Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Protestanten in Braunschweig.
schwere Geschütz, das er bis einen Steinwurf weit herange-
bracht, mit aller Kraft wirken. Jener Thurm, von dem er
[ - 2 Zeichen fehlen] spöttisch begrüßt worden, ward zuerst niedergeschossen, und
hierauf boten sich die niederdeutschen Knechte zum Sturme an.
Dazu brauchte es jedoch nicht zu kommen. Die Eroberung des
ganzen Landes, auch der übrigen Festen, die Entfernung des
Landesfürsten und der Ernst des Angriffs machten allmäh-
lig so viel Eindruck bei der Besatzung, daß sie sich zu frei-
williger Übergabe entschloß. Am 13ten August zogen die
Evangelischen triumphirend in die Feste ein. Eine Fahne
ward aufgesteckt, auf welcher die Wappen der verbündeten
Fürsten, Grafen und Städte vereinigt waren. Der Hofpre-
diger des Landgrafen hielt die erste evangelische Predigt zu
Wolfenbüttel, zu der er den Text vom ungerechten Haus-
halter wählte. 1

Und wie sehr hatte sich der Herzog getäuscht, wenn er ir-
gend woher Hülfe herbeizuführen hoffte. An dem eben versam-
melten Reichstag von Nürnberg war man vielmehr unwillig
über ihn, daß er diese Unruhen veranlaßt. Die königlichen
Räthe sagten, es sey ihm nach seinen Thaten geschehen. Der
König selbst, dessen ganze Seele mit der Unternehmung ge-
gen die Osmanen beschäftigt war, wünschte nur daß die Pro-
testanten nicht weiter schreiten und andere Stände angreifen
möchten: da sie ihm dieß versprachen und zugleich sich er-
boten, wegen ihrer Kriegsübung vor Kaiser und Reich Rede
zu stehen, so gewährte er ihnen dagegen der Röm. Kais. Ma-
jestät, seine eigne und des Reiches Sicherheit. 2


1 Bünting. Rehtmeier II, 901.
2 Königl. Mt Versicherung 24 August 1542. Hortleder I,
iv, c.
43.

Die Proteſtanten in Braunſchweig.
ſchwere Geſchütz, das er bis einen Steinwurf weit herange-
bracht, mit aller Kraft wirken. Jener Thurm, von dem er
[ – 2 Zeichen fehlen] ſpöttiſch begrüßt worden, ward zuerſt niedergeſchoſſen, und
hierauf boten ſich die niederdeutſchen Knechte zum Sturme an.
Dazu brauchte es jedoch nicht zu kommen. Die Eroberung des
ganzen Landes, auch der übrigen Feſten, die Entfernung des
Landesfürſten und der Ernſt des Angriffs machten allmäh-
lig ſo viel Eindruck bei der Beſatzung, daß ſie ſich zu frei-
williger Übergabe entſchloß. Am 13ten Auguſt zogen die
Evangeliſchen triumphirend in die Feſte ein. Eine Fahne
ward aufgeſteckt, auf welcher die Wappen der verbündeten
Fürſten, Grafen und Städte vereinigt waren. Der Hofpre-
diger des Landgrafen hielt die erſte evangeliſche Predigt zu
Wolfenbüttel, zu der er den Text vom ungerechten Haus-
halter wählte. 1

Und wie ſehr hatte ſich der Herzog getäuſcht, wenn er ir-
gend woher Hülfe herbeizuführen hoffte. An dem eben verſam-
melten Reichstag von Nürnberg war man vielmehr unwillig
über ihn, daß er dieſe Unruhen veranlaßt. Die königlichen
Räthe ſagten, es ſey ihm nach ſeinen Thaten geſchehen. Der
König ſelbſt, deſſen ganze Seele mit der Unternehmung ge-
gen die Osmanen beſchäftigt war, wünſchte nur daß die Pro-
teſtanten nicht weiter ſchreiten und andere Stände angreifen
möchten: da ſie ihm dieß verſprachen und zugleich ſich er-
boten, wegen ihrer Kriegsübung vor Kaiſer und Reich Rede
zu ſtehen, ſo gewährte er ihnen dagegen der Röm. Kaiſ. Ma-
jeſtät, ſeine eigne und des Reiches Sicherheit. 2


