lichen an Zahl wenigstens gleich war, in dasiger Gegend auf dem linken Ufer der Marne versammelt. Das waren aber nicht die Gedanken des Kaisers. Indem dort zum Scheine die Zelte aufgerichtet wurden, nahm das ganze Heer seinen Weg die Marne abwärts, die Straße nach Paris. Es war eine heitere Nacht, heller Mondschein, der Weg trocken und eben. Den Vortrab, der hauptsächlich aus Reiterei be- stand, befehligte Francesco d'Este, dann folgten die Fußvöl- ker unter dem Grafen von Fürstenberg. In den Dörfern, durch die man kam, fand man die Bauern ruhig schlafen.
Wäre nicht in einem dieser Dörfer gegen Morgen Feuer ausgekommen, so würde man vielleicht -- die Schiffbrücken waren zur Hand -- das feindliche Heer jenseit der Marne haben überraschen können. Aber auch so gewann man ihm den Vorsprung ab. Am 4ten September fiel Epernay in die Hände des Kaisers; am 6ten finden wir das Heer in der Nähe von Chatillon; am 8ten besetzte es Chateau Thierry, wo man sich zugleich sehr erwünschter Vorräthe bemächtigte.
Die Zeitgenossen können nicht genug sagen, welcher Schrecken, welche Flucht bei dieser unerwarteten Gefahr in dem ganzen Land umher, hauptsächlich aber in Paris aus- brach. Paradin meint, seit die Stadt erbaut worden, habe sie nichts ähnliches erlebt. König Franz eilte in Person da- hin. Sein Wort, von der Furcht könne er sie nicht befreien, aber wohl vor Unglück beschützen, bezeichnet sehr wohl die Stimmung die er fand, und die gute Haltung die er doch selbst behauptete. Er traf einige Anordnungen in der Stadt, und machte Anstalt im Nothfall den Montmartre zu ver- theidigen.
Siebentes Buch. Achtes Capitel.
lichen an Zahl wenigſtens gleich war, in daſiger Gegend auf dem linken Ufer der Marne verſammelt. Das waren aber nicht die Gedanken des Kaiſers. Indem dort zum Scheine die Zelte aufgerichtet wurden, nahm das ganze Heer ſeinen Weg die Marne abwärts, die Straße nach Paris. Es war eine heitere Nacht, heller Mondſchein, der Weg trocken und eben. Den Vortrab, der hauptſächlich aus Reiterei be- ſtand, befehligte Francesco d’Eſte, dann folgten die Fußvöl- ker unter dem Grafen von Fürſtenberg. In den Dörfern, durch die man kam, fand man die Bauern ruhig ſchlafen.
Wäre nicht in einem dieſer Dörfer gegen Morgen Feuer ausgekommen, ſo würde man vielleicht — die Schiffbrücken waren zur Hand — das feindliche Heer jenſeit der Marne haben überraſchen können. Aber auch ſo gewann man ihm den Vorſprung ab. Am 4ten September fiel Epernay in die Hände des Kaiſers; am 6ten finden wir das Heer in der Nähe von Chatillon; am 8ten beſetzte es Chateau Thierry, wo man ſich zugleich ſehr erwünſchter Vorräthe bemächtigte.
Die Zeitgenoſſen können nicht genug ſagen, welcher Schrecken, welche Flucht bei dieſer unerwarteten Gefahr in dem ganzen Land umher, hauptſächlich aber in Paris aus- brach. Paradin meint, ſeit die Stadt erbaut worden, habe ſie nichts ähnliches erlebt. König Franz eilte in Perſon da- hin. Sein Wort, von der Furcht könne er ſie nicht befreien, aber wohl vor Unglück beſchützen, bezeichnet ſehr wohl die Stimmung die er fand, und die gute Haltung die er doch ſelbſt behauptete. Er traf einige Anordnungen in der Stadt, und machte Anſtalt im Nothfall den Montmartre zu ver- theidigen.
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Siebentes Buch. Achtes Capitel.
lichen an Zahl wenigſtens gleich war, in daſiger Gegend
auf dem linken Ufer der Marne verſammelt. Das waren
aber nicht die Gedanken des Kaiſers. Indem dort zum
Scheine die Zelte aufgerichtet wurden, nahm das ganze Heer
ſeinen Weg die Marne abwärts, die Straße nach Paris. Es
war eine heitere Nacht, heller Mondſchein, der Weg trocken
und eben. Den Vortrab, der hauptſächlich aus Reiterei be-
ſtand, befehligte Francesco d’Eſte, dann folgten die Fußvöl-
ker unter dem Grafen von Fürſtenberg. In den Dörfern,
durch die man kam, fand man die Bauern ruhig ſchlafen.
Wäre nicht in einem dieſer Dörfer gegen Morgen Feuer
ausgekommen, ſo würde man vielleicht — die Schiffbrücken
waren zur Hand — das feindliche Heer jenſeit der Marne
haben überraſchen können. Aber auch ſo gewann man ihm
den Vorſprung ab. Am 4ten September fiel Epernay in
die Hände des Kaiſers; am 6ten finden wir das Heer in der
Nähe von Chatillon; am 8ten beſetzte es Chateau Thierry,
wo man ſich zugleich ſehr erwünſchter Vorräthe bemächtigte.
Die Zeitgenoſſen können nicht genug ſagen, welcher
Schrecken, welche Flucht bei dieſer unerwarteten Gefahr in
dem ganzen Land umher, hauptſächlich aber in Paris aus-
brach. Paradin meint, ſeit die Stadt erbaut worden, habe
ſie nichts ähnliches erlebt. König Franz eilte in Perſon da-
hin. Sein Wort, von der Furcht könne er ſie nicht befreien,
aber wohl vor Unglück beſchützen, bezeichnet ſehr wohl die
Stimmung die er fand, und die gute Haltung die er doch
ſelbſt behauptete. Er traf einige Anordnungen in der Stadt,
und machte Anſtalt im Nothfall den Montmartre zu ver-
theidigen.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/326>, abgerufen am 22.11.2024.
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