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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch.

Sollte nun aber, wie doch auch nothwendig war, dieser
Widerstand überwunden werden, so würde man die evange-
lischen Stände verkennen, wenn man ihnen die Absicht bei-
mäße, das Kaiserthum umzustürzen, das Reich zu zerspren-
gen. Ein Gedanke, der ihnen gar nicht in den Sinn kom-
men konnte. In dem Reiche sahen sie vielmehr eine gött-
liche Institution, nach dem Propheten Daniel, in ihrer Ver-
bindung mit demselben die Grundbedingung ihres Bestehens
und ihrer Macht, ihre vornehmste Ehre. Auch wollte nicht
etwa Einer oder der Andere von ihnen die oberste Würde
selbst in Besitz nehmen: dazu fühlte Keiner die Kraft in sich,
regte sich in Keinem vielleicht nicht einmal ein vorübergehen-
des Begehren. Ihr Streben gieng allein dahin, der Reichs-
gewalt und namentlich dem Kaiser, welchen sie, nur mit dem
Vorbehalt des unmittelbaren göttlichen Gebots, als ihre Obrig-
keit anerkannten, hinwieder die Anerkennung ihrer auf den
Grund der Schrift unternommenen Veränderungen abzuge-
winnen. Hatten sie doch auch Beschlüsse der früheren Reichs-
tage und dadurch ein positives Recht für sich. Sie wünschen
nichts, als in den Frieden des Reiches, aus welchem man
sie in den letzten Jahren gestoßen, wieder aufgenommen zu
werden: wie sich versteht, mit Beibehaltung der Reformen die
sie mit gutem Grunde getroffen haben. Hiezu bedarf es einer
Modification der Reichsgerichte und der alten oder neuen Ge-
setze, auf welche dieselben angewiesen sind, einer Milderung
des Verhältnisses der Reichsgewalt zu dem römischen Stuhle:
eben das ist alles was sie verlangen.

Wie sie sich den destructiven Tendenzen überhaupt wi-
dersetzen: wie sie in kirchlicher und dogmatischer Hinsicht nur

Siebentes Buch.

Sollte nun aber, wie doch auch nothwendig war, dieſer
Widerſtand überwunden werden, ſo würde man die evange-
liſchen Stände verkennen, wenn man ihnen die Abſicht bei-
mäße, das Kaiſerthum umzuſtürzen, das Reich zu zerſpren-
gen. Ein Gedanke, der ihnen gar nicht in den Sinn kom-
men konnte. In dem Reiche ſahen ſie vielmehr eine gött-
liche Inſtitution, nach dem Propheten Daniel, in ihrer Ver-
bindung mit demſelben die Grundbedingung ihres Beſtehens
und ihrer Macht, ihre vornehmſte Ehre. Auch wollte nicht
etwa Einer oder der Andere von ihnen die oberſte Würde
ſelbſt in Beſitz nehmen: dazu fühlte Keiner die Kraft in ſich,
regte ſich in Keinem vielleicht nicht einmal ein vorübergehen-
des Begehren. Ihr Streben gieng allein dahin, der Reichs-
gewalt und namentlich dem Kaiſer, welchen ſie, nur mit dem
Vorbehalt des unmittelbaren göttlichen Gebots, als ihre Obrig-
keit anerkannten, hinwieder die Anerkennung ihrer auf den
Grund der Schrift unternommenen Veränderungen abzuge-
winnen. Hatten ſie doch auch Beſchlüſſe der früheren Reichs-
tage und dadurch ein poſitives Recht für ſich. Sie wünſchen
nichts, als in den Frieden des Reiches, aus welchem man
ſie in den letzten Jahren geſtoßen, wieder aufgenommen zu
werden: wie ſich verſteht, mit Beibehaltung der Reformen die
ſie mit gutem Grunde getroffen haben. Hiezu bedarf es einer
Modification der Reichsgerichte und der alten oder neuen Ge-
ſetze, auf welche dieſelben angewieſen ſind, einer Milderung
des Verhältniſſes der Reichsgewalt zu dem römiſchen Stuhle:
eben das iſt alles was ſie verlangen.

Wie ſie ſich den deſtructiven Tendenzen überhaupt wi-
derſetzen: wie ſie in kirchlicher und dogmatiſcher Hinſicht nur

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[7/0019] Siebentes Buch. Sollte nun aber, wie doch auch nothwendig war, dieſer Widerſtand überwunden werden, ſo würde man die evange- liſchen Stände verkennen, wenn man ihnen die Abſicht bei- mäße, das Kaiſerthum umzuſtürzen, das Reich zu zerſpren- gen. Ein Gedanke, der ihnen gar nicht in den Sinn kom- men konnte. In dem Reiche ſahen ſie vielmehr eine gött- liche Inſtitution, nach dem Propheten Daniel, in ihrer Ver- bindung mit demſelben die Grundbedingung ihres Beſtehens und ihrer Macht, ihre vornehmſte Ehre. Auch wollte nicht etwa Einer oder der Andere von ihnen die oberſte Würde ſelbſt in Beſitz nehmen: dazu fühlte Keiner die Kraft in ſich, regte ſich in Keinem vielleicht nicht einmal ein vorübergehen- des Begehren. Ihr Streben gieng allein dahin, der Reichs- gewalt und namentlich dem Kaiſer, welchen ſie, nur mit dem Vorbehalt des unmittelbaren göttlichen Gebots, als ihre Obrig- keit anerkannten, hinwieder die Anerkennung ihrer auf den Grund der Schrift unternommenen Veränderungen abzuge- winnen. Hatten ſie doch auch Beſchlüſſe der früheren Reichs- tage und dadurch ein poſitives Recht für ſich. Sie wünſchen nichts, als in den Frieden des Reiches, aus welchem man ſie in den letzten Jahren geſtoßen, wieder aufgenommen zu werden: wie ſich verſteht, mit Beibehaltung der Reformen die ſie mit gutem Grunde getroffen haben. Hiezu bedarf es einer Modification der Reichsgerichte und der alten oder neuen Ge- ſetze, auf welche dieſelben angewieſen ſind, einer Milderung des Verhältniſſes der Reichsgewalt zu dem römiſchen Stuhle: eben das iſt alles was ſie verlangen. Wie ſie ſich den deſtructiven Tendenzen überhaupt wi- derſetzen: wie ſie in kirchlicher und dogmatiſcher Hinſicht nur

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/19>, abgerufen am 22.11.2024.