1 Buͤnting. Rehtmeier II, 901.
2 Koͤnigl. Mt Verſicherung 24 Auguſt 1542. Hortleder I,
iv, c.
43.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0295" n="283"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Prote&#x017F;tanten in <placeName>Braun&#x017F;chweig</placeName></hi>.</fw><lb/>
&#x017F;chwere Ge&#x017F;chütz, das er bis einen Steinwurf weit herange-<lb/>
bracht, mit aller Kraft wirken. Jener Thurm, von dem er<lb/><gap unit="chars" quantity="2"/> &#x017F;pötti&#x017F;ch begrüßt worden, ward zuer&#x017F;t niederge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
hierauf boten &#x017F;ich die niederdeut&#x017F;chen Knechte zum Sturme an.<lb/>
Dazu brauchte es jedoch nicht zu kommen. Die Eroberung des<lb/>
ganzen Landes, auch der übrigen Fe&#x017F;ten, die Entfernung des<lb/>
Landesfür&#x017F;ten und der Ern&#x017F;t des Angriffs machten allmäh-<lb/>
lig &#x017F;o viel Eindruck bei der Be&#x017F;atzung, daß &#x017F;ie &#x017F;ich zu frei-<lb/>
williger Übergabe ent&#x017F;chloß. Am 13ten Augu&#x017F;t zogen die<lb/>
Evangeli&#x017F;chen triumphirend in die Fe&#x017F;te ein. Eine Fahne<lb/>
ward aufge&#x017F;teckt, auf welcher die Wappen der verbündeten<lb/>
Für&#x017F;ten, Grafen und Städte vereinigt waren. Der Hofpre-<lb/>
diger des Landgrafen hielt die er&#x017F;te evangeli&#x017F;che Predigt zu<lb/><placeName>Wolfenbüttel</placeName>, zu der er den Text vom ungerechten Haus-<lb/>
halter wählte. <note place="foot" n="1">Bu&#x0364;nting. Rehtmeier <hi rendition="#aq">II,</hi> 901.</note></p><lb/>
          <p>Und wie &#x017F;ehr hatte &#x017F;ich der Herzog getäu&#x017F;cht, wenn er ir-<lb/>
gend woher Hülfe herbeizuführen hoffte. An dem eben ver&#x017F;am-<lb/>
melten Reichstag von <placeName>Nürnberg</placeName> war man vielmehr unwillig<lb/>
über ihn, daß er die&#x017F;e Unruhen veranlaßt. Die königlichen<lb/>
Räthe &#x017F;agten, es &#x017F;ey ihm nach &#x017F;einen Thaten ge&#x017F;chehen. Der<lb/>
König &#x017F;elb&#x017F;t, de&#x017F;&#x017F;en ganze Seele mit der Unternehmung ge-<lb/>
gen die Osmanen be&#x017F;chäftigt war, wün&#x017F;chte nur daß die Pro-<lb/>
te&#x017F;tanten nicht weiter &#x017F;chreiten und andere Stände angreifen<lb/>
möchten: da &#x017F;ie ihm dieß ver&#x017F;prachen und zugleich &#x017F;ich er-<lb/>
boten, wegen ihrer Kriegsübung vor Kai&#x017F;er und Reich Rede<lb/>
zu &#x017F;tehen, &#x017F;o gewährte er ihnen dagegen der Röm. Kai&#x017F;. Ma-<lb/>
je&#x017F;tät, &#x017F;eine eigne und des Reiches Sicherheit. <note place="foot" n="2">Ko&#x0364;nigl. Mt Ver&#x017F;icherung 24 Augu&#x017F;t 1542. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117011312">Hortleder</persName> <hi rendition="#aq">I,<lb/><hi rendition="#k">iv</hi>, c.</hi> 43.</note></p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0295] Die Proteſtanten in Braunſchweig. ſchwere Geſchütz, das er bis einen Steinwurf weit herange- bracht, mit aller Kraft wirken. Jener Thurm, von dem er __ ſpöttiſch begrüßt worden, ward zuerſt niedergeſchoſſen, und hierauf boten ſich die niederdeutſchen Knechte zum Sturme an. Dazu brauchte es jedoch nicht zu kommen. Die Eroberung des ganzen Landes, auch der übrigen Feſten, die Entfernung des Landesfürſten und der Ernſt des Angriffs machten allmäh- lig ſo viel Eindruck bei der Beſatzung, daß ſie ſich zu frei- williger Übergabe entſchloß. Am 13ten Auguſt zogen die Evangeliſchen triumphirend in die Feſte ein. Eine Fahne ward aufgeſteckt, auf welcher die Wappen der verbündeten Fürſten, Grafen und Städte vereinigt waren. Der Hofpre- diger des Landgrafen hielt die erſte evangeliſche Predigt zu Wolfenbüttel, zu der er den Text vom ungerechten Haus- halter wählte. 1 Und wie ſehr hatte ſich der Herzog getäuſcht, wenn er ir- gend woher Hülfe herbeizuführen hoffte. An dem eben verſam- melten Reichstag von Nürnberg war man vielmehr unwillig über ihn, daß er dieſe Unruhen veranlaßt. Die königlichen Räthe ſagten, es ſey ihm nach ſeinen Thaten geſchehen. Der König ſelbſt, deſſen ganze Seele mit der Unternehmung ge- gen die Osmanen beſchäftigt war, wünſchte nur daß die Pro- teſtanten nicht weiter ſchreiten und andere Stände angreifen möchten: da ſie ihm dieß verſprachen und zugleich ſich er- boten, wegen ihrer Kriegsübung vor Kaiſer und Reich Rede zu ſtehen, ſo gewährte er ihnen dagegen der Röm. Kaiſ. Ma- jeſtät, ſeine eigne und des Reiches Sicherheit. 2 1 Buͤnting. Rehtmeier II, 901. 2 Koͤnigl. Mt Verſicherung 24 Auguſt 1542. Hortleder I, iv, c. 43.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/295
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/295>, abgerufen am 15.05.2024.