellſchaften die Wieder-
eröffnung aller kaiſerlichen und königlichen Lande, Heraus-
gabe aller feſtgehaltenen Waarenballen, die Gnade und Huld
des Kaiſers. 1

„Vor eurer Thüre“, ſchrieb ihnen der ferdinandeiſche Rath
Georg Gienger, „ſtehn Friede und Krieg, Glück und Unglück,
Segen und Fluch. Zwiſchen denen habt ihr zu wählen.“

Man wird es einer deutſchen Commune ſchwerlich zu-
trauen, daß ſie unter ſolchen Umſtänden feſthalten ſollte.
Hingebung Aller ohne Ausnahme und die entſchloſſenſte Füh-
rung hätten dazu gehört.

Auch das aber wird man von einer Commune dieſer
Zeit nicht erwarten, daß ſie nachdem ſie den Krieg beſtan-
den, das große Intereſſe um deßwillen ſie ihn unternommen,
hätte vergeſſen ſollen.

Die erſten Vorſchläge, welche Granvella machte, wur-
den zurückgewieſen, weil darin der Religion nicht gedacht
worden. Die Fünf erklärten, ihre Abſicht ſey nie eine andre
geweſen, als ſich vor dem Gehorſam und Glauben des Pap-
ſtes zu ſchützen; der gemeine Mann in der Stadt werde
Leib und Leben, Gut und Blut lieber wagen als davon ab-
laſſen. Mit den zweideutigen Verſicherungen welche im An-
fang des Krieges gemacht worden, wollten ſie ſich noch im-
mer nicht begnügen.

Auch nach dem gefährlichen und ſiegreichen Feldzug den
der Kaiſer gemacht, ſtellte ſich ihm doch die religiöſe For-

