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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.
absichtlich vermied er jeden nicht allenfalls wieder abzuleug-
nenden Antheil an dem Kriege: er wollte sich der Rache der
Protestanten im Fall eines unerwünschten Ausganges nicht
aussetzen. Der Kaiser ließ sich das gern gefallen: es war
ihm sogar nützlich einen Verbündeten zu haben von dem
man nicht wußte daß er das war. Der venezianische Ge-
sandte erzählt, der Kaiser habe sich des Herzogs durch förm-
lichen Eidschwur versichert, aber ihm erlaubt, mit den Geg-
nern fortwährend in Unterhandlung zu bleiben.

In einem ähnlichen Verhältniß hielten sich fast alle an-
dern katholischen Fürsten. Die Nähe des Kaisers verhinderte
wohl alle Manifestationen der Abweichung: Heusenstamm, der
auf jedem ankommenden Briefe las, daß er nur erst der Er-
wählte von Mainz, noch nicht der wahre Erzbischof sey, hü-
tete sich vor jedem zweideutigen Schritte; allein auch ent-
schlossene Hülfe war von ihnen nicht zu erwarten: allzu furcht-
bar erschienen ihnen die Protestanten, die bisher in jedem Zu-
sammentreffen den Sieg behauptet.

Und der Kaiser selber hätte wohl noch immer Bedenken
tragen sollen sie anzugreifen, wäre es ihm nicht gelungen
in ihrer Mitte Verbündete zu finden. Es war der Meister-
streich seiner Politik, -- wir wissen aus einer Meldung an
den Papst daß er schon lange sein Sinnen darauf gerichtet,
-- und sagen wir seines Glückes.

Zum Theil ward es durch den Ausgang jener letzten
Braunschweiger Fehde, die Gefangennehmung des Herzog
Heinrich veranlaßt. So protestantisch gesinnt übrigens die
Herzogin Elisabeth von Calenberg war, so rief sie doch jetzt
zugleich mit ihrem Sohne Erich die Hülfe des römischen

Achtes Buch. Erſtes Capitel.
abſichtlich vermied er jeden nicht allenfalls wieder abzuleug-
nenden Antheil an dem Kriege: er wollte ſich der Rache der
Proteſtanten im Fall eines unerwünſchten Ausganges nicht
ausſetzen. Der Kaiſer ließ ſich das gern gefallen: es war
ihm ſogar nützlich einen Verbündeten zu haben von dem
man nicht wußte daß er das war. Der venezianiſche Ge-
ſandte erzählt, der Kaiſer habe ſich des Herzogs durch förm-
lichen Eidſchwur verſichert, aber ihm erlaubt, mit den Geg-
nern fortwährend in Unterhandlung zu bleiben.

In einem ähnlichen Verhältniß hielten ſich faſt alle an-
dern katholiſchen Fürſten. Die Nähe des Kaiſers verhinderte
wohl alle Manifeſtationen der Abweichung: Heuſenſtamm, der
auf jedem ankommenden Briefe las, daß er nur erſt der Er-
wählte von Mainz, noch nicht der wahre Erzbiſchof ſey, hü-
tete ſich vor jedem zweideutigen Schritte; allein auch ent-
ſchloſſene Hülfe war von ihnen nicht zu erwarten: allzu furcht-
bar erſchienen ihnen die Proteſtanten, die bisher in jedem Zu-
ſammentreffen den Sieg behauptet.

Und der Kaiſer ſelber hätte wohl noch immer Bedenken
tragen ſollen ſie anzugreifen, wäre es ihm nicht gelungen
in ihrer Mitte Verbündete zu finden. Es war der Meiſter-
ſtreich ſeiner Politik, — wir wiſſen aus einer Meldung an
den Papſt daß er ſchon lange ſein Sinnen darauf gerichtet,
— und ſagen wir ſeines Glückes.

Zum Theil ward es durch den Ausgang jener letzten
Braunſchweiger Fehde, die Gefangennehmung des Herzog
Heinrich veranlaßt. So proteſtantiſch geſinnt übrigens die
Herzogin Eliſabeth von Calenberg war, ſo rief ſie doch jetzt
zugleich mit ihrem Sohne Erich die Hülfe des römiſchen

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[392/0404] Achtes Buch. Erſtes Capitel. abſichtlich vermied er jeden nicht allenfalls wieder abzuleug- nenden Antheil an dem Kriege: er wollte ſich der Rache der Proteſtanten im Fall eines unerwünſchten Ausganges nicht ausſetzen. Der Kaiſer ließ ſich das gern gefallen: es war ihm ſogar nützlich einen Verbündeten zu haben von dem man nicht wußte daß er das war. Der venezianiſche Ge- ſandte erzählt, der Kaiſer habe ſich des Herzogs durch förm- lichen Eidſchwur verſichert, aber ihm erlaubt, mit den Geg- nern fortwährend in Unterhandlung zu bleiben. In einem ähnlichen Verhältniß hielten ſich faſt alle an- dern katholiſchen Fürſten. Die Nähe des Kaiſers verhinderte wohl alle Manifeſtationen der Abweichung: Heuſenſtamm, der auf jedem ankommenden Briefe las, daß er nur erſt der Er- wählte von Mainz, noch nicht der wahre Erzbiſchof ſey, hü- tete ſich vor jedem zweideutigen Schritte; allein auch ent- ſchloſſene Hülfe war von ihnen nicht zu erwarten: allzu furcht- bar erſchienen ihnen die Proteſtanten, die bisher in jedem Zu- ſammentreffen den Sieg behauptet. Und der Kaiſer ſelber hätte wohl noch immer Bedenken tragen ſollen ſie anzugreifen, wäre es ihm nicht gelungen in ihrer Mitte Verbündete zu finden. Es war der Meiſter- ſtreich ſeiner Politik, — wir wiſſen aus einer Meldung an den Papſt daß er ſchon lange ſein Sinnen darauf gerichtet, — und ſagen wir ſeines Glückes. Zum Theil ward es durch den Ausgang jener letzten Braunſchweiger Fehde, die Gefangennehmung des Herzog Heinrich veranlaßt. So proteſtantiſch geſinnt übrigens die Herzogin Eliſabeth von Calenberg war, ſo rief ſie doch jetzt zugleich mit ihrem Sohne Erich die Hülfe des römiſchen

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/404>, abgerufen am 22.11.2024.