Gedanken giengen sehr ins Weite. Der Papst soll die Ab- sicht gehegt haben, seine Enkelin mit dem Erben von Pie- mont zu vermählen. 1 Mit Parma und Piacenza hätte das Geschlecht der Farnesen das Herzogthum Mailand, Piemont und Savoyen verbunden.
Es ist unleugbar, daß bei der Zusammenkunft zwischen Papst und Kaiser, die am Ende in Busseto, unsern Parma, Statt fand, hierüber unterhandelt worden ist: wir wissen es aus dem Munde Granvella's: aber man konnte sich nicht vereinigen.
Der alte Papst fürchtete die Ränke der Spanier: höchst verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlösser von Cre- mona und Mailand vor, auf welchen auch die bestanden, welche die Sache am meisten beförderten: er glaubte, man werde ihn um sein Geld betrügen und dann verlachen.
Noch viel weniger aber konnte der Kaiser ernstlich darauf eingehn. Einer seiner geschicktesten Diener, Diego de Men- doza, führte ihm zu Gemüthe, daß seine Macht in Italien auf dem Besitz von Mailand beruhe, seine ganze Autorität in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle er es überlassen? Eben dem, der ihm unter allen Menschen den meisten Schaden gethan, der die Franzosen und demnach auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. 2
Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein- ander. Dem Kaiser machte es den bittersten Eindruck: den
1Dandolo (Rel. di Francia) versichert, man sey einmal in Frankreich sehr ungehalten gewesen über Unterhandlungen des Pap- stes zu Gunsten des Herzogs von Savoyen, "col quale gli voleva dar la nipote."
Gedanken giengen ſehr ins Weite. Der Papſt ſoll die Ab- ſicht gehegt haben, ſeine Enkelin mit dem Erben von Pie- mont zu vermählen. 1 Mit Parma und Piacenza hätte das Geſchlecht der Farneſen das Herzogthum Mailand, Piemont und Savoyen verbunden.
Es iſt unleugbar, daß bei der Zuſammenkunft zwiſchen Papſt und Kaiſer, die am Ende in Buſſeto, unſern Parma, Statt fand, hierüber unterhandelt worden iſt: wir wiſſen es aus dem Munde Granvella’s: aber man konnte ſich nicht vereinigen.
Der alte Papſt fürchtete die Ränke der Spanier: höchſt verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlöſſer von Cre- mona und Mailand vor, auf welchen auch die beſtanden, welche die Sache am meiſten beförderten: er glaubte, man werde ihn um ſein Geld betrügen und dann verlachen.
Noch viel weniger aber konnte der Kaiſer ernſtlich darauf eingehn. Einer ſeiner geſchickteſten Diener, Diego de Men- doza, führte ihm zu Gemüthe, daß ſeine Macht in Italien auf dem Beſitz von Mailand beruhe, ſeine ganze Autorität in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle er es überlaſſen? Eben dem, der ihm unter allen Menſchen den meiſten Schaden gethan, der die Franzoſen und demnach auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. 2
Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein- ander. Dem Kaiſer machte es den bitterſten Eindruck: den
1Dandolo (Rel. di Francia) verſichert, man ſey einmal in Frankreich ſehr ungehalten geweſen uͤber Unterhandlungen des Pap- ſtes zu Gunſten des Herzogs von Savoyen, „col quale gli voleva dar la nipote.“
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Geſpraͤch zu Buſſeto 1543.
Gedanken giengen ſehr ins Weite. Der Papſt ſoll die Ab-
ſicht gehegt haben, ſeine Enkelin mit dem Erben von Pie-
mont zu vermählen. 1 Mit Parma und Piacenza hätte das
Geſchlecht der Farneſen das Herzogthum Mailand, Piemont
und Savoyen verbunden.
Es iſt unleugbar, daß bei der Zuſammenkunft zwiſchen
Papſt und Kaiſer, die am Ende in Buſſeto, unſern Parma,
Statt fand, hierüber unterhandelt worden iſt: wir wiſſen es
aus dem Munde Granvella’s: aber man konnte ſich nicht
vereinigen.
Der alte Papſt fürchtete die Ränke der Spanier: höchſt
verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlöſſer von Cre-
mona und Mailand vor, auf welchen auch die beſtanden,
welche die Sache am meiſten beförderten: er glaubte, man
werde ihn um ſein Geld betrügen und dann verlachen.
Noch viel weniger aber konnte der Kaiſer ernſtlich darauf
eingehn. Einer ſeiner geſchickteſten Diener, Diego de Men-
doza, führte ihm zu Gemüthe, daß ſeine Macht in Italien
auf dem Beſitz von Mailand beruhe, ſeine ganze Autorität
in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle
er es überlaſſen? Eben dem, der ihm unter allen Menſchen
den meiſten Schaden gethan, der die Franzoſen und demnach
auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. 2
Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein-
ander. Dem Kaiſer machte es den bitterſten Eindruck: den
1 Dandolo (Rel. di Francia) verſichert, man ſey einmal in
Frankreich ſehr ungehalten geweſen uͤber Unterhandlungen des Pap-
ſtes zu Gunſten des Herzogs von Savoyen, „col quale gli voleva
dar la nipote.“
2 Bei Sandoval II, 433.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/265>, abgerufen am 04.07.2024.
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