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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Verhandlungen des Dr Held.

So schlecht verstand Carl V seine Sache nicht.

Im Brüsseler Archiv findet sich die Instruction die er
dem Doctor Held im October des Jahres 1536 nach Deutsch-
land
mitgab. Darin nun beauftragt er denselben, seinem
Bruder zwar nochmals zu versichern daß er trotz der ob-
waltenden Bedrängnisse und der zweideutigen Haltung des
Papstes nichts zu bewilligen gedenke was der Substanz des
Glaubens und der Kirche zuwiderlaufe; ihm aber zugleich
vorzustellen daß man Deutschland doch auch nicht in noch
größere Verwirrung gerathen lassen dürfe: leicht möchte man
sonst Kirche und Kaiserthum zugleich zu Grunde richten.
Held sollte den römischen König fragen, ob sich in Deutsch-
land
das Concilium nicht vielleicht durchsetzen lasse auch in
dem Falle daß der Papst es nicht wolle. Wie aber wenn
das dem König, wie vorauszusehen, unmöglich schien? Der
Kaiser spricht sich darüber unumwunden aus: dann, sagt er,
muß man auf ein anderes Mittel denken, entweder indem
man die Abgewichenen auf immer vor Anwendung der Ge-
walt sichert, unter der Bedingung daß sie den Landfrieden
halten und sich an uns anschließen dem Nürnberger Frieden
gemäß, oder indem man eine neue Abkunft zu Stande bringt
nach den Verhältnissen die seitdem eingetreten sind. Selbst
den Gedanken eines Nationalconciliums, der ihm früher so
verhaßt gewesen, weist er jetzt nicht mehr entschieden von sich. 1

1 Fauldra adviser s'il y aura quelconque expedient autre,
soit d'asseurer pour toujours les devoyez de la foy, quant a la
force, moyennant qu'ils se conforment sincerement avec les aul-
tres membres de la Germanie pour observer la commune paix
et se joindre tous avec notre dit frere et nous, soit en ensuy-
vant ce traite de Nuremberg ou en faisant ung autre de nouvel
Verhandlungen des Dr Held.

So ſchlecht verſtand Carl V ſeine Sache nicht.

Im Brüſſeler Archiv findet ſich die Inſtruction die er
dem Doctor Held im October des Jahres 1536 nach Deutſch-
land
mitgab. Darin nun beauftragt er denſelben, ſeinem
Bruder zwar nochmals zu verſichern daß er trotz der ob-
waltenden Bedrängniſſe und der zweideutigen Haltung des
Papſtes nichts zu bewilligen gedenke was der Subſtanz des
Glaubens und der Kirche zuwiderlaufe; ihm aber zugleich
vorzuſtellen daß man Deutſchland doch auch nicht in noch
größere Verwirrung gerathen laſſen dürfe: leicht möchte man
ſonſt Kirche und Kaiſerthum zugleich zu Grunde richten.
Held ſollte den römiſchen König fragen, ob ſich in Deutſch-
land
das Concilium nicht vielleicht durchſetzen laſſe auch in
dem Falle daß der Papſt es nicht wolle. Wie aber wenn
das dem König, wie vorauszuſehen, unmöglich ſchien? Der
Kaiſer ſpricht ſich darüber unumwunden aus: dann, ſagt er,
muß man auf ein anderes Mittel denken, entweder indem
man die Abgewichenen auf immer vor Anwendung der Ge-
walt ſichert, unter der Bedingung daß ſie den Landfrieden
halten und ſich an uns anſchließen dem Nürnberger Frieden
gemäß, oder indem man eine neue Abkunft zu Stande bringt
nach den Verhältniſſen die ſeitdem eingetreten ſind. Selbſt
den Gedanken eines Nationalconciliums, der ihm früher ſo
verhaßt geweſen, weiſt er jetzt nicht mehr entſchieden von ſich. 1

1 Fauldra adviser s’il y aura quelconque expedient autre,
soit d’asseurer pour toujours les devoyez de la foy, quant a la
force, moyennant qu’ils se conforment sincerement avec les aul-
tres membres de la Germanie pour observer la commune paix
et se joindre tous avec notre dit frere et nous, soit en ensuy-
vant ce traité de Nuremberg ou en faisant ung autre de nouvel
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[103/0115] Verhandlungen des Dr Held. So ſchlecht verſtand Carl V ſeine Sache nicht. Im Brüſſeler Archiv findet ſich die Inſtruction die er dem Doctor Held im October des Jahres 1536 nach Deutſch- land mitgab. Darin nun beauftragt er denſelben, ſeinem Bruder zwar nochmals zu verſichern daß er trotz der ob- waltenden Bedrängniſſe und der zweideutigen Haltung des Papſtes nichts zu bewilligen gedenke was der Subſtanz des Glaubens und der Kirche zuwiderlaufe; ihm aber zugleich vorzuſtellen daß man Deutſchland doch auch nicht in noch größere Verwirrung gerathen laſſen dürfe: leicht möchte man ſonſt Kirche und Kaiſerthum zugleich zu Grunde richten. Held ſollte den römiſchen König fragen, ob ſich in Deutſch- land das Concilium nicht vielleicht durchſetzen laſſe auch in dem Falle daß der Papſt es nicht wolle. Wie aber wenn das dem König, wie vorauszuſehen, unmöglich ſchien? Der Kaiſer ſpricht ſich darüber unumwunden aus: dann, ſagt er, muß man auf ein anderes Mittel denken, entweder indem man die Abgewichenen auf immer vor Anwendung der Ge- walt ſichert, unter der Bedingung daß ſie den Landfrieden halten und ſich an uns anſchließen dem Nürnberger Frieden gemäß, oder indem man eine neue Abkunft zu Stande bringt nach den Verhältniſſen die ſeitdem eingetreten ſind. Selbſt den Gedanken eines Nationalconciliums, der ihm früher ſo verhaßt geweſen