Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Tod Herzog Georgs. abschlug? Herzog Georg hatte den in deutschen Rechten un-erhörten Gedanken gefaßt, daß das Land in diesem Falle an den Kaiser und den König Ferdinand gelangen solle. So durch und durch erfüllt war dieser Fürst von Orthodoxie und Haß der Gegner, daß er dem Gedanken Raum gab, sein Land an ein fremdes Haus zu vererben, nur um seine abstracte Meinung aufrecht zu erhalten. Denn in seiner gan- zen Familie hatte er keinen Glaubensgenossen mehr. Es scheint doch, als sey sein hartes Herz von dieser Nothwen- digkeit übermannt gewesen. Man sah Thränen in seinen Augen, als er den Entwurf den Ständen übergab. Auch hatte er es noch nicht über sich gewonnen, den- Carlowitz hatte der Schwester des Landgrafen zu ver- 1 Da die Erzählungen Spalatins (bei Mencken II, 2) und an-
derer etwas Schwankendes haben, so will ich die Worte des Coch- läus, der damals am Dresdner Hofe war, anführen, welche allen Zweifel heben: Pridie quam obiit, etsi langueret, non tamen lecto addictus erat, sed causas audivit atque etiam ad coenam ivit in gynaeceum; a cibo tamen abstinens, sumpturus a quatuor me- dicis et clysterium inferne et potionem superne. Quibus sum- ptis tanto vexatus est dolore etc. (Epp. ad Nauseam p. 244.) Man wird sich nicht wundern, daß er der Sitte der Zeit folgt und dabei doch noch an Gift denkt. Tod Herzog Georgs. abſchlug? Herzog Georg hatte den in deutſchen Rechten un-erhörten Gedanken gefaßt, daß das Land in dieſem Falle an den Kaiſer und den König Ferdinand gelangen ſolle. So durch und durch erfüllt war dieſer Fürſt von Orthodoxie und Haß der Gegner, daß er dem Gedanken Raum gab, ſein Land an ein fremdes Haus zu vererben, nur um ſeine abſtracte Meinung aufrecht zu erhalten. Denn in ſeiner gan- zen Familie hatte er keinen Glaubensgenoſſen mehr. Es ſcheint doch, als ſey ſein hartes Herz von dieſer Nothwen- digkeit übermannt geweſen. Man ſah Thränen in ſeinen Augen, als er den Entwurf den Ständen übergab. Auch hatte er es noch nicht über ſich gewonnen, den- Carlowitz hatte der Schweſter des Landgrafen zu ver- 1 Da die Erzaͤhlungen Spalatins (bei Mencken II, 2) und an-
derer etwas Schwankendes haben, ſo will ich die Worte des Coch- laͤus, der damals am Dresdner Hofe war, anfuͤhren, welche allen Zweifel heben: Pridie quam obiit, etsi langueret, non tamen lecto addictus erat, sed causas audivit atque etiam ad coenam ivit in gynaeceum; a cibo tamen abstinens, sumpturus a quatuor me- dicis et clysterium inferne et potionem superne. Quibus sum- ptis tanto vexatus est dolore etc. (Epp. ad Nauseam p. 244.) Man wird ſich nicht wundern, daß er der Sitte der Zeit folgt und dabei doch noch an Gift denkt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0153" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Tod Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118716921">Georgs</persName></hi>.</fw><lb/> abſchlug? Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118716921">Georg</persName> hatte den in deutſchen Rechten un-<lb/> erhörten Gedanken gefaßt, daß das Land in dieſem Falle an<lb/> den Kaiſer und den König <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118532502">Ferdinand</persName> gelangen ſolle. So<lb/> durch und durch erfüllt war dieſer Fürſt von Orthodoxie<lb/> und Haß der Gegner, daß er dem Gedanken Raum gab,<lb/> ſein Land an ein fremdes Haus zu vererben, nur um ſeine<lb/> abſtracte Meinung aufrecht zu erhalten. Denn in ſeiner gan-<lb/> zen Familie hatte er keinen Glaubensgenoſſen mehr. Es<lb/> ſcheint doch, als ſey ſein hartes Herz von dieſer Nothwen-<lb/> digkeit übermannt geweſen. Man ſah Thränen in ſeinen<lb/> Augen, als er den Entwurf den Ständen übergab.