Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch. Drittes Capitel.
Vergnügen kannte er kaum, geschweige daß er sich Aus-
schweifungen hingegeben hätte: er lebte und webte in den
Geschäften: er wußte von nichts anderm zu reden, und oft
fiel er im Umgang damit beschwerlich.

Herzog Heinrich dagegen, der nach der Vernichtung sei-
ner Aussicht auf Friesland, für das sein Vater ihn bestimmt
hatte, auf Freiberg und Wolkenstein beschränkt worden war,
wurde eben am ungeduldigsten, wenn er von Geschäften auch
nur seines eigenen Ländchens Kenntniß nehmen sollte. Sein
Vermögen reichte für seinen Hofhalt nicht zu, und man war
genöthigt von Quartal zu Quartal Schulden zu machen; das
hinderte ihn jedoch nicht, sorglos und gemüthlich hinzuleben.
Er fuhr mit seinen Begleitern in den Stollen, besuchte die
Freiberger Handwerker in ihren Werkstätten; zu Hause ließ
er sich gern von fernen Kriegshändeln erzählen. Das größte
Vergnügen machte ihm seine Geschützkammer. Ungeheure
Stücke, mit abenteuerlichen Figuren, die ihm Meister Lucas
zu Wittenberg
entworfen, hatte er sich gießen lassen; es ge-
währte ihm nicht geringe Befriedigung als er vernahm, selbst
der Kaiser habe davon gehört; er gieng des Tages ein paar
Mal um sie zu besehen, und wischte dann wohl den Staub
mit seinem Mantel ab. 1

Zwischen beiden bestand, wie sich denken läßt, nur ein
schlechtes Vernehmen. Georg litt das Bildniß des Bruders
nicht auf seinen Münzen; er war, auch als dessen Familie sich
vermehrte und sein Bedürfniß ohne sein Verschulden stieg,
doch zu keiner besondern Beihülfe zu bewegen. Am bitter-
sten entzweite sie, was die ganze Welt entzweite, die Religion.


1 Freydinger bei Glafei: Kern der sächsischen Geschichte, 115.

Siebentes Buch. Drittes Capitel.
Vergnügen kannte er kaum, geſchweige daß er ſich Aus-
ſchweifungen hingegeben hätte: er lebte und webte in den
Geſchäften: er wußte von nichts anderm zu reden, und oft
fiel er im Umgang damit beſchwerlich.

Herzog Heinrich dagegen, der nach der Vernichtung ſei-
ner Ausſicht auf Friesland, für das ſein Vater ihn beſtimmt
hatte, auf Freiberg und Wolkenſtein beſchränkt worden war,
wurde eben am ungeduldigſten, wenn er von Geſchäften auch
nur ſeines eigenen Ländchens Kenntniß nehmen ſollte. Sein
Vermögen reichte für ſeinen Hofhalt nicht zu, und man war
genöthigt von Quartal zu Quartal Schulden zu machen; das
hinderte ihn jedoch nicht, ſorglos und gemüthlich hinzuleben.
Er fuhr mit ſeinen Begleitern in den Stollen, beſuchte die
Freiberger Handwerker in ihren Werkſtätten; zu Hauſe ließ
er ſich gern von fernen Kriegshändeln erzählen. Das größte
Vergnügen machte ihm ſeine Geſchützkammer. Ungeheure
Stücke, mit abenteuerlichen Figuren, die ihm Meiſter Lucas
zu Wittenberg
entworfen, hatte er ſich gießen laſſen; es ge-
währte ihm nicht geringe Befriedigung als er vernahm, ſelbſt
der Kaiſer habe davon gehört; er gieng des Tages ein paar
Mal um ſie zu beſehen, und wiſchte dann wohl den Staub
mit ſeinem Mantel ab. 1

Zwiſchen beiden beſtand, wie ſich denken läßt, nur ein
ſchlechtes Vernehmen. Georg litt das Bildniß des Bruders
nicht auf ſeinen Münzen; er war, auch als deſſen Familie ſich
vermehrte und ſein Bedürfniß ohne ſein Verſchulden ſtieg,
doch zu keiner beſondern Beihülfe zu bewegen. Am bitter-
ſten entzweite ſie, was die ganze Welt entzweite, die Religion.


