Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Richtung gegen Frankreich.
mit Frankreich und dem Papst ihn anzugreifen einen Augen-
blick Miene gemacht, würde hier uns zu weit von unsern
Angelegenheiten entfernen: wir versparen uns das bis zu ge-
legener Stelle: hier bemerken wir nur, daß der für Deutsch-
land
so wichtige Augenblick, in welchem jene Combination
aufgegeben ward, nothwendig auch für König Heinrich VIII
maaßgebend wurde.

Er zuerst, denn nun brauchte er keinen deutschen Ver-
bündeten mehr, hatte den Herzog von Cleve fallen lassen;
die mit dessen Schwester erst eingegangene Ehe hatte er un-
mittelbar nachher wieder aufgelöst, wie denn bei ihm auf
eine Weise die ohne Beispiel ist, religiöse, politische und ma-
trimoniale Angelegenheiten in einander greifen und einander
bedingen. Indem er sich hierauf, wenigstens in Bezug auf
das Dogma, den Katholiken wieder anschloß, ließ er sich auch
geneigt finden, das Andenken seiner spanischen Gemahlin Ca-
tharina
wiederherzustellen, ihre Tochter Maria als erbberech-
tigt anzuerkennen: er näherte sich überhaupt dem Kaiser.
Den Franzosen dagegen konnte er nicht verzeihen daß sie
seinen Absichten auf Schottland widerstrebten; Geldforderun-
gen und Grenzstreitigkeiten gab es immer: genug er entschloß
sich, mit dem Kaiser noch einmal gemeinschaftliche Sache zu
machen. Dem Wortlaut ihrer Allianz nach sollte es schei-
nen, als hätten sie ihre alten, halb Frankreich umfassenden
Ansprüche von den Zeiten der englisch-burgundischen Kriege
noch einmal mit einander auszuführen beabsichtigt.

Noch im Jahr 1543 unterstützten die Engländer den
Kaiser von Calais und Guines her, doch kam es in diesem
Jahre zu nichts Entscheidendem; vielmehr behaupteten sich

Richtung gegen Frankreich.
mit Frankreich und dem Papſt ihn anzugreifen einen Augen-
blick Miene gemacht, würde hier uns zu weit von unſern
Angelegenheiten entfernen: wir verſparen uns das bis zu ge-
legener Stelle: hier bemerken wir nur, daß der für Deutſch-
land
ſo wichtige Augenblick, in welchem jene Combination
aufgegeben ward, nothwendig auch für König Heinrich VIII
maaßgebend wurde.

Er zuerſt, denn nun brauchte er keinen deutſchen Ver-
bündeten mehr, hatte den Herzog von Cleve fallen laſſen;
die mit deſſen Schweſter erſt eingegangene Ehe hatte er un-
mittelbar nachher wieder aufgelöſt, wie denn bei ihm auf
eine Weiſe die ohne Beiſpiel iſt, religiöſe, politiſche und ma-
trimoniale Angelegenheiten in einander greifen und einander
bedingen. Indem er ſich hierauf, wenigſtens in Bezug auf
das Dogma, den Katholiken wieder anſchloß, ließ er ſich auch
geneigt finden, das Andenken ſeiner ſpaniſchen Gemahlin Ca-
tharina
wiederherzuſtellen, ihre Tochter Maria als erbberech-
tigt anzuerkennen: er näherte ſich überhaupt dem Kaiſer.
Den Franzoſen dagegen konnte er nicht verzeihen daß ſie
ſeinen Abſichten auf Schottland widerſtrebten; Geldforderun-
gen und Grenzſtreitigkeiten gab es immer: genug er entſchloß
ſich, mit dem Kaiſer noch einmal gemeinſchaftliche Sache zu
machen. Dem Wortlaut ihrer Allianz nach ſollte es ſchei-
nen, als hätten ſie ihre alten, halb Frankreich umfaſſenden
Anſprüche von den Zeiten der engliſch-burgundiſchen Kriege
noch einmal mit einander auszuführen beabſichtigt.

