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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Friedrich war kein Falsch. Da uns eine große Zahl seiner
geheimsten Briefschaften zu Handen gekommen, so können
wir mit aller Zuverläßigkeit sagen, daß von jenen weitaus-
sehenden Planen, die man ihm zuweilen Schuld gab, nie die
Rede gewesen ist. Er war zufrieden, in seinem Land hin und
her zu ziehen: von der Hofhaltung zu Weimar, wo er dann
und wann fürstliche Nachbarn, seine Freunde bei sich sah, und
ihnen vielleicht ein Trinkgelag veranstaltete, immer aber mit
der Rücksicht, daß er nicht des andern Morgens an der Ar-
beit gehindert würde, -- nach einer seiner Bergstädte, wo
bei seinem Einzug die schönsten Erzstufen aus neu eröffneten
Kuxen vor ihm hergetragen wurden, wo er dann wohl die Ein-
wohner, Männer und Frauen, Alte und Junge, zu sich einlud
und ihnen ein ländliches Fest gab, -- oder nach seiner Univer-
sität Wittenberg, die er zum Theil als seine eigne Schöpfung
betrachtete, da er zuerst sie fester begründet, wo unter der Ju-
gend, die aus aller Welt zusammenströmte, auch seine Söhne
studirten und die von Melanchthon gegründete Disciplin durch-
machten; er versäumte nicht den feierlichen Redeübungen bei-
zuwohnen, in denen sie ihre Kenntnisse darlegten. Hier be-
fand er sich in dem Mittelpunct der Thätigkeit des Jahr-
hunderts und seiner eignen. 1 Von hier war die Lehre aus-
gegangen, deren Tiefsinn und Kraft sein einfaches ehrliches
Gemüth vollkommen durchdrungen hatte. Aufrichtiger als
er konnte Niemand überzeugt seyn daß diese Lehre den In-
halt des göttlichen Wortes wiedergebe, und die unerläßliche

1 Vorwort zur Dotation der Universität bei Seckendorf III,
§ 50, p. 142, wo denn auch "der trefflichen Geschicklichkeit" Melanch-
thons
gedacht wird.

Siebentes Buch. Siebentes Capitel.
Friedrich war kein Falſch. Da uns eine große Zahl ſeiner
geheimſten Briefſchaften zu Handen gekommen, ſo können
wir mit aller Zuverläßigkeit ſagen, daß von jenen weitaus-
ſehenden Planen, die man ihm zuweilen Schuld gab, nie die
Rede geweſen iſt. Er war zufrieden, in ſeinem Land hin und
her zu ziehen: von der Hofhaltung zu Weimar, wo er dann
und wann fürſtliche Nachbarn, ſeine Freunde bei ſich ſah, und
ihnen vielleicht ein Trinkgelag veranſtaltete, immer aber mit
der Rückſicht, daß er nicht des andern Morgens an der Ar-
beit gehindert würde, — nach einer ſeiner Bergſtädte, wo
bei ſeinem Einzug die ſchönſten Erzſtufen aus neu eröffneten
Kuxen vor ihm hergetragen wurden, wo er dann wohl die Ein-
wohner, Männer und Frauen, Alte und Junge, zu ſich einlud
und ihnen ein ländliches Feſt gab, — oder nach ſeiner Univer-
ſität Wittenberg, die er zum Theil als ſeine eigne Schöpfung
betrachtete, da er zuerſt ſie feſter begründet, wo unter der Ju-
gend, die aus aller Welt zuſammenſtrömte, auch ſeine Söhne
ſtudirten und die von Melanchthon gegründete Disciplin durch-
machten; er verſäumte nicht den feierlichen Redeübungen bei-
zuwohnen, in denen ſie ihre Kenntniſſe darlegten. Hier be-
fand er ſich in dem Mittelpunct der Thätigkeit des Jahr-
hunderts und ſeiner eignen. 1 Von hier war die Lehre aus-
gegangen, deren Tiefſinn und Kraft ſein einfaches ehrliches
Gemüth vollkommen durchdrungen hatte. Aufrichtiger als
er konnte Niemand überzeugt ſeyn daß dieſe Lehre den In-
halt des göttlichen Wortes wiedergebe, und die unerläßliche

1 Vorwort zur Dotation der Univerſitaͤt bei Seckendorf III,
§ 50, p. 142, wo denn auch „der trefflichen Geſchicklichkeit“ Melanch-
thons
gedacht wird.
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[264/0276] Siebentes Buch. Siebentes Capitel. Friedrich war kein Falſch. Da uns eine große Zahl ſeiner geheimſten Briefſchaften zu Handen gekommen, ſo können wir mit aller Zuverläßigkeit ſagen, daß von jenen weitaus- ſehenden Planen, die man ihm zuweilen Schuld gab, nie die Rede geweſen iſt. Er war zufrieden, in ſeinem Land hin und her zu ziehen: von der Hofhaltung zu Weimar, wo er dann und wann fürſtliche Nachbarn, ſeine Freunde bei ſich ſah, und ihnen vielleicht ein Trinkgelag veranſtaltete, immer aber mit der Rückſicht, daß er nicht des andern Morgens an der Ar- beit gehindert würde, — nach einer ſeiner Bergſtädte, wo bei ſeinem Einzug die ſchönſten Erzſtufen aus neu eröffneten Kuxen vor ihm hergetragen wurden, wo er dann wohl die Ein- wohner, Männer und Frauen, Alte und Junge, zu ſich einlud und ihnen ein ländliches Feſt gab, — oder nach ſeiner Univer- ſität Wittenberg, die er zum Theil als ſeine eigne Schöpfung betrachtete, da er zuerſt ſie feſter begründet, wo unter der Ju- gend, die aus aller Welt zuſammenſtrömte, auch ſeine Söhne ſtudirten und die von Melanchthon gegründete Disciplin durch- machten; er verſäumte nicht den feierlichen Redeübungen bei- zuwohnen, in denen ſie ihre Kenntniſſe darlegten. Hier be- fand er ſich in dem Mittelpunct der Thätigkeit des Jahr- hunderts und ſeiner eignen. 1 Von hier war die Lehre aus- gegangen, deren Tiefſinn und Kraft ſein einfaches ehrliches Gemüth vollkommen durchdrungen hatte. Aufrichtiger als er konnte Niemand überzeugt ſeyn daß dieſe Lehre den In- halt des göttlichen Wortes wiedergebe, und die unerläßliche 1 Vorwort zur Dotation der Univerſitaͤt bei Seckendorf III, § 50, p. 142, wo denn auch „der trefflichen Geſchicklichkeit“ Melanch- thons gedacht wird.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/276>, abgerufen am 25.11.2024.