Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Gespräch zu Busseto 1543.
Gedanken giengen sehr ins Weite. Der Papst soll die Ab-
sicht gehegt haben, seine Enkelin mit dem Erben von Pie-
mont
zu vermählen. 1 Mit Parma und Piacenza hätte das
Geschlecht der Farnesen das Herzogthum Mailand, Piemont
und Savoyen verbunden.

Es ist unleugbar, daß bei der Zusammenkunft zwischen
Papst und Kaiser, die am Ende in Busseto, unsern Parma,
Statt fand, hierüber unterhandelt worden ist: wir wissen es
aus dem Munde Granvella's: aber man konnte sich nicht
vereinigen.

Der alte Papst fürchtete die Ränke der Spanier: höchst
verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlösser von Cre-
mona
und Mailand vor, auf welchen auch die bestanden,
welche die Sache am meisten beförderten: er glaubte, man
werde ihn um sein Geld betrügen und dann verlachen.

Noch viel weniger aber konnte der Kaiser ernstlich darauf
eingehn. Einer seiner geschicktesten Diener, Diego de Men-
doza
, führte ihm zu Gemüthe, daß seine Macht in Italien
auf dem Besitz von Mailand beruhe, seine ganze Autorität
in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle
er es überlassen? Eben dem, der ihm unter allen Menschen
den meisten Schaden gethan, der die Franzosen und demnach
auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. 2

Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein-
ander. Dem Kaiser machte es den bittersten Eindruck: den

1 Dandolo (Rel. di Francia) versichert, man sey einmal in
Frankreich sehr ungehalten gewesen über Unterhandlungen des Pap-
stes zu Gunsten des Herzogs von Savoyen, "col quale gli voleva
dar la nipote."
2 Bei Sandoval II, 433.

Geſpraͤch zu Buſſeto 1543.
Gedanken giengen ſehr ins Weite. Der Papſt ſoll die Ab-
ſicht gehegt haben, ſeine Enkelin mit dem Erben von Pie-
mont
zu vermählen. 1 Mit Parma und Piacenza hätte das
Geſchlecht der Farneſen das Herzogthum Mailand, Piemont
und Savoyen verbunden.

Es iſt unleugbar, daß bei der Zuſammenkunft zwiſchen
Papſt und Kaiſer, die am Ende in Buſſeto, unſern Parma,
Statt fand, hierüber unterhandelt worden iſt: wir wiſſen es
aus dem Munde Granvella’s: aber man konnte ſich nicht
vereinigen.

Der alte Papſt fürchtete die Ränke der Spanier: höchſt
verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlöſſer von Cre-
mona
und Mailand vor, auf welchen auch die beſtanden,
welche die Sache am meiſten beförderten: er glaubte, man
werde ihn um ſein Geld betrügen und dann verlachen.

Noch viel weniger aber konnte der Kaiſer ernſtlich darauf
eingehn. Einer ſeiner geſchickteſten Diener, Diego de Men-
doza
, führte ihm zu Gemüthe, daß ſeine Macht in Italien
auf dem Beſitz von Mailand beruhe, ſeine ganze Autorität
in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle
er es überlaſſen? Eben dem, der ihm unter allen Menſchen
den meiſten Schaden gethan, der die Franzoſen und demnach
auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. 2

Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein-
ander. Dem Kaiſer machte es den bitterſten Eindruck: den