Noch im Jahr 1543 unterſtützten die Engländer den
Kaiſer von Calais und Guines her, doch kam es in dieſem
Jahre zu nichts Entſcheidendem; vielmehr behaupteten ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0309" n="297"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Richtung gegen <placeName>Frankreich</placeName></hi>.</fw><lb/>
mit <placeName>Frankreich</placeName> und dem Pap&#x017F;t ihn anzugreifen einen Augen-<lb/>
blick Miene gemacht, würde hier uns zu weit von un&#x017F;ern<lb/>
Angelegenheiten entfernen: wir ver&#x017F;paren uns das bis zu ge-<lb/>
legener Stelle: hier bemerken wir nur, daß der für <placeName>Deut&#x017F;ch-<lb/>
land</placeName> &#x017F;o wichtige Augenblick, in welchem jene Combination<lb/>
aufgegeben ward, nothwendig auch für König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118548204">Heinrich <hi rendition="#aq">VIII</hi></persName><lb/>
maaßgebend wurde.</p><lb/>
          <p>Er zuer&#x017F;t, denn nun brauchte er keinen deut&#x017F;chen Ver-<lb/>
bündeten mehr, hatte den Herzog von <placeName>Cleve</placeName> fallen la&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
die mit de&#x017F;&#x017F;en Schwe&#x017F;ter er&#x017F;t eingegangene Ehe hatte er un-<lb/>
mittelbar nachher wieder aufgelö&#x017F;t, wie denn bei ihm auf<lb/>
eine Wei&#x017F;e die ohne Bei&#x017F;piel i&#x017F;t, religiö&#x017F;e, politi&#x017F;che und ma-<lb/>
trimoniale Angelegenheiten in einander greifen und einander<lb/>
bedingen. Indem er &#x017F;ich hierauf, wenig&#x017F;tens in Bezug auf<lb/>
das Dogma, den Katholiken wieder an&#x017F;chloß, ließ er &#x017F;ich auch<lb/>
geneigt finden, das Andenken &#x017F;einer &#x017F;pani&#x017F;chen Gemahlin <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118721135">Ca-<lb/>
tharina</persName> wiederherzu&#x017F;tellen, ihre Tochter <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118640917">Maria</persName> als erbberech-<lb/>
tigt anzuerkennen: er näherte &#x017F;ich überhaupt dem Kai&#x017F;er.<lb/>
Den Franzo&#x017F;en dagegen konnte er nicht verzeihen daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;einen Ab&#x017F;ichten auf <placeName>Schottland</placeName> wider&#x017F;trebten; Geldforderun-<lb/>
gen und Grenz&#x017F;treitigkeiten gab es immer: genug er ent&#x017F;chloß<lb/>
&#x017F;ich, mit dem Kai&#x017F;er noch einmal gemein&#x017F;chaftliche Sache zu<lb/>
machen. Dem Wortlaut ihrer Allianz nach &#x017F;ollte es &#x017F;chei-<lb/>
nen, als hätten &#x017F;ie ihre alten, halb <placeName>Frankreich</placeName> umfa&#x017F;&#x017F;enden<lb/>
An&#x017F;prüche von den Zeiten der engli&#x017F;ch-burgundi&#x017F;chen Kriege<lb/>
noch einmal mit einander auszuführen beab&#x017F;ichtigt.</p><lb/>
          <p>Noch im Jahr 1543 unter&#x017F;tützten die Engländer den<lb/>
Kai&#x017F;er von <placeName>Calais</placeName> und <placeName>Guines</placeName> her, doch kam es in die&#x017F;em<lb/>
Jahre zu nichts Ent&#x017F;cheidendem; vielmehr behaupteten &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0309] Richtung gegen Frankreich. mit Frankreich und dem Papſt ihn anzugreifen einen Augen- blick Miene gemacht, würde hier uns zu weit von unſern Angelegenheiten entfernen: wir verſparen uns das bis zu ge- legener Stelle: hier bemerken wir nur, daß der für Deutſch- land ſo wichtige Augenblick, in welchem jene Combination aufgegeben ward, nothwendig auch für König Heinrich VIII maaßgebend wurde. Er zuerſt, denn nun brauchte er keinen deutſchen Ver- bündeten mehr, hatte den Herzog von Cleve fallen laſſen; die mit deſſen Schweſter erſt eingegangene Ehe hatte er un- mittelbar nachher wieder aufgelöſt, wie denn bei ihm auf eine Weiſe die ohne Beiſpiel iſt, religiöſe, politiſche und ma- trimoniale Angelegenheiten in einander greifen und einander bedingen. Indem er ſich hierauf, wenigſtens in Bezug auf das Dogma, den Katholiken wieder anſchloß, ließ er ſich auch geneigt finden, das Andenken ſeiner ſpaniſchen Gemahlin Ca- tharina wiederherzuſtellen, ihre Tochter Maria als erbberech- tigt anzuerkennen: er näherte ſich überhaupt dem Kaiſer. Den Franzoſen dagegen konnte er nicht verzeihen daß ſie ſeinen Abſichten auf Schottland widerſtrebten; Geldforderun- gen und Grenzſtreitigkeiten gab es immer: genug er entſchloß ſich, mit dem Kaiſer noch einmal gemeinſchaftliche Sache zu machen. Dem Wortlaut ihrer Allianz nach ſollte es ſchei- nen, als hätten ſie ihre alten, halb Frankreich umfaſſenden Anſprüche von den Zeiten der engliſch-burgundiſchen Kriege noch einmal mit einander auszuführen beabſichtigt. Noch im Jahr 1543 unterſtützten die Engländer den Kaiſer von Calais und Guines her, doch kam es in dieſem Jahre zu nichts Entſcheidendem; vielmehr behaupteten ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/309
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/309>, abgerufen am 21.05.2024.