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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Drittes Capitel.
die richtige sey. 1 Indessen läßt sich wohl bezweifeln, ob Land-
graf Philipp so ganz recht hatte, ihn gleich bei seinem Re-
gierungsantritt als vollkommen einverstanden zu betrachten.
Wahr ist es, daß sich Joachim von Anfang an hütete die
freie Predigt zu stören wo sie sich ohne sein Zuthun ein-
führte. Übrigens aber hielt er persönlich an dem alten Ri-
tus fest: und Einer seiner Hofleute ruft wohl den Herzog
von Preußen auf, ihn davon abzubringen. Auch trat er zu
dem hallischen Bunde. Bei jener Versammlung zu Zeitz im
Jahr 1537 sah ihn der Mönch der die Chronik verzeichnete,
noch als einen Altgläubigen an.

Und auf keinen Fall hätte es in seiner Art und Weise
gelegen, sich gewaltsam loszureißen. In den meisten Ange-
legenheiten geht er, bei aller Festigkeit der Gesichtspuncte die
er gefaßt hat, doch nur langsam und ohne Geräusch zu
Werke; sein Sinn ist, die Dinge kommen, sich entwickeln
zu lassen. Die Frucht muß erst reifen, ehe er die Hand
ausstreckt sie zu brechen.

Von seinem Vater hatte man bemerkt, daß er in der
Religionssache zwar lebhafte und drohende Reden führte,
sich aber in den Handlungen glimpflich und nachsichtig er-
wies. Die religiöse Differenz ergriff die brandenburgischen
Fürsten nicht mit so heftiger Gewalt, daß ihnen darüber ihre
anderen Beziehungen aus den Augen gekommen wären.

Was nun bei Joachim II allmählig doch eine Ent-

1 Scimus, ipsum crebris sermonibus asseverasse, non aliunde
veram Religionem se assecutum, quam ex orthodoxae antiquitatis
libris, ac veteris Ecclesiae cantionibus purioribus. Franc. Hildes-
heimii
de vita Joachimi II narratio historica
bei Küster Coll. Bd II,
21 St, p. 59.

Siebentes Buch. Drittes Capitel.
die richtige ſey. 1 Indeſſen läßt ſich wohl bezweifeln, ob Land-
graf Philipp ſo ganz recht hatte, ihn gleich bei ſeinem Re-
gierungsantritt als vollkommen einverſtanden zu betrachten.
Wahr iſt es, daß ſich Joachim von Anfang an hütete die
freie Predigt zu ſtören wo ſie ſich ohne ſein Zuthun ein-
führte. Übrigens aber hielt er perſönlich an dem alten Ri-
tus feſt: und Einer ſeiner Hofleute ruft wohl den Herzog
von Preußen auf, ihn davon abzubringen. Auch trat er zu
dem halliſchen Bunde. Bei jener Verſammlung zu Zeitz im
Jahr 1537 ſah ihn der Mönch der die Chronik verzeichnete,
noch als einen Altgläubigen an.

Und auf keinen Fall hätte es in ſeiner Art und Weiſe
gelegen, ſich gewaltſam loszureißen. In den meiſten Ange-
legenheiten geht er, bei aller Feſtigkeit der Geſichtspuncte die
er gefaßt hat, doch nur langſam und ohne Geräuſch zu
Werke; ſein Sinn iſt, die Dinge kommen, ſich entwickeln
zu laſſen. Die Frucht muß erſt reifen, ehe er die Hand
ausſtreckt ſie zu brechen.

Von ſeinem Vater hatte man bemerkt, daß er in der
Religionsſache zwar lebhafte und drohende Reden führte,
ſich aber in den Handlungen glimpflich und nachſichtig er-
wies. Die religiöſe Differenz ergriff die brandenburgiſchen
Fürſten nicht mit ſo heftiger Gewalt, daß ihnen darüber ihre
anderen Beziehungen aus den Augen gekommen wären.

Was nun bei Joachim II allmählig doch eine Ent-

1 Scimus, ipsum crebris sermonibus asseverasse, non aliunde
veram Religionem se assecutum, quam ex orthodoxae antiquitatis
libris, ac veteris Ecclesiae cantionibus purioribus. Franc. Hildes-
heimii
de vita Joachimi II narratio historica
bei Kuͤſter Coll. Bd II,
21 St, p. 59.
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[150/0162] Siebentes Buch. Drittes Capitel. die richtige ſey. 1 Indeſſen läßt ſich wohl bezweifeln, ob Land- graf Philipp ſo ganz recht hatte, ihn gleich bei ſeinem Re- gierungsantritt als vollkommen einverſtanden zu betrachten. Wahr iſt es, daß ſich Joachim von Anfang an hütete die freie Predigt zu ſtören wo ſie ſich ohne ſein Zuthun ein- führte. Übrigens aber hielt er perſönlich an dem alten Ri- tus feſt: und Einer ſeiner Hofleute ruft wohl den Herzog von Preußen auf, ihn davon abzubringen. Auch trat er zu dem halliſchen Bunde. Bei jener Verſammlung zu Zeitz im Jahr 1537 ſah ihn der Mönch der die Chronik verzeichnete, noch als einen Altgläubigen an. Und auf keinen Fall hätte es in ſeiner Art und Weiſe gelegen, ſich gewaltſam loszureißen. In den meiſten Ange- legenheiten geht er, bei aller Feſtigkeit der Geſichtspuncte die er gefaßt hat, doch nur langſam und ohne Geräuſch zu Werke; ſein Sinn iſt, die Dinge kommen, ſich entwickeln zu laſſen. Die Frucht muß erſt reifen, ehe er die Hand ausſtreckt ſie zu brechen. Von ſeinem Vater hatte man bemerkt, daß er in der Religionsſache zwar lebhafte und drohende Reden führte, ſich aber in den Handlungen glimpflich und nachſichtig er- wies. Die religiöſe Differenz ergriff die brandenburgiſchen Fürſten nicht mit ſo heftiger Gewalt, daß ihnen darüber ihre anderen Beziehungen aus den Augen gekommen wären. Was nun bei Joachim II allmählig doch eine Ent- 1 Scimus, ipsum crebris sermonibus asseverasse, non aliunde veram Religionem se assecutum, quam ex orthodoxae antiquitatis libris, ac veteris Ecclesiae cantionibus purioribus. Franc. Hildes- heimii de vita Joachimi II narratio historica bei Kuͤſter Coll. Bd II, 21 St, p. 59.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/162>, abgerufen am 27.11.2024.