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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Erstes Capitel.
Jahre 1542 finden wir Mitglieder desselben in Deutschland
wirksam. Eben an den bedrohtesten Stellen sehen wir sie
erscheinen: in Wien Bobadilla, in Ingolstadt Jaius, in Cölln
Faber. Noch fällt ihr Thun und Treiben nicht sehr in die
Augen: -- aber schon ist es nicht ohne Wirkung. Im Ge-
folge der Nuntien oder des römischen Königs erscheinen sie
an den Reichstagen und hören die Beichte der Vornehm-
sten von den Versammelten: sie dringen in den Rath der
Bischöfe und machen ihre Meinung darin geltend; schon ge-
lingen ihnen einzelne Bekehrungen, wie die des Petrus Cani-
sius
, die denn für Oberdeutschland von großer Bedeutung ge-
worden ist; hauptsächlich, sie repräsentiren einmal wieder das
katholische Prinzip mit aller Hingebung und Strenge. Die
Zusammensetzung des kaiserlichen Hofes und Heeres war recht
eigen dazu gemacht um diese Elemente nach Deutschland zu
leiten. Die Anführer jener Italiener und Spanier die im
Jahr 1543 mit Carln über die Alpen gekommen, warnten
schon damals die lutherischen Prädicanten sich öffentlich blicken
zu lassen: ihr Volk sey ihnen feind, sie seyen desselben nicht
mächtig genug um eine Gewaltthat zu verhindern.

Wozu es auch in Deutschland kommen könne, zeigte ein
gräßlicher Brudermord, der in diesen Tagen zu Neuburg an
der Donau geschah.

Ein junger Spanier, Johann Diaz, dem in Paris, wo
er studirte, einige Schriften der Reformatoren zu Handen
gekommen, deren Meinung er in den Paulinischen Briefen
bestätigt fand, war nach Deutschland gegangen und hatte
sich hier ganz mit den evangelischen Lehren durchdrungen:
mit Butzer, der ihm wie andern Flüchtlingen gastfreie Auf-

Achtes Buch. Erſtes Capitel.
Jahre 1542 finden wir Mitglieder deſſelben in Deutſchland
wirkſam. Eben an den bedrohteſten Stellen ſehen wir ſie
erſcheinen: in Wien Bobadilla, in Ingolſtadt Jaius, in Cölln
Faber. Noch fällt ihr Thun und Treiben nicht ſehr in die
Augen: — aber ſchon iſt es nicht ohne Wirkung. Im Ge-
folge der Nuntien oder des römiſchen Königs erſcheinen ſie
an den Reichstagen und hören die Beichte der Vornehm-
ſten von den Verſammelten: ſie dringen in den Rath der
Biſchöfe und machen ihre Meinung darin geltend; ſchon ge-
lingen ihnen einzelne Bekehrungen, wie die des Petrus Cani-
ſius
, die denn für Oberdeutſchland von großer Bedeutung ge-
worden iſt; hauptſächlich, ſie repräſentiren einmal wieder das
katholiſche Prinzip mit aller Hingebung und Strenge. Die
Zuſammenſetzung des kaiſerlichen Hofes und Heeres war recht
eigen dazu gemacht um dieſe Elemente nach Deutſchland zu
leiten. Die Anführer jener Italiener und Spanier die im
Jahr 1543 mit Carln über die Alpen gekommen, warnten
ſchon damals die lutheriſchen Prädicanten ſich öffentlich blicken
zu laſſen: ihr Volk ſey ihnen feind, ſie ſeyen deſſelben nicht
mächtig genug um eine Gewaltthat zu verhindern.

Wozu es auch in Deutſchland kommen könne, zeigte ein
gräßlicher Brudermord, der in dieſen Tagen zu Neuburg an
der Donau geſchah.

Ein junger Spanier, Johann Diaz, dem in Paris, wo
er ſtudirte, einige Schriften der Reformatoren zu Handen
gekommen, deren Meinung er in den Pauliniſchen Briefen
beſtätigt fand, war nach Deutſchland gegangen und hatte
ſich hier ganz mit den evangeliſchen Lehren durchdrungen:
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[384/0396] Achtes Buch. Erſtes Capitel. Jahre 1542 finden wir Mitglieder deſſelben in Deutſchland wirkſam. Eben an den bedrohteſten Stellen ſehen wir ſie erſcheinen: in Wien Bobadilla, in Ingolſtadt Jaius, in Cölln Faber. Noch fällt ihr Thun und Treiben nicht ſehr in die Augen: — aber ſchon iſt es nicht ohne Wirkung. Im Ge- folge der Nuntien oder des römiſchen Königs erſcheinen ſie an den Reichstagen und hören die Beichte der Vornehm- ſten von den Verſammelten: ſie dringen in den Rath der Biſchöfe und machen ihre Meinung darin geltend; ſchon ge- lingen ihnen einzelne Bekehrungen, wie die des Petrus Cani- ſius, die denn für Oberdeutſchland von großer Bedeutung ge- worden iſt; hauptſächlich, ſie repräſentiren einmal wieder das katholiſche Prinzip mit aller Hingebung und Strenge. Die Zuſammenſetzung des kaiſerlichen Hofes und Heeres war recht eigen dazu gemacht um dieſe Elemente nach Deutſchland zu leiten. Die Anführer jener Italiener und Spanier die im Jahr 1543 mit Carln über die Alpen gekommen, warnten ſchon damals die lutheriſchen Prädicanten ſich öffentlich blicken zu laſſen: ihr Volk ſey ihnen feind, ſie ſeyen deſſelben nicht mächtig genug um eine Gewaltthat zu verhindern. Wozu es auch in Deutſchland kommen könne, zeigte ein gräßlicher Brudermord, der in dieſen Tagen zu Neuburg an der Donau geſchah. Ein junger Spanier, Johann Diaz, dem in Paris, wo er ſtudirte, einige Schriften der Reformatoren zu Handen gekommen, deren Meinung er in den Pauliniſchen Briefen beſtätigt fand, war nach Deutſchland gegangen und hatte ſich hier ganz mit den evangeliſchen Lehren durchdrungen: mit Butzer, der ihm wie andern Flüchtlingen gaſtfreie Auf-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/396>, abgerufen am 23.11.2024.