1 Freydinger bei Glafei: Kern der ſaͤchſiſchen Geſchichte, 115.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0148" n="136"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Vergnügen kannte er kaum, ge&#x017F;chweige daß er &#x017F;ich Aus-<lb/>
&#x017F;chweifungen hingegeben hätte: er lebte und webte in den<lb/>
Ge&#x017F;chäften: er wußte von nichts anderm zu reden, und oft<lb/>
fiel er im Umgang damit be&#x017F;chwerlich.</p><lb/>
          <p>Herzog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119024918">Heinrich</persName> dagegen, der nach der Vernichtung &#x017F;ei-<lb/>
ner Aus&#x017F;icht auf <placeName>Friesland</placeName>, für das &#x017F;ein Vater ihn be&#x017F;timmt<lb/>
hatte, auf <placeName>Freiberg</placeName> und <placeName>Wolken&#x017F;tein</placeName> be&#x017F;chränkt worden war,<lb/>
wurde eben am ungeduldig&#x017F;ten, wenn er von Ge&#x017F;chäften auch<lb/>
nur &#x017F;eines eigenen Ländchens Kenntniß nehmen &#x017F;ollte. Sein<lb/>
Vermögen reichte für &#x017F;einen Hofhalt nicht zu, und man war<lb/>
genöthigt von Quartal zu Quartal Schulden zu machen; das<lb/>
hinderte ihn jedoch nicht, &#x017F;orglos und gemüthlich hinzuleben.<lb/>
Er fuhr mit &#x017F;einen Begleitern in den Stollen, be&#x017F;uchte die<lb/>
Freiberger Handwerker in ihren Werk&#x017F;tätten; zu Hau&#x017F;e ließ<lb/>
er &#x017F;ich gern von fernen Kriegshändeln erzählen. Das größte<lb/>
Vergnügen machte ihm &#x017F;eine Ge&#x017F;chützkammer. Ungeheure<lb/>
Stücke, mit abenteuerlichen Figuren, die ihm Mei&#x017F;ter <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118522582">Lucas<lb/>
zu Wittenberg</persName> entworfen, hatte er &#x017F;ich gießen la&#x017F;&#x017F;en; es ge-<lb/>
währte ihm nicht geringe Befriedigung als er vernahm, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
der Kai&#x017F;er habe davon gehört; er gieng des Tages ein paar<lb/>
Mal um &#x017F;ie zu be&#x017F;ehen, und wi&#x017F;chte dann wohl den Staub<lb/>
mit &#x017F;einem Mantel ab. <note place="foot" n="1"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119675862">Freydinger</persName> bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100245846">Glafei</persName>: Kern der &#x017F;a&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte, 115.</note></p><lb/>
          <p>Zwi&#x017F;chen beiden be&#x017F;tand, wie &#x017F;ich denken läßt, nur ein<lb/>
&#x017F;chlechtes Vernehmen. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118716921">Georg</persName> litt das Bildniß des Bruders<lb/>
nicht auf &#x017F;einen Münzen; er war, auch als de&#x017F;&#x017F;en Familie &#x017F;ich<lb/>
vermehrte und &#x017F;ein Bedürfniß ohne &#x017F;ein Ver&#x017F;chulden &#x017F;tieg,<lb/>
doch zu keiner be&#x017F;ondern Beihülfe zu bewegen. Am bitter-<lb/>
&#x017F;ten entzweite &#x017F;ie, was die ganze Welt entzweite, die Religion.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0148] Siebentes Buch. Drittes Capitel. Vergnügen kannte er kaum, geſchweige daß er ſich Aus- ſchweifungen hingegeben hätte: er lebte und webte in den Geſchäften: er wußte von nichts anderm zu reden, und oft fiel er im Umgang damit beſchwerlich. Herzog Heinrich dagegen, der nach der Vernichtung ſei- ner Ausſicht auf Friesland, für das ſein Vater ihn beſtimmt hatte, auf Freiberg und Wolkenſtein beſchränkt worden war, wurde eben am ungeduldigſten, wenn er von Geſchäften auch nur ſeines eigenen Ländchens Kenntniß nehmen ſollte. Sein Vermögen reichte für ſeinen Hofhalt nicht zu, und man war genöthigt von Quartal zu Quartal Schulden zu machen; das hinderte ihn jedoch nicht, ſorglos und gemüthlich hinzuleben. Er fuhr mit ſeinen Begleitern in den Stollen, beſuchte die Freiberger Handwerker in ihren Werkſtätten; zu Hauſe ließ er ſich gern von fernen Kriegshändeln erzählen. Das größte Vergnügen machte ihm ſeine Geſchützkammer. Ungeheure Stücke, mit abenteuerlichen Figuren, die ihm Meiſter Lucas zu Wittenberg entworfen, hatte er ſich gießen laſſen; es ge- währte ihm nicht geringe Befriedigung als er vernahm, ſelbſt der Kaiſer habe davon gehört; er gieng des Tages ein paar Mal um ſie zu beſehen, und wiſchte dann wohl den Staub mit ſeinem Mantel ab. 1 Zwiſchen beiden beſtand, wie ſich denken läßt, nur ein ſchlechtes Vernehmen. Georg litt das Bildniß des Bruders nicht auf ſeinen Münzen; er war, auch als deſſen Familie ſich vermehrte und ſein Bedürfniß ohne ſein Verſchulden ſtieg, doch zu keiner beſondern Beihülfe zu bewegen. Am bitter- ſten entzweite ſie, was die ganze Welt entzweite, die Religion. 1 Freydinger bei Glafei: Kern der ſaͤchſiſchen Geſchichte, 115.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/148
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/148>, abgerufen am 28.11.2024.