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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Der schmalkaldische Krieg an der Donau.
den untern Lech, und sie konnten noch immer mit den alten
Deutschen, mit denen sie sich verglichen, wetteifern, die in ähn-
licher Stellung so unzählige Mal den Römern widerstanden.

Dazu gehörte nun aber, und sie wußten es sehr wohl,
daß auch die festen Plätze in der Nähe der Ströme in ihrem
Besitz wären: Neuburg und Rain hatten sie ohne Weiteres
eingenommen. Noch bei weitem wichtiger aber wäre ihnen
Ingolstadt gewesen, das eigentlich hauptsächlich gegen sie be-
festigt worden war: wenigstens hat das Herzog Wilhelm
dem römischen Hofe oft genug gesagt: und Schärtlin ver-
sichert, daß es nur auf einen Entschluß angekommen wäre,
so würde er sich des Ortes bemächtigt haben. Aber die
Fürsten waren von dem Glauben an die baierische Neutra-
lität, und von der Besorgniß, den Herzog zu dem Bunde
mit dem Kaiser, der doch längst geschlossen war, erst zu ver-
anlassen, nicht weniger gefesselt als die Kriegsräthe in Ulm. 1
Sie hielten Schärtlin zurück, begnügten sich mit der Ver-
sicherung, daß ihnen von da weder Zufuhr gehindert noch
der Übergang über den Fluß abgeschlagen werden solle; so
zogen sie nach Regensburg hinab.

Der Kaiser, selbstherrschend in seinem Lager wie in sei-
nem Cabinet, in Besitz einer vollkommenen Einsicht in die

1 "Verließen sich auf Herzog Wilhelms Zusagen, das daselbst
her nichts als Freundschaft, Guts Paß, Proviant und anders jder-
zeit jnen gereichen möcht." Augsb. Bericht p. 1419. Dieselbe Nach-
richt enthält der Bericht des Landgrafen Philipp bei Rommel. Schärt-
lin
versichert, er würde Ingolstadt überrascht haben, wäre er nicht
von Sachsen und Hessen abgehalten worden. Die Baiern trotzten
später auf das Verdienst, daß sie Regensburg dem Kaiser geöffuet.
Herzog Wilhelm behauptet, nächst Gott habe der Kaiser seinen Sieg
von ihm.

Der ſchmalkaldiſche Krieg an der Donau.
den untern Lech, und ſie konnten noch immer mit den alten
Deutſchen, mit denen ſie ſich verglichen, wetteifern, die in ähn-
licher Stellung ſo unzählige Mal den Römern widerſtanden.

Dazu gehörte nun aber, und ſie wußten es ſehr wohl,
daß auch die feſten Plätze in der Nähe der Ströme in ihrem
Beſitz wären: Neuburg und Rain hatten ſie ohne Weiteres
eingenommen. Noch bei weitem wichtiger aber wäre ihnen
Ingolſtadt geweſen, das eigentlich hauptſächlich gegen ſie be-
feſtigt worden war: wenigſtens hat das Herzog Wilhelm
dem römiſchen Hofe oft genug geſagt: und Schärtlin ver-
ſichert, daß es nur auf einen Entſchluß angekommen wäre,
ſo würde er ſich des Ortes bemächtigt haben. Aber die
Fürſten waren von dem Glauben an die baieriſche Neutra-
lität, und von der Beſorgniß, den Herzog zu dem Bunde
mit dem Kaiſer, der doch längſt geſchloſſen war, erſt zu ver-
anlaſſen, nicht weniger gefeſſelt als die Kriegsräthe in Ulm. 1
Sie hielten Schärtlin zurück, begnügten ſich mit der Ver-
ſicherung, daß ihnen von da weder Zufuhr gehindert noch
der Übergang über den Fluß abgeſchlagen werden ſolle; ſo
zogen ſie nach Regensburg hinab.

Der Kaiſer, ſelbſtherrſchend in ſeinem Lager wie in ſei-
nem Cabinet, in Beſitz einer vollkommenen Einſicht in die

1 „Verließen ſich auf Herzog Wilhelms Zuſagen, das daſelbſt
her nichts als Freundſchaft, Guts Paß, Proviant und anders jder-
zeit jnen gereichen moͤcht.“ Augsb. Bericht p. 1419. Dieſelbe Nach-
richt enthaͤlt der Bericht des Landgrafen Philipp bei Rommel. Schaͤrt-
lin
verſichert, er wuͤrde Ingolſtadt uͤberraſcht haben, waͤre er nicht
von Sachſen und Heſſen abgehalten worden. Die Baiern trotzten
ſpaͤter auf das Verdienſt, daß ſie Regensburg dem Kaiſer geoͤffuet.
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[431/0443] Der ſchmalkaldiſche Krieg an der Donau. den untern Lech, und ſie konnten noch immer mit den alten Deutſchen, mit denen ſie ſich verglichen, wetteifern, die in ähn- licher Stellung ſo unzählige Mal den Römern widerſtanden. Dazu gehörte nun aber, und ſie wußten es ſehr wohl, daß auch die feſten Plätze in der Nähe der Ströme in ihrem Beſitz wären: Neuburg und Rain hatten ſie ohne Weiteres eingenommen. Noch bei weitem wichtiger aber wäre ihnen Ingolſtadt geweſen, das eigentlich hauptſächlich gegen ſie be- feſtigt worden war: wenigſtens hat das Herzog Wilhelm dem römiſchen Hofe oft genug geſagt: und Schärtlin ver- ſichert, daß es nur auf einen Entſchluß angekommen wäre, ſo würde er ſich des Ortes bemächtigt haben. Aber die Fürſten waren von dem Glauben an die baieriſche Neutra- lität, und von der Beſorgniß, den Herzog zu dem Bunde mit dem Kaiſer, der doch längſt geſchloſſen war, erſt zu ver- anlaſſen, nicht weniger gefeſſelt als die Kriegsräthe in Ulm. 1 Sie hielten Schärtlin zurück, begnügten ſich mit der Ver- ſicherung, daß ihnen von da weder Zufuhr gehindert noch der Übergang über den Fluß abgeſchlagen werden ſolle; ſo zogen ſie nach Regensburg hinab. Der Kaiſer, ſelbſtherrſchend in ſeinem Lager wie in ſei- nem Cabinet, in Beſitz einer vollkommenen Einſicht in die 1 „Verließen ſich auf Herzog Wilhelms Zuſagen, das daſelbſt her nichts als Freundſchaft, Guts Paß, Proviant und anders jder- zeit jnen gereichen moͤcht.“ Augsb. Bericht p. 1419. Dieſelbe Nach- richt enthaͤlt der Bericht des Landgrafen Philipp bei Rommel. Schaͤrt- lin verſichert, er wuͤrde Ingolſtadt uͤberraſcht haben, waͤre er nicht von Sachſen und Heſſen abgehalten worden. Die Baiern trotzten ſpaͤter auf das Verdienſt, daß ſie Regensburg dem Kaiſer geoͤffuet. Herzog Wilhelm behauptet, naͤchſt Gott habe der Kaiſer ſeinen Sieg von ihm.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/443>, abgerufen am 22.11.2024.