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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Verhältnisse des Herzog Moritz von Sachsen.
abforderte, wenn sie Kalk nach der Stadt fuhren. Aber eben
in so geringfügigen Dingen zeigte sich das Aufwallen der al-
ten Erbitterung. Herzog Moritz hatte nicht allein die Räthe
seines Oheims wieder hervorgezogen, sondern auch alte Gegner
des Churfürsten aus den Diensten Erzbischof Albrechts bei sich
aufgenommen. Denen gegenüber wollten denn die churfürst-
lichen Räthe um so weniger auch nur das Geringste von dem
was sie für ihr Recht hielten, fallen lassen. In der magde-
burgischen Sache war jeder Theil eifersüchtig auf den andern.

Waren das aber Gründe, um eine auf gemeinschaftli-
chem Ursprung beruhende, durch wahre und unleugbare Dienste
die von der churfürstlichen Seite der jüngern Linie gelei-
stet worden befestigte, durch ein großes Interesse gebotene
Freundschaft zu unterbrechen? Der alte Churfürst von Cölln
erinnerte die beiden Vettern, nicht unter einander zu hadern:
sie wüßten noch nicht wohin Uneinigkeit führe. Würden sie
zusammenhalten, so seyen sie so stark wie ein Königreich,
und nicht zu besiegen: würden sie sich trennen, so habe doch
Keiner Gnade zu erwarten; verzeihe man doch ihm nicht,
der eine so gelinde Reformation vorgenommen. Er machte
sogar in Beziehung auf die magdeburgischen Streitigkeiten
einen Vorschlag, der sich hören ließ. Es ward ein Tag fest-
gesetzt, wo man eine Beilegung aller dieser Gebrechen ver-
suchen wollte. Ließ sich dieß nicht wirklich erwarten?

Bei weitem härter waren die beiden Fürsten vor eini-
gen Jahren an einander gerathen: da hatte Luther seine
Stimme erhoben, und sie hatten Friede gemacht.

Eine große Persönlichkeit bemerkt man aber nicht allein
wenn sie gegenwärtig ist; man wird ihren Werth oft dann

Verhaͤltniſſe des Herzog Moritz von Sachſen.
abforderte, wenn ſie Kalk nach der Stadt fuhren. Aber eben
in ſo geringfügigen Dingen zeigte ſich das Aufwallen der al-
ten Erbitterung. Herzog Moritz hatte nicht allein die Räthe
ſeines Oheims wieder hervorgezogen, ſondern auch alte Gegner
des Churfürſten aus den Dienſten Erzbiſchof Albrechts bei ſich
aufgenommen. Denen gegenüber wollten denn die churfürſt-
lichen Räthe um ſo weniger auch nur das Geringſte von dem
was ſie für ihr Recht hielten, fallen laſſen. In der magde-
burgiſchen Sache war jeder Theil eiferſüchtig auf den andern.

Waren das aber Gründe, um eine auf gemeinſchaftli-
chem Urſprung beruhende, durch wahre und unleugbare Dienſte
die von der churfürſtlichen Seite der jüngern Linie gelei-
ſtet worden befeſtigte, durch ein großes Intereſſe gebotene
Freundſchaft zu unterbrechen? Der alte Churfürſt von Cölln
erinnerte die beiden Vettern, nicht unter einander zu hadern:
ſie wüßten noch nicht wohin Uneinigkeit führe. Würden ſie
zuſammenhalten, ſo ſeyen ſie ſo ſtark wie ein Königreich,
und nicht zu beſiegen: würden ſie ſich trennen, ſo habe doch
Keiner Gnade zu erwarten; verzeihe man doch ihm nicht,
der eine ſo gelinde Reformation vorgenommen. Er machte
ſogar in Beziehung auf die magdeburgiſchen Streitigkeiten
einen Vorſchlag, der ſich hören ließ. Es ward ein Tag feſt-
geſetzt, wo man eine Beilegung aller dieſer Gebrechen ver-
ſuchen wollte. Ließ ſich dieß nicht wirklich erwarten?

Bei weitem härter waren die beiden Fürſten vor eini-
gen Jahren an einander gerathen: da hatte Luther ſeine
Stimme erhoben, und ſie hatten Friede gemacht.

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wenn ſie gegenwärtig iſt; man wird ihren Werth oft dann

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[397/0409] Verhaͤltniſſe des Herzog Moritz von Sachſen. abforderte, wenn ſie Kalk nach der Stadt fuhren. Aber eben in ſo geringfügigen Dingen zeigte ſich das Aufwallen der al- ten Erbitterung. Herzog Moritz hatte nicht allein die Räthe ſeines Oheims wieder hervorgezogen, ſondern auch alte Gegner des Churfürſten aus den Dienſten Erzbiſchof Albrechts bei ſich aufgenommen. Denen gegenüber wollten denn die churfürſt- lichen Räthe um ſo weniger auch nur das Geringſte von dem was ſie für ihr Recht hielten, fallen laſſen. In der magde- burgiſchen Sache war jeder Theil eiferſüchtig auf den andern. Waren das aber Gründe, um eine auf gemeinſchaftli- chem Urſprung beruhende, durch wahre und unleugbare Dienſte die von der churfürſtlichen Seite der jüngern Linie gelei- ſtet worden befeſtigte, durch ein großes Intereſſe gebotene Freundſchaft zu unterbrechen? Der alte Churfürſt von Cölln erinnerte die beiden Vettern, nicht unter einander zu hadern: ſie wüßten noch nicht wohin Uneinigkeit führe. Würden ſie zuſammenhalten, ſo ſeyen ſie ſo ſtark wie ein Königreich, und nicht zu beſiegen: würden ſie ſich trennen, ſo habe doch Keiner Gnade zu erwarten; verzeihe man doch ihm nicht, der eine ſo gelinde Reformation vorgenommen. Er machte ſogar in Beziehung auf die magdeburgiſchen Streitigkeiten einen Vorſchlag, der ſich hören ließ. Es ward ein Tag feſt- geſetzt, wo man eine Beilegung aller dieſer Gebrechen ver- ſuchen wollte. Ließ ſich dieß nicht wirklich erwarten? Bei weitem härter waren die beiden Fürſten vor eini- gen Jahren an einander gerathen: da hatte Luther ſeine Stimme erhoben, und ſie hatten Friede gemacht. Eine große Perſönlichkeit bemerkt man aber nicht allein wenn ſie gegenwärtig iſt; man wird ihren Werth oft dann

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/409>, abgerufen am 12.05.2024.