1 Dandolo (Rel. di Francia) verſichert, man ſey einmal in
Frankreich ſehr ungehalten geweſen uͤber Unterhandlungen des Pap-
ſtes zu Gunſten des Herzogs von Savoyen, „col quale gli voleva
dar la nipote.“
2 Bei Sandoval II, 433.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ge&#x017F;pra&#x0364;ch zu <placeName>Bu&#x017F;&#x017F;eto</placeName> 1543</hi>.</fw><lb/>
Gedanken giengen &#x017F;ehr ins Weite. Der Pap&#x017F;t &#x017F;oll die Ab-<lb/>
&#x017F;icht gehegt haben, &#x017F;eine Enkelin mit dem Erben von <placeName>Pie-<lb/>
mont</placeName> zu vermählen. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/159698936">Dandolo</persName> (<hi rendition="#aq">Rel. di <placeName>Francia</placeName></hi>) ver&#x017F;ichert, man &#x017F;ey einmal in<lb/><placeName>Frankreich</placeName> &#x017F;ehr ungehalten gewe&#x017F;en u&#x0364;ber Unterhandlungen des Pap-<lb/>
&#x017F;tes zu Gun&#x017F;ten des Herzogs von <placeName>Savoyen</placeName>, <hi rendition="#aq">&#x201E;col quale gli voleva<lb/>
dar la nipote.&#x201C;</hi></note> Mit <placeName>Parma</placeName> und <placeName>Piacenza</placeName> hätte das<lb/>
Ge&#x017F;chlecht der Farne&#x017F;en das Herzogthum <placeName>Mailand</placeName>, <placeName>Piemont</placeName><lb/>
und <placeName>Savoyen</placeName> verbunden.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t unleugbar, daß bei der Zu&#x017F;ammenkunft zwi&#x017F;chen<lb/>
Pap&#x017F;t und Kai&#x017F;er, die am Ende in <placeName>Bu&#x017F;&#x017F;eto</placeName>, un&#x017F;ern <placeName>Parma</placeName>,<lb/>
Statt fand, hierüber unterhandelt worden i&#x017F;t: wir wi&#x017F;&#x017F;en es<lb/>
aus dem Munde <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella&#x2019;s</persName>: aber man konnte &#x017F;ich nicht<lb/>
vereinigen.</p><lb/>
          <p>Der alte Pap&#x017F;t fürchtete die Ränke der Spanier: höch&#x017F;t<lb/>
verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlö&#x017F;&#x017F;er von <placeName>Cre-<lb/>
mona</placeName> und <placeName>Mailand</placeName> vor, auf welchen auch die be&#x017F;tanden,<lb/>
welche die Sache am mei&#x017F;ten beförderten: er glaubte, man<lb/>
werde ihn um &#x017F;ein Geld betrügen und dann verlachen.</p><lb/>
          <p>Noch viel weniger aber konnte der Kai&#x017F;er ern&#x017F;tlich darauf<lb/>
eingehn. Einer &#x017F;einer ge&#x017F;chickte&#x017F;ten Diener, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118834347">Diego de Men-<lb/>
doza</persName>, führte ihm zu Gemüthe, daß &#x017F;eine Macht in <placeName>Italien</placeName><lb/>
auf dem Be&#x017F;itz von <placeName>Mailand</placeName> beruhe, &#x017F;eine ganze Autorität<lb/>
in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle<lb/>
er es überla&#x017F;&#x017F;en? Eben dem, der ihm unter allen Men&#x017F;chen<lb/>
den mei&#x017F;ten Schaden gethan, der die Franzo&#x017F;en und demnach<lb/>
auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. <note place="foot" n="2">Bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100271227">Sandoval</persName> <hi rendition="#aq">II,</hi> 433.</note></p><lb/>
          <p>Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein-<lb/>
ander. Dem Kai&#x017F;er machte es den bitter&#x017F;ten Eindruck: den<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253/0265] Geſpraͤch zu Buſſeto 1543. Gedanken giengen ſehr ins Weite. Der Papſt ſoll die Ab- ſicht gehegt haben, ſeine Enkelin mit dem Erben von Pie- mont zu vermählen. 1 Mit Parma und Piacenza hätte das Geſchlecht der Farneſen das Herzogthum Mailand, Piemont und Savoyen verbunden. Es iſt unleugbar, daß bei der Zuſammenkunft zwiſchen Papſt und Kaiſer, die am Ende in Buſſeto, unſern Parma, Statt fand, hierüber unterhandelt worden iſt: wir wiſſen es aus dem Munde Granvella’s: aber man konnte ſich nicht vereinigen. Der alte Papſt fürchtete die Ränke der Spanier: höchſt verdächtig kam ihm der Vorbehalt der Schlöſſer von Cre- mona und Mailand vor, auf welchen auch die beſtanden, welche die Sache am meiſten beförderten: er glaubte, man werde ihn um ſein Geld betrügen und dann verlachen. Noch viel weniger aber konnte der Kaiſer ernſtlich darauf eingehn. Einer ſeiner geſchickteſten Diener, Diego de Men- doza, führte ihm zu Gemüthe, daß ſeine Macht in Italien auf dem Beſitz von Mailand beruhe, ſeine ganze Autorität in Gefahr gerathe, wenn er es aufgebe. Und wem wolle er es überlaſſen? Eben dem, der ihm unter allen Menſchen den meiſten Schaden gethan, der die Franzoſen und demnach auch die Türken gegen ihn in die Waffen gebracht habe. 2 Genug, man gieng unvereint, ja unvertragen aus ein- ander. Dem Kaiſer machte es den bitterſten Eindruck: den 1 Dandolo (Rel. di Francia) verſichert, man ſey einmal in Frankreich ſehr ungehalten geweſen uͤber Unterhandlungen des Pap- ſtes zu Gunſten des Herzogs von Savoyen, „col quale gli voleva dar la nipote.“ 2 Bei Sandoval II, 433.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/265
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/265>, abgerufen am 04.07.2024.