</p><lb/> <p>Auch hatte er es noch nicht über ſich gewonnen, den-<lb/> ſelben zu unterzeichnen oder ſonſt rechtskräftig zu machen:<lb/> man hatte erſt noch Unterhandlungen mit dem Bruder an-<lb/> geknüpft, der dieſelben aber von ſich wies: — als ſein<lb/> Schickſal auch ihn erreichte: nach kurzem Unwohlſeyn, das<lb/> ihn nicht gehindert hatte ſeine Geſchäfte zu beſorgen, er-<lb/> lag er den gewaltſamen Mitteln die man dagegen anwandte,<lb/> 17 April 1539. <note place="foot" n="1">Da die Erzaͤhlungen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118798170">Spalatins</persName> (bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118783181">Mencken</persName> <hi rendition="#aq">II,</hi> 2) und an-<lb/> derer etwas Schwankendes haben, ſo will ich die Worte des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118521330">Coch-<lb/> laͤus</persName>, der damals am Dresdner Hofe war, anfuͤhren, welche allen<lb/> Zweifel heben: <hi rendition="#aq">Pridie quam obiit, etsi langueret, non tamen lecto<lb/> addictus erat, sed causas audivit atque etiam ad coenam ivit in<lb/> gynaeceum; a cibo tamen abstinens, sumpturus a quatuor me-<lb/> dicis et clysterium inferne et potionem superne. Quibus sum-<lb/> ptis tanto vexatus est dolore etc. (Epp. ad <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11878577X"><choice><sic>Nanseam</sic><corr>Nauseam</corr></choice></persName> p.</hi> 244.)<lb/> Man wird ſich nicht wundern, daß er der Sitte der Zeit folgt und<lb/> dabei doch noch an Gift denkt.</note></p><lb/> <p><persName ref="http://d-nb.info/gnd/135708028">Carlowitz</persName> hatte der Schweſter des Landgrafen zu ver-<lb/> ſtehen gegeben, man werde Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119024918">Heinrich</persName> und ſeine Söhne<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0153]
Tod Herzog Georgs.
abſchlug? Herzog Georg hatte den in deutſchen Rechten un-
erhörten Gedanken gefaßt, daß das Land in dieſem Falle an
den Kaiſer und den König Ferdinand gelangen ſolle. So
durch und durch erfüllt war dieſer Fürſt von Orthodoxie
und Haß der Gegner, daß er dem Gedanken Raum gab,
ſein Land an ein fremdes Haus zu vererben, nur um ſeine
abſtracte Meinung aufrecht zu erhalten. Denn in ſeiner gan-
zen Familie hatte er keinen Glaubensgenoſſen mehr. Es
ſcheint doch, als ſey ſein hartes Herz von dieſer Nothwen-
digkeit übermannt geweſen. Man ſah Thränen in ſeinen
Augen, als er den Entwurf den Ständen übergab.
Auch hatte er es noch nicht über ſich gewonnen, den-
ſelben zu unterzeichnen oder ſonſt rechtskräftig zu machen:
man hatte erſt noch Unterhandlungen mit dem Bruder an-
geknüpft, der dieſelben aber von ſich wies: — als ſein
Schickſal auch ihn erreichte: nach kurzem Unwohlſeyn, das
ihn nicht gehindert hatte ſeine Geſchäfte zu beſorgen, er-
lag er den gewaltſamen Mitteln die man dagegen anwandte,
17 April 1539. 1
Carlowitz hatte der Schweſter des Landgrafen zu ver-
ſtehen gegeben, man werde Herzog Heinrich und ſeine Söhne
1 Da die Erzaͤhlungen Spalatins (bei Mencken II, 2) und an-
derer etwas Schwankendes haben, ſo will ich die Worte des Coch-
laͤus, der damals am Dresdner Hofe war, anfuͤhren, welche allen
Zweifel heben: Pridie quam obiit, etsi langueret, non tamen lecto
addictus erat, sed causas audivit atque etiam ad coenam ivit in
gynaeceum; a cibo tamen abstinens, sumpturus a quatuor me-
dicis et clysterium inferne et potionem superne. Quibus sum-
ptis tanto vexatus est dolore etc. (Epp. ad Nauseam p. 244.)
Man wird ſich nicht wundern, daß er der Sitte der Zeit folgt und
dabei doch noch an Gift denkt.
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Zitationshilfe: | Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/153>, abgerufen am 24.07.2024. |