Art von stehender Truppe, die dem Lande schon jetzt be- schwerlich genug fielen, wären dann vollends Herren gewor- den. Auf dem Landtage zu Nimwegen, auf welchem der Herzog die Sache zur Sprache brachte, vereinigten sich Ban- nerherren, Ritterschaft und Städte zu gemeinschaftlichem Wi- derspruch. Neigten sie sich aber nicht zu Frankreich, so woll- ten sie doch auch nicht burgundisch werden. "Geldrisch sind wir," sagen sie dem Herzog, "und Geldrisch wollen wir blei- ben." Fast meinten sie auch dadurch vom Reiche abzukom- men, wenn sie Unterthanen des Kaisers würden: Carl V er- schien ihnen nur als ein Fortsetzer Carls des Kühnen.
Dagegen wandten sie ihre Augen auf einen benachbar- ten Fürsten, den Herzog Johann von Cleve, der die näch- sten Ansprüche auf Geldern hatte und bereits eine ganze An- zahl niederrheinischer Landschaften vereinigte, ohne daß sie darum ihre besondere Eigenthümlichkeit eingebüßt hätten: sie fragten bei ihm an, ob er sie gegen Frankreich und gegen Burgund vertheidigen, sie als ein Fürst des Reiches bei dem Reiche behaupten wolle. Kann man zweifeln ob er es ihnen versprach? Im Januar 1538 schlossen die Stände einen Vertrag mit dem Herzog ab, nach welchem der Sohn und dereinstige Erbe desselben, Wilhelm, in den Besitz von Züt- phen und Geldern kommen, diese beiden Provinzen mit sei- nen übrigen Landschaften vereinigen sollte, nun und auf ewige Tage. 1 Im Juni darauf starb Carl von Geldern, und ohne Weiteres ergriff der junge Wilhelm Besitz. Im Februar 1539 gelangte er durch den Tod seines Vaters auch zu seinem clevischen Erbe, und seitdem beherrschte er ein sehr ansehn-
Art von ſtehender Truppe, die dem Lande ſchon jetzt be- ſchwerlich genug fielen, wären dann vollends Herren gewor- den. Auf dem Landtage zu Nimwegen, auf welchem der Herzog die Sache zur Sprache brachte, vereinigten ſich Ban- nerherren, Ritterſchaft und Städte zu gemeinſchaftlichem Wi- derſpruch. Neigten ſie ſich aber nicht zu Frankreich, ſo woll- ten ſie doch auch nicht burgundiſch werden. „Geldriſch ſind wir,“ ſagen ſie dem Herzog, „und Geldriſch wollen wir blei- ben.“ Faſt meinten ſie auch dadurch vom Reiche abzukom- men, wenn ſie Unterthanen des Kaiſers würden: Carl V er- ſchien ihnen nur als ein Fortſetzer Carls des Kühnen.
Dagegen wandten ſie ihre Augen auf einen benachbar- ten Fürſten, den Herzog Johann von Cleve, der die näch- ſten Anſprüche auf Geldern hatte und bereits eine ganze An- zahl niederrheiniſcher Landſchaften vereinigte, ohne daß ſie darum ihre beſondere Eigenthümlichkeit eingebüßt hätten: ſie fragten bei ihm an, ob er ſie gegen Frankreich und gegen Burgund vertheidigen, ſie als ein Fürſt des Reiches bei dem Reiche behaupten wolle. Kann man zweifeln ob er es ihnen verſprach? Im Januar 1538 ſchloſſen die Stände einen Vertrag mit dem Herzog ab, nach welchem der Sohn und dereinſtige Erbe deſſelben, Wilhelm, in den Beſitz von Züt- phen und Geldern kommen, dieſe beiden Provinzen mit ſei- nen übrigen Landſchaften vereinigen ſollte, nun und auf ewige Tage. 1 Im Juni darauf ſtarb Carl von Geldern, und ohne Weiteres ergriff der junge Wilhelm Beſitz. Im Februar 1539 gelangte er durch den Tod ſeines Vaters auch zu ſeinem cleviſchen Erbe, und ſeitdem beherrſchte er ein ſehr anſehn-
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Erbfolge in Geldern.
Art von ſtehender Truppe, die dem Lande ſchon jetzt be-
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den. Auf dem Landtage zu Nimwegen, auf welchem der
Herzog die Sache zur Sprache brachte, vereinigten ſich Ban-
nerherren, Ritterſchaft und Städte zu gemeinſchaftlichem Wi-
derſpruch. Neigten ſie ſich aber nicht zu Frankreich, ſo woll-
ten ſie doch auch nicht burgundiſch werden. „Geldriſch ſind
wir,“ ſagen ſie dem Herzog, „und Geldriſch wollen wir blei-
ben.“ Faſt meinten ſie auch dadurch vom Reiche abzukom-
men, wenn ſie Unterthanen des Kaiſers würden: Carl V er-
ſchien ihnen nur als ein Fortſetzer Carls des Kühnen.
Dagegen wandten ſie ihre Augen auf einen benachbar-
ten Fürſten, den Herzog Johann von Cleve, der die näch-
ſten Anſprüche auf Geldern hatte und bereits eine ganze An-
zahl niederrheiniſcher Landſchaften vereinigte, ohne daß ſie
darum ihre beſondere Eigenthümlichkeit eingebüßt hätten: ſie
fragten bei ihm an, ob er ſie gegen Frankreich und gegen
Burgund vertheidigen, ſie als ein Fürſt des Reiches bei dem
Reiche behaupten wolle. Kann man zweifeln ob er es ihnen
verſprach? Im Januar 1538 ſchloſſen die Stände einen
Vertrag mit dem Herzog ab, nach welchem der Sohn und
dereinſtige Erbe deſſelben, Wilhelm, in den Beſitz von Züt-
phen und Geldern kommen, dieſe beiden Provinzen mit ſei-
nen übrigen Landſchaften vereinigen ſollte, nun und auf ewige
Tage. 1 Im Juni darauf ſtarb Carl von Geldern, und ohne
Weiteres ergriff der junge Wilhelm Beſitz. Im Februar 1539
gelangte er durch den Tod ſeines Vaters auch zu ſeinem
cleviſchen Erbe, und ſeitdem beherrſchte er ein ſehr anſehn-
1 Teſchenmacher Ann. Cliviae, p. 531. Du Mont IV, ii, 160.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/191>, abgerufen am 24.07.2024.
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