Bezug auf den Ritus sowohl als auf die Lehre, bei aller Abweichung von den Satzungen der Hierarchie, dem Her- kömmlichen doch so nahe, als es mit den Urkunden des Glau- bens, auf die sie zurückgiengen, nur immer vereinbar schien; -- auf dem Boden der Bildung und Gelehrsamkeit der lateini- schen Christenheit überhaupt finden wir sie nicht allein in theil- nehmender, sondern in eigener schöpferischer Thätigkeit.
Um sie her erhoben sich, -- längst in der Tiefe wirk- sam, und nun durch die gewaltige Erschütterung plötzlich ent- bunden, -- destructive Tendenzen in einer für das Jahrhun- dert besonders verführerischen Vermischung religiöser und po- litischer Formen, und bedrohten die gebildete Welt mit all- gemeiner Auflösung und Umkehr. Die Reformatoren hatten Besonnenheit und Selbstbewußtseyn genug, um sich densel- ben vom ersten Augenblick an zu widersetzen. Immer sehen wir Luther seine Waffen nach beiden Seiten hin richten, ge- gen das Papstthum, das die sich losreißende Welt wieder zu erobern sucht, und gegen die vielnamigen Secten, welche sich neben ihm erheben, Kirche und Staat zugleich antasten. Auf dem Gebiete des Geistes, im Reiche der allgemeinen Ueberzeugung haben die Protestanten zur Überwältigung der- selben wohl das Meiste beigetragen.
Nicht als hätten sie in dem einen oder in dem andern Falle klüglich erwogen, was sich erreichen lassen werde und was nicht: -- es ist vielmehr ihr eigenstes Wesen, was sie zu diesem Verhalten führt. Von der Richtigkeit der dem ursprünglichen Lehrbegriffe der lateinischen Kirche zu Grunde liegenden Auffassung der heiligen Schrift sind sie vollkommen überzeugt, nur die Willkührlichkeiten hierarchischer Entschei-
Siebentes Buch.
Bezug auf den Ritus ſowohl als auf die Lehre, bei aller Abweichung von den Satzungen der Hierarchie, dem Her- kömmlichen doch ſo nahe, als es mit den Urkunden des Glau- bens, auf die ſie zurückgiengen, nur immer vereinbar ſchien; — auf dem Boden der Bildung und Gelehrſamkeit der lateini- ſchen Chriſtenheit überhaupt finden wir ſie nicht allein in theil- nehmender, ſondern in eigener ſchöpferiſcher Thätigkeit.
Um ſie her erhoben ſich, — längſt in der Tiefe wirk- ſam, und nun durch die gewaltige Erſchütterung plötzlich ent- bunden, — deſtructive Tendenzen in einer für das Jahrhun- dert beſonders verführeriſchen Vermiſchung religiöſer und po- litiſcher Formen, und bedrohten die gebildete Welt mit all- gemeiner Auflöſung und Umkehr. Die Reformatoren hatten Beſonnenheit und Selbſtbewußtſeyn genug, um ſich denſel- ben vom erſten Augenblick an zu widerſetzen. Immer ſehen wir Luther ſeine Waffen nach beiden Seiten hin richten, ge- gen das Papſtthum, das die ſich losreißende Welt wieder zu erobern ſucht, und gegen die vielnamigen Secten, welche ſich neben ihm erheben, Kirche und Staat zugleich antaſten. Auf dem Gebiete des Geiſtes, im Reiche der allgemeinen Ueberzeugung haben die Proteſtanten zur Überwältigung der- ſelben wohl das Meiſte beigetragen.
Nicht als hätten ſie in dem einen oder in dem andern Falle klüglich erwogen, was ſich erreichen laſſen werde und was nicht: — es iſt vielmehr ihr eigenſtes Weſen, was ſie zu dieſem Verhalten führt. Von der Richtigkeit der dem urſprünglichen Lehrbegriffe der lateiniſchen Kirche zu Grunde liegenden Auffaſſung der heiligen Schrift ſind ſie vollkommen überzeugt, nur die Willkührlichkeiten hierarchiſcher Entſchei-
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Siebentes Buch.
Bezug auf den Ritus ſowohl als auf die Lehre, bei aller
Abweichung von den Satzungen der Hierarchie, dem Her-
kömmlichen doch ſo nahe, als es mit den Urkunden des Glau-
bens, auf die ſie zurückgiengen, nur immer vereinbar ſchien; —
auf dem Boden der Bildung und Gelehrſamkeit der lateini-
ſchen Chriſtenheit überhaupt finden wir ſie nicht allein in theil-
nehmender, ſondern in eigener ſchöpferiſcher Thätigkeit.
Um ſie her erhoben ſich, — längſt in der Tiefe wirk-
ſam, und nun durch die gewaltige Erſchütterung plötzlich ent-
bunden, — deſtructive Tendenzen in einer für das Jahrhun-
dert beſonders verführeriſchen Vermiſchung religiöſer und po-
litiſcher Formen, und bedrohten die gebildete Welt mit all-
gemeiner Auflöſung und Umkehr. Die Reformatoren hatten
Beſonnenheit und Selbſtbewußtſeyn genug, um ſich denſel-
ben vom erſten Augenblick an zu widerſetzen. Immer ſehen
wir Luther ſeine Waffen nach beiden Seiten hin richten, ge-
gen das Papſtthum, das die ſich losreißende Welt wieder
zu erobern ſucht, und gegen die vielnamigen Secten, welche
ſich neben ihm erheben, Kirche und Staat zugleich antaſten.
Auf dem Gebiete des Geiſtes, im Reiche der allgemeinen
Ueberzeugung haben die Proteſtanten zur Überwältigung der-
ſelben wohl das Meiſte beigetragen.
Nicht als hätten ſie in dem einen oder in dem andern
Falle klüglich erwogen, was ſich erreichen laſſen werde und
was nicht: — es iſt vielmehr ihr eigenſtes Weſen, was ſie
zu dieſem Verhalten führt. Von der Richtigkeit der dem
urſprünglichen Lehrbegriffe der lateiniſchen Kirche zu Grunde
liegenden Auffaſſung der heiligen Schrift ſind ſie vollkommen
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/17>, abgerufen am 24.11.2024.
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