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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Carl V gegen Algier.

In diesem Augenblick hatte Carl V, der sich die Ge-
fahr von Ungarn wohl nicht so nah und entscheidend dachte,
den Plan wieder aufgenommen, in dessen Ausführung ihn
die französischen Feindseligkeiten von 1536 gestört hatten:
die Küste von Africa von den Corsaren zu reinigen die sich
daselbst festsetzten. Namentlich fiel Algier unter einem Ge-
fährten Chaireddins, Hassan Aga, den Spaniern nicht min-
der beschwerlich als Tunis unter diesem selber. Unterwegs
ließ sich auch mit dem Papst unterhandeln (wie denn eine
Zusammenkunft, in der von der Eröffnung des Concils die
Rede war, zu Lucca gehalten worden ist), die Ruhe von
Italien überhaupt sichern. Der Kaiser hoffte Algier ohne
Verzug zu erobern und im Glanze dieses neuen Sieges das
nächste Frühjahr zu einem größern Unternehmen in Ungarn
zu schreiten. Er hätte es für Zeitverlust gehalten, vorher
nach Spanien zu gehn. Erst im Angesicht von Algier ver-
einigte er die italienisch-deutschen Streitkräfte, die er selbst
herbeiführte, mit den spanischen, die von Yvica kamen, und
zögerte nun keinen Augenblick zum Angriff zu schreiten. Allein
über seinem africanischen Unternehmen standen so ungünstige
Gestirne wie über dem ungarischen seines Bruders. Am
24sten October war ein Theil seiner Truppen am Lande, und
er forderte Hassan Aga auf, sich ihm zu ergeben. Der soll
geantwortet haben, er habe nicht allein tapfere Leute in seiner
Festung, sondern auch ein ungestümes Meer zu seiner Seite.
Und niemals ist wohl das Element einer Vertheidigung bes-
ser zu Hülfe gekommen. Den andern Tag, als erst ein
kleiner Theil des Geschützes, das zum Angriff dienen sollte,
an das Land gebracht, aber nicht einmal die Zelte aus den

Carl V gegen Algier.

In dieſem Augenblick hatte Carl V, der ſich die Ge-
fahr von Ungarn wohl nicht ſo nah und entſcheidend dachte,
den Plan wieder aufgenommen, in deſſen Ausführung ihn
die franzöſiſchen Feindſeligkeiten von 1536 geſtört hatten:
die Küſte von Africa von den Corſaren zu reinigen die ſich
daſelbſt feſtſetzten. Namentlich fiel Algier unter einem Ge-
fährten Chaireddins, Haſſan Aga, den Spaniern nicht min-
der beſchwerlich als Tunis unter dieſem ſelber. Unterwegs
ließ ſich auch mit dem Papſt unterhandeln (wie denn eine
Zuſammenkunft, in der von der Eröffnung des Concils die
Rede war, zu Lucca gehalten worden iſt), die Ruhe von
Italien überhaupt ſichern. Der Kaiſer hoffte Algier ohne
Verzug zu erobern und im Glanze dieſes neuen Sieges das
nächſte Frühjahr zu einem größern Unternehmen in Ungarn
zu ſchreiten. Er hätte es für Zeitverluſt gehalten, vorher
nach Spanien zu gehn. Erſt im Angeſicht von Algier ver-
einigte er die italieniſch-deutſchen Streitkräfte, die er ſelbſt
herbeiführte, mit den ſpaniſchen, die von Yviça kamen, und
zögerte nun keinen Augenblick zum Angriff zu ſchreiten. Allein
über ſeinem africaniſchen Unternehmen ſtanden ſo ungünſtige
Geſtirne wie über dem ungariſchen ſeines Bruders. Am
24ſten October war ein Theil ſeiner Truppen am Lande, und
er forderte Haſſan Aga auf, ſich ihm zu ergeben. Der ſoll
geantwortet haben, er habe nicht allein tapfere Leute in ſeiner
Feſtung, ſondern auch ein ungeſtümes Meer zu ſeiner Seite.
Und niemals iſt wohl das Element einer Vertheidigung beſ-
ſer zu Hülfe gekommen. Den andern Tag, als erſt ein
kleiner Theil des Geſchützes, das zum Angriff dienen ſollte,
an das Land gebracht, aber nicht einmal die Zelte aus den

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[235/0247] Carl V gegen Algier. In dieſem Augenblick hatte Carl V, der ſich die Ge- fahr von Ungarn wohl nicht ſo nah und entſcheidend dachte, den Plan wieder aufgenommen, in deſſen Ausführung ihn die franzöſiſchen Feindſeligkeiten von 1536 geſtört hatten: die Küſte von Africa von den Corſaren zu reinigen die ſich daſelbſt feſtſetzten. Namentlich fiel Algier unter einem Ge- fährten Chaireddins, Haſſan Aga, den Spaniern nicht min- der beſchwerlich als Tunis unter dieſem ſelber. Unterwegs ließ ſich auch mit dem Papſt unterhandeln (wie denn eine Zuſammenkunft, in der von der Eröffnung des Concils die Rede war, zu Lucca gehalten worden iſt), die Ruhe von Italien überhaupt ſichern. Der Kaiſer hoffte Algier ohne Verzug zu erobern und im Glanze dieſes neuen Sieges das nächſte Frühjahr zu einem größern Unternehmen in Ungarn zu ſchreiten. Er hätte es für Zeitverluſt gehalten, vorher nach Spanien zu gehn. Erſt im Angeſicht von Algier ver- einigte er die italieniſch-deutſchen Streitkräfte, die er ſelbſt herbeiführte, mit den ſpaniſchen, die von Yviça kamen, und zögerte nun keinen Augenblick zum Angriff zu ſchreiten. Allein über ſeinem africaniſchen Unternehmen ſtanden ſo ungünſtige Geſtirne wie über dem ungariſchen ſeines Bruders. Am 24ſten October war ein Theil ſeiner Truppen am Lande, und er forderte Haſſan Aga auf, ſich ihm zu ergeben. Der ſoll geantwortet haben, er habe nicht allein tapfere Leute in ſeiner Feſtung, ſondern auch ein ungeſtümes Meer zu ſeiner Seite. Und niemals iſt wohl das Element einer Vertheidigung beſ- ſer zu Hülfe gekommen. Den andern Tag, als erſt ein kleiner Theil des Geſchützes, das zum Angriff dienen ſollte, an das Land gebracht, aber nicht einmal die Zelte aus den

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/247>, abgerufen am 23.11.2024.