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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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U. d. K. Erhebung des katholischen Prinzipes.
thode zeigte sich ein nicht mehr zu vereinigender Zwiespalt.
Während die Protestanten mit einer gewissen Ängstlichkeit
ausführten, mit welchem Maaße sie die Kirchenväter annäh-
men, nemlich deren eigenem Ausspruch zufolge nur in wie
fern sie mit der Schrift übereinstimmen, trug Malvenda kein
Bedenken, sich auf ein paar Scholastiker des vierzehnten und
funfzehnten Jahrhunderts, Bricot und den englischen Domi-
nicaner Holcoth, zu berufen. 1 Er behauptete die ununterbro-
chene Continuität der rechtgläubigen Entwickelung des Dogma
stärker, als es lange in Deutschland vorgekommen: er schlug
einen Weg ein, der zu keiner Annäherung, sondern nur zu
immer weiterer Entfernung führen mußte.

Zugleich wurden wunderlich ängstliche Maaßregeln ge-
troffen, um das Geheimniß dieser Verhandlungen zu bewah-
ren. Die Protocolle wurden alle Nachmittag in einen eiser-
nen mit drei Schlössern versehenen Kasten niedergelegt, aus
welchem sie ohne Bewilligung der Präsidenten nicht wieder-
hervorgezogen werden konnten. Und auch dieß schien noch
nicht genug. Die Colloquenten sollten sich eidlich verpflich-
ten, keinen lebenden Menschen von ihren Verhandlungen et-
was erfahren zu lassen. 2

Man kann es den Protestanten nicht verargen, wenn
sie diesen Eid nicht leisten wollten. Mußten sie nicht we-
nigstens den Ständen, von denen sie geschickt worden, Be-

1 Brenz an Amsdorf 29 Febr. Corp. Ref. VI, 65.
2 Bericht Georg Majors, Hortleder I, i, c. 40, p. 365. Höchst
auffallend ist, daß als der Landgraf diese Anordnung am kaiserlichen
Hofe zur Sprache brachte, Niemand darum wissen wollte. Der Chur-
fürst zweifelte nicht, der kaiserliche Befehl sey von den Präsidenten
erdichtet. (Schreiben Joh. Friedrichs Sonnab. nach Ostern.)

U. d. K. Erhebung des katholiſchen Prinzipes.
thode zeigte ſich ein nicht mehr zu vereinigender Zwieſpalt.
Während die Proteſtanten mit einer gewiſſen Ängſtlichkeit
ausführten, mit welchem Maaße ſie die Kirchenväter annäh-
men, nemlich deren eigenem Ausſpruch zufolge nur in wie
fern ſie mit der Schrift übereinſtimmen, trug Malvenda kein
Bedenken, ſich auf ein paar Scholaſtiker des vierzehnten und
funfzehnten Jahrhunderts, Bricot und den engliſchen Domi-
nicaner Holcoth, zu berufen. 1 Er behauptete die ununterbro-
chene Continuität der rechtgläubigen Entwickelung des Dogma
ſtärker, als es lange in Deutſchland vorgekommen: er ſchlug
einen Weg ein, der zu keiner Annäherung, ſondern nur zu
immer weiterer Entfernung führen mußte.

Zugleich wurden wunderlich ängſtliche Maaßregeln ge-
troffen, um das Geheimniß dieſer Verhandlungen zu bewah-
ren. Die Protocolle wurden alle Nachmittag in einen eiſer-
nen mit drei Schlöſſern verſehenen Kaſten niedergelegt, aus
welchem ſie ohne Bewilligung der Präſidenten nicht wieder-
hervorgezogen werden konnten. Und auch dieß ſchien noch
nicht genug. Die Colloquenten ſollten ſich eidlich verpflich-
ten, keinen lebenden Menſchen von ihren Verhandlungen et-
was erfahren zu laſſen. 2

Man kann es den Proteſtanten nicht verargen, wenn
ſie dieſen Eid nicht leiſten wollten. Mußten ſie nicht we-
nigſtens den Ständen, von denen ſie geſchickt worden, Be-

1 Brenz an Amsdorf 29 Febr. Corp. Ref. VI, 65.
2 Bericht Georg Majors, Hortleder I, i, c. 40, p. 365. Hoͤchſt
auffallend iſt, daß als der Landgraf dieſe Anordnung am kaiſerlichen
Hofe zur Sprache brachte, Niemand darum wiſſen wollte. Der Chur-
fuͤrſt zweifelte nicht, der kaiſerliche Befehl ſey von den Praͤſidenten
erdichtet. (Schreiben Joh. Friedrichs Sonnab. nach Oſtern.)
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[381/0393] U. d. K. Erhebung des katholiſchen Prinzipes. thode zeigte ſich ein nicht mehr zu vereinigender Zwieſpalt. Während die Proteſtanten mit einer gewiſſen Ängſtlichkeit ausführten, mit welchem Maaße ſie die Kirchenväter annäh- men, nemlich deren eigenem Ausſpruch zufolge nur in wie fern ſie mit der Schrift übereinſtimmen, trug Malvenda kein Bedenken, ſich auf ein paar Scholaſtiker des vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderts, Bricot und den engliſchen Domi- nicaner Holcoth, zu berufen. 1 Er behauptete die ununterbro- chene Continuität der rechtgläubigen Entwickelung des Dogma ſtärker, als es lange in Deutſchland vorgekommen: er ſchlug einen Weg ein, der zu keiner Annäherung, ſondern nur zu immer weiterer Entfernung führen mußte. Zugleich wurden wunderlich ängſtliche Maaßregeln ge- troffen, um das Geheimniß dieſer Verhandlungen zu bewah- ren. Die Protocolle wurden alle Nachmittag in einen eiſer- nen mit drei Schlöſſern verſehenen Kaſten niedergelegt, aus welchem ſie ohne Bewilligung der Präſidenten nicht wieder- hervorgezogen werden konnten. Und auch dieß ſchien noch nicht genug. Die Colloquenten ſollten ſich eidlich verpflich- ten, keinen lebenden Menſchen von ihren Verhandlungen et- was erfahren zu laſſen. 2 Man kann es den Proteſtanten nicht verargen, wenn ſie dieſen Eid nicht leiſten wollten. Mußten ſie nicht we- nigſtens den Ständen, von denen ſie geſchickt worden, Be- 1 Brenz an Amsdorf 29 Febr. Corp. Ref. VI, 65. 2 Bericht Georg Majors, Hortleder I, i, c. 40, p. 365. Hoͤchſt auffallend iſt, daß als der Landgraf dieſe Anordnung am kaiſerlichen Hofe zur Sprache brachte, Niemand darum wiſſen wollte. Der Chur- fuͤrſt zweifelte nicht, der kaiſerliche Befehl ſey von den Praͤſidenten erdichtet. (Schreiben Joh. Friedrichs Sonnab. nach Oſtern.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/393>, abgerufen am 22.11.2024.