ben, ward gezwungen (kaum überwindet man sich es zu er- zählen) sein Buch aufzuessen; Gemeine wurden mit allem Schimpfe, den die bürgerliche Gewalt anzuthun vermag, aus dem Lande gejagt. 1Georg mochte damit eine Pflicht zu er- füllen glauben, doch war er auch von Natur geneigt, der Welt seinen Sinn mit Gewalt aufzuzwingen.
Dagegen war nun an dem Freiberger Hofe nicht daran zu denken, daß man dem reformatorischen Elemente Einhalt gethan hätte. Gar bald wurden die Fasten gebrochen; evan- gelische Prediger erschienen: eben die welche von Georg ver- trieben worden, fanden diesseit Aufnahme und erwarben sich zuweilen, wie Anton von Schönberg, vorwaltenden Einfluß am Hofe. Die Herzogin, Catharina von Meklenburg, nahm daran den Antheil einer eifrigen Bekennerin. Der Herzog selbst ward allmählig auch gewonnen und überzeugt. Kein Wunder, wenn er sich überhaupt, dem feindlichen Bruder ge- genüber, näher an die ernestinischen Stammesvettern anschloß; er trat endlich in den erweiterten schmal[ - 4 Zeichen fehlen]ischen Bund.
So stellten sich in dem albertinischen Gebiete die bei- den Meinungen, welche Deutschland entzweiten, einander auf das schroffste gegenüber. Auf der einen Seite stand der bei weitem mächtigere Fürst, von ergebenen Räthen, den gewal- tigsten unter den Landsassen und einigen heftigen antilutheri- schen Schriftstellern umgeben, mit aller Kraft der Staats- gewalt ausgerüstet. Auf der andern der kleine Freiberger Hof, Zufluchtsort der Verjagten, aber durch die allgemeine stille Hinneigung des Landes doch nicht unbedeutend. In Leipzig sah man noch an dem Palmsonntag 1537 den Her-
ben, ward gezwungen (kaum überwindet man ſich es zu er- zählen) ſein Buch aufzueſſen; Gemeine wurden mit allem Schimpfe, den die bürgerliche Gewalt anzuthun vermag, aus dem Lande gejagt. 1Georg mochte damit eine Pflicht zu er- füllen glauben, doch war er auch von Natur geneigt, der Welt ſeinen Sinn mit Gewalt aufzuzwingen.
Dagegen war nun an dem Freiberger Hofe nicht daran zu denken, daß man dem reformatoriſchen Elemente Einhalt gethan hätte. Gar bald wurden die Faſten gebrochen; evan- geliſche Prediger erſchienen: eben die welche von Georg ver- trieben worden, fanden dieſſeit Aufnahme und erwarben ſich zuweilen, wie Anton von Schönberg, vorwaltenden Einfluß am Hofe. Die Herzogin, Catharina von Meklenburg, nahm daran den Antheil einer eifrigen Bekennerin. Der Herzog ſelbſt ward allmählig auch gewonnen und überzeugt. Kein Wunder, wenn er ſich überhaupt, dem feindlichen Bruder ge- genüber, näher an die erneſtiniſchen Stammesvettern anſchloß; er trat endlich in den erweiterten ſchmal[ – 4 Zeichen fehlen]iſchen Bund.
So ſtellten ſich in dem albertiniſchen Gebiete die bei- den Meinungen, welche Deutſchland entzweiten, einander auf das ſchroffſte gegenüber. Auf der einen Seite ſtand der bei weitem mächtigere Fürſt, von ergebenen Räthen, den gewal- tigſten unter den Landſaſſen und einigen heftigen antilutheri- ſchen Schriftſtellern umgeben, mit aller Kraft der Staats- gewalt ausgerüſtet. Auf der andern der kleine Freiberger Hof, Zufluchtsort der Verjagten, aber durch die allgemeine ſtille Hinneigung des Landes doch nicht unbedeutend. In Leipzig ſah man noch an dem Palmſonntag 1537 den Her-
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Siebentes Buch. Drittes Capitel.
ben, ward gezwungen (kaum überwindet man ſich es zu er-
zählen) ſein Buch aufzueſſen; Gemeine wurden mit allem
Schimpfe, den die bürgerliche Gewalt anzuthun vermag, aus
dem Lande gejagt. 1 Georg mochte damit eine Pflicht zu er-
füllen glauben, doch war er auch von Natur geneigt, der
Welt ſeinen Sinn mit Gewalt aufzuzwingen.
Dagegen war nun an dem Freiberger Hofe nicht daran
zu denken, daß man dem reformatoriſchen Elemente Einhalt
gethan hätte. Gar bald wurden die Faſten gebrochen; evan-
geliſche Prediger erſchienen: eben die welche von Georg ver-
trieben worden, fanden dieſſeit Aufnahme und erwarben ſich
zuweilen, wie Anton von Schönberg, vorwaltenden Einfluß
am Hofe. Die Herzogin, Catharina von Meklenburg, nahm
daran den Antheil einer eifrigen Bekennerin. Der Herzog
ſelbſt ward allmählig auch gewonnen und überzeugt. Kein
Wunder, wenn er ſich überhaupt, dem feindlichen Bruder ge-
genüber, näher an die erneſtiniſchen Stammesvettern anſchloß;
er trat endlich in den erweiterten ſchmal____iſchen Bund.
So ſtellten ſich in dem albertiniſchen Gebiete die bei-
den Meinungen, welche Deutſchland entzweiten, einander auf
das ſchroffſte gegenüber. Auf der einen Seite ſtand der bei
weitem mächtigere Fürſt, von ergebenen Räthen, den gewal-
tigſten unter den Landſaſſen und einigen heftigen antilutheri-
ſchen Schriftſtellern umgeben, mit aller Kraft der Staats-
gewalt ausgerüſtet. Auf der andern der kleine Freiberger
Hof, Zufluchtsort der Verjagten, aber durch die allgemeine
ſtille Hinneigung des Landes doch nicht unbedeutend. In
Leipzig ſah man noch an dem Palmſonntag 1537 den Her-
1 Vgl. Gretſchel: Kirchliche Zuſtaͤnde Leipzigs p. 221.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/150>, abgerufen am 28.11.2024.
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