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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Clevischer Krieg.

Der Herzog war in seinem Schloß zu Düsseldorf, als
er die Nachricht von dem Falle von Düren empfieng. Es
bezeichnet die Unselbständigkeit seiner jugendlichen Regierung
recht eigen, daß er hierauf in die untere Stube hinunter-
gieng, um den daselbst versammelten Räthen Vorwürfe zu
machen, daß sie ihn nicht besser geleitet. Wir sehen: nicht
aus ihm selber war der Gedanke der Unternehmungen ge-
kommen, an die er sich wagte; er war nicht fähig in dem
Sturme auszudauern, den sie über ihn herbeigezogen. Im
Geleite einiger Freunde und Nachbarn die bei dem Kaiser
in Gnaden standen, begab er sich in das Feldlager desselben
vor Venlo, that fußfällig Abbitte, und schloß einen Vertrag,
worin er auf Geldern und Zütphen, so wie auf seine Ver-
bindungen mit Frankreich und Dänemark Verzicht leistete. 1
Seine alten Lande behielt er; aber mit der großartigen Stel-
lung, die er in den letzten Jahren eingenommen, war es vor-
über. Mehr als er fühlte das seine Mutter Maria, durch
welche Jülich an Cleve gekommen und das Land groß gewor-
den war, eine Frau von starker Gesinnung und hochstrebendem
Selbstgefühl, voll von Antheil für die politische und religiöse
Opposition, in der ihr Sohn und ihr Schwiegersohn von
Sachsen gegen die beiden Oberhäupter der Christenheit begrif-
fen waren; das Unglück brach ihr Herz: sie starb, als sie
die Bedingungen des Vertrags von Venlo erfahren hatte. 2

Auf diese Weise gelangte der Kaiser endlich doch in
Besitz eines Landes, nach welchem seine Vorfahren und er

1 Vertrag bei Teschenmacher 7 Sept. 1543.
2 Cognitis pactionis hujus legibus, concepto animi dolore,
e vita velut indignabunda excedens humanis valedixit. Ubbo Em-
mius
832.
Cleviſcher Krieg.

Der Herzog war in ſeinem Schloß zu Düſſeldorf, als
er die Nachricht von dem Falle von Düren empfieng. Es
bezeichnet die Unſelbſtändigkeit ſeiner jugendlichen Regierung
recht eigen, daß er hierauf in die untere Stube hinunter-
gieng, um den daſelbſt verſammelten Räthen Vorwürfe zu
machen, daß ſie ihn nicht beſſer geleitet. Wir ſehen: nicht
aus ihm ſelber war der Gedanke der Unternehmungen ge-
kommen, an die er ſich wagte; er war nicht fähig in dem
Sturme auszudauern, den ſie über ihn herbeigezogen. Im
Geleite einiger Freunde und Nachbarn die bei dem Kaiſer
in Gnaden ſtanden, begab er ſich in das Feldlager deſſelben
vor Venlo, that fußfällig Abbitte, und ſchloß einen Vertrag,
worin er auf Geldern und Zütphen, ſo wie auf ſeine Ver-
bindungen mit Frankreich und Dänemark Verzicht leiſtete. 1
Seine alten Lande behielt er; aber mit der großartigen Stel-
lung, die er in den letzten Jahren eingenommen, war es vor-
über. Mehr als er fühlte das ſeine Mutter Maria, durch
welche Jülich an Cleve gekommen und das Land groß gewor-
den war, eine Frau von ſtarker Geſinnung und hochſtrebendem
Selbſtgefühl, voll von Antheil für die politiſche und religiöſe
Oppoſition, in der ihr Sohn und ihr Schwiegerſohn von
Sachſen gegen die beiden Oberhäupter der Chriſtenheit begrif-
fen waren; das Unglück brach ihr Herz: ſie ſtarb, als ſie
die Bedingungen des Vertrags von Venlo erfahren hatte. 2

Auf dieſe Weiſe gelangte der Kaiſer endlich doch in
Beſitz eines Landes, nach welchem ſeine Vorfahren und er

1 Vertrag bei Teſchenmacher 7 Sept. 1543.
2 Cognitis pactionis hujus legibus, concepto animi dolore,
e vita velut indignabunda excedens humanis valedixit. Ubbo Em-
mius
832.
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[295/0307] Cleviſcher Krieg. Der Herzog war in ſeinem Schloß zu Düſſeldorf, als er die Nachricht von dem Falle von Düren empfieng. Es bezeichnet die Unſelbſtändigkeit ſeiner jugendlichen Regierung recht eigen, daß er hierauf in die untere Stube hinunter- gieng, um den daſelbſt verſammelten Räthen Vorwürfe zu machen, daß ſie ihn nicht beſſer geleitet. Wir ſehen: nicht aus ihm ſelber war der Gedanke der Unternehmungen ge- kommen, an die er ſich wagte; er war nicht fähig in dem Sturme auszudauern, den ſie über ihn herbeigezogen. Im Geleite einiger Freunde und Nachbarn die bei dem Kaiſer in Gnaden ſtanden, begab er ſich in das Feldlager deſſelben vor Venlo, that fußfällig Abbitte, und ſchloß einen Vertrag, worin er auf Geldern und Zütphen, ſo wie auf ſeine Ver- bindungen mit Frankreich und Dänemark Verzicht leiſtete. 1 Seine alten Lande behielt er; aber mit der großartigen Stel- lung, die er in den letzten Jahren eingenommen, war es vor- über. Mehr als er fühlte das ſeine Mutter Maria, durch welche Jülich an Cleve gekommen und das Land groß gewor- den war, eine Frau von ſtarker Geſinnung und hochſtrebendem Selbſtgefühl, voll von Antheil für die politiſche und religiöſe Oppoſition, in der ihr Sohn und ihr Schwiegerſohn von Sachſen gegen die beiden Oberhäupter der Chriſtenheit begrif- fen waren; das Unglück brach ihr Herz: ſie ſtarb, als ſie die Bedingungen des Vertrags von Venlo erfahren hatte. 2 Auf dieſe Weiſe gelangte der Kaiſer endlich doch in Beſitz eines Landes, nach welchem ſeine Vorfahren und er 1 Vertrag bei Teſchenmacher 7 Sept. 1543. 2 Cognitis pactionis hujus legibus, concepto animi dolore, e vita velut indignabunda excedens humanis valedixit. Ubbo Em- mius 832.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/307>, abgerufen am 22.11.2024.