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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Drittes Capitel.
die reformatorischen Ideen einen großen Theil der Bevölke-
rung ergriffen: in den Ständen aber, offiziell, hatten sie im
September 1538 noch keine Repräsentation gefunden.

Jetzt erst, im Februar und März 1539, während der
Fürst in Frankfurt war, traten in einzelnen, aber eben den
bedeutendsten Mitgliedern der Stände unzweifelhafte Mani-
festationen der Hinneigung hervor.

Am 13ten Februar wurde die Bürgerschaft von Berlin
und Cölln zusammenberufen, um ein Verbot fremder Kriegs-
dienste zu vernehmen. Diese Gelegenheit ergriff sie, um ihren
Wunsch auszusprechen, in den nächsten Ostern das Sacra-
ment unter beiderlei Gestalt zu genießen. Bürgermeister und
Räthe beider Städte säumten nicht, dieß Gesuch zu dem
ihren zu machen und es so an ihren Herrn zu bringen, der
die Erfüllung desselben schon hatte hoffen lassen. 1

Lag darin vielleicht ein Grund mit, weshalb sich der
Bischof von Brandenburg um die österliche Zeit nach Ber-
lin
verfügte? Als er auf dem Rückwege nach Teltow kam,
erschienen die Edelleute des Landes in dem Hause des dor-
tigen Erblehnrichters von Schwanebeck in ziemlicher Anzahl,
und drückten ihm ihren Entschluß aus, "die reine göttliche
Lehre anzunehmen und standhaft zu bekennen."

Das Außerordentlichste war nun, daß dieser Bischof
selbst, Matthias von Jagow, sich entschloß die Umwandlung
nach Kräften zu fördern. Er fand, daß das im Grunde die
Bedeutung seines bischöflichen Amtes sey. "Da sey ihm

1 Gesuch der Rathmanne zu Berlin und Cöln an den Chur-
fürsten, wegen Veränderung des Gottesdienstes, 15 Febr. 1539. Bei
Fidicin, Beiträge zur Geschichte der Stadt Berlin, II, 336.

Siebentes Buch. Drittes Capitel.
die reformatoriſchen Ideen einen großen Theil der Bevölke-
rung ergriffen: in den Ständen aber, offiziell, hatten ſie im
September 1538 noch keine Repräſentation gefunden.

Jetzt erſt, im Februar und März 1539, während der
Fürſt in Frankfurt war, traten in einzelnen, aber eben den
bedeutendſten Mitgliedern der Stände unzweifelhafte Mani-
feſtationen der Hinneigung hervor.

Am 13ten Februar wurde die Bürgerſchaft von Berlin
und Cölln zuſammenberufen, um ein Verbot fremder Kriegs-
dienſte zu vernehmen. Dieſe Gelegenheit ergriff ſie, um ihren
Wunſch auszuſprechen, in den nächſten Oſtern das Sacra-
ment unter beiderlei Geſtalt zu genießen. Bürgermeiſter und
Räthe beider Städte ſäumten nicht, dieß Geſuch zu dem
ihren zu machen und es ſo an ihren Herrn zu bringen, der
die Erfüllung deſſelben ſchon hatte hoffen laſſen. 1

Lag darin vielleicht ein Grund mit, weshalb ſich der
Biſchof von Brandenburg um die öſterliche Zeit nach Ber-
lin
verfügte? Als er auf dem Rückwege nach Teltow kam,
erſchienen die Edelleute des Landes in dem Hauſe des dor-
tigen Erblehnrichters von Schwanebeck in ziemlicher Anzahl,
und drückten ihm ihren Entſchluß aus, „die reine göttliche
Lehre anzunehmen und ſtandhaft zu bekennen.“

Das Außerordentlichſte war nun, daß dieſer Biſchof
ſelbſt, Matthias von Jagow, ſich entſchloß die Umwandlung
nach Kräften zu fördern. Er fand, daß das im Grunde die
Bedeutung ſeines biſchöflichen Amtes ſey. „Da ſey ihm

1 Geſuch der Rathmanne zu Berlin und Coͤln an den Chur-
fuͤrſten, wegen Veraͤnderung des Gottesdienſtes, 15 Febr. 1539. Bei
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[154/0166] Siebentes Buch. Drittes Capitel. die reformatoriſchen Ideen einen großen Theil der Bevölke- rung ergriffen: in den Ständen aber, offiziell, hatten ſie im September 1538 noch keine Repräſentation gefunden. Jetzt erſt, im Februar und März 1539, während der Fürſt in Frankfurt war, traten in einzelnen, aber eben den bedeutendſten Mitgliedern der Stände unzweifelhafte Mani- feſtationen der Hinneigung hervor. Am 13ten Februar wurde die Bürgerſchaft von Berlin und Cölln zuſammenberufen, um ein Verbot fremder Kriegs- dienſte zu vernehmen. Dieſe Gelegenheit ergriff ſie, um ihren Wunſch auszuſprechen, in den nächſten Oſtern das Sacra- ment unter beiderlei Geſtalt zu genießen. Bürgermeiſter und Räthe beider Städte ſäumten nicht, dieß Geſuch zu dem ihren zu machen und es ſo an ihren Herrn zu bringen, der die Erfüllung deſſelben ſchon hatte hoffen laſſen. 1 Lag darin vielleicht ein Grund mit, weshalb ſich der Biſchof von Brandenburg um die öſterliche Zeit nach Ber- lin verfügte? Als er auf dem Rückwege nach Teltow kam, erſchienen die Edelleute des Landes in dem Hauſe des dor- tigen Erblehnrichters von Schwanebeck in ziemlicher Anzahl, und drückten ihm ihren Entſchluß aus, „die reine göttliche Lehre anzunehmen und ſtandhaft zu bekennen.“ Das Außerordentlichſte war nun, daß dieſer Biſchof ſelbſt, Matthias von Jagow, ſich entſchloß die Umwandlung nach Kräften zu fördern. Er fand, daß das im Grunde die Bedeutung ſeines biſchöflichen Amtes ſey. „Da ſey ihm 1 Geſuch der Rathmanne zu Berlin und Coͤln an den Chur- fuͤrſten, wegen Veraͤnderung des Gottesdienſtes, 15 Febr. 1539. Bei Fidicin, Beitraͤge zur Geſchichte der Stadt Berlin, II, 336.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/166>, abgerufen am 24.07.2024.