1 „Wir haben in unſer Capitulation ayns notigen artigkls ver-
geſſen, naͤmlich das Ewrn Geſellſchaften Kaufleuten und hantirenden
Buͤrgern der kſ. koͤn. Mt Lande wider geoffnet und alle hantirung
maſſen wie vor dieſem krieg zugelaſſen auch was inen arreſtirt waͤre
wieder relaxirt wuͤrde.“ (Giengen 2 Dez.)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0466" n="454"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Achtes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;o ver&#x017F;prach man ihren Kaufmannsge&#x017F;ell&#x017F;chaften die Wieder-<lb/>
eröffnung aller kai&#x017F;erlichen und königlichen Lande, Heraus-<lb/>
gabe aller fe&#x017F;tgehaltenen Waarenballen, die Gnade und Huld<lb/>
des Kai&#x017F;ers. <note place="foot" n="1">&#x201E;Wir haben in un&#x017F;er Capitulation ayns notigen artigkls ver-<lb/>
ge&#x017F;&#x017F;en, na&#x0364;mlich das Ewrn Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften Kaufleuten und hantirenden<lb/>
Bu&#x0364;rgern der k&#x017F;. ko&#x0364;n. Mt Lande wider geoffnet und alle hantirung<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en wie vor die&#x017F;em krieg zugela&#x017F;&#x017F;en auch was inen arre&#x017F;tirt wa&#x0364;re<lb/>
wieder relaxirt wu&#x0364;rde.&#x201C; (<placeName>Giengen</placeName> 2 Dez.)</note></p><lb/>
          <p>&#x201E;Vor eurer Thüre&#x201C;, &#x017F;chrieb ihnen der ferdinandei&#x017F;che Rath<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/1012266354">Georg Gienger</persName>, &#x201E;&#x017F;tehn Friede und Krieg, Glück und Unglück,<lb/>
Segen und Fluch. Zwi&#x017F;chen denen habt ihr zu wählen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Man wird es einer deut&#x017F;chen Commune &#x017F;chwerlich zu-<lb/>
trauen, daß &#x017F;ie unter &#x017F;olchen Um&#x017F;tänden fe&#x017F;thalten &#x017F;ollte.<lb/>
Hingebung Aller ohne Ausnahme und die ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en&#x017F;te Füh-<lb/>
rung hätten dazu gehört.</p><lb/>
          <p>Auch das aber wird man von einer Commune die&#x017F;er<lb/>
Zeit nicht erwarten, daß &#x017F;ie nachdem &#x017F;ie den Krieg be&#x017F;tan-<lb/>
den, das große Intere&#x017F;&#x017F;e um deßwillen &#x017F;ie ihn unternommen,<lb/>
hätte verge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Die er&#x017F;ten Vor&#x017F;chläge, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella</persName> machte, wur-<lb/>
den zurückgewie&#x017F;en, weil darin der Religion nicht gedacht<lb/>
worden. Die Fünf erklärten, ihre Ab&#x017F;icht &#x017F;ey nie eine andre<lb/>
gewe&#x017F;en, als &#x017F;ich vor dem Gehor&#x017F;am und Glauben des Pap-<lb/>
&#x017F;tes zu &#x017F;chützen; der gemeine Mann in der Stadt werde<lb/>
Leib und Leben, Gut und Blut lieber wagen als davon ab-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Mit den zweideutigen Ver&#x017F;icherungen welche im An-<lb/>
fang des Krieges gemacht worden, wollten &#x017F;ie &#x017F;ich noch im-<lb/>
mer nicht begnügen.</p><lb/>
          <p>Auch nach dem gefährlichen und &#x017F;iegreichen Feldzug den<lb/>
der Kai&#x017F;er gemacht, &#x017F;tellte &#x017F;ich ihm doch die religiö&#x017F;e For-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0466] Achtes Buch. Drittes Capitel. ſo verſprach man ihren Kaufmannsgeſellſchaften die Wieder- eröffnung aller kaiſerlichen und königlichen Lande, Heraus- gabe aller feſtgehaltenen Waarenballen, die Gnade und Huld des Kaiſers. 1 „Vor eurer Thüre“, ſchrieb ihnen der ferdinandeiſche Rath Georg Gienger, „ſtehn Friede und Krieg, Glück und Unglück, Segen und Fluch. Zwiſchen denen habt ihr zu wählen.“ Man wird es einer deutſchen Commune ſchwerlich zu- trauen, daß ſie unter ſolchen Umſtänden feſthalten ſollte. Hingebung Aller ohne Ausnahme und die entſchloſſenſte Füh- rung hätten dazu gehört. Auch das aber wird man von einer Commune dieſer Zeit nicht erwarten, daß ſie nachdem ſie den Krieg beſtan- den, das große Intereſſe um deßwillen ſie ihn unternommen, hätte vergeſſen ſollen. Die erſten Vorſchläge, welche Granvella machte, wur- den zurückgewieſen, weil darin der Religion nicht gedacht worden. Die Fünf erklärten, ihre Abſicht ſey nie eine andre geweſen, als ſich vor dem Gehorſam und Glauben des Pap- ſtes zu ſchützen; der gemeine Mann in der Stadt werde Leib und Leben, Gut und Blut lieber wagen als davon ab- laſſen. Mit den zweideutigen Verſicherungen welche im An- fang des Krieges gemacht worden, wollten ſie ſich noch im- mer nicht begnügen. Auch nach dem gefährlichen und ſiegreichen Feldzug den der Kaiſer gemacht, ſtellte ſich ihm doch die religiöſe For- 1 „Wir haben in unſer Capitulation ayns notigen artigkls ver- geſſen, naͤmlich das Ewrn Geſellſchaften Kaufleuten und hantirenden Buͤrgern der kſ. koͤn. Mt Lande wider geoffnet und alle hantirung maſſen wie vor dieſem krieg zugelaſſen auch was inen arreſtirt waͤre wieder relaxirt wuͤrde.“ (Giengen 2 Dez.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/466
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/466>, abgerufen am 13.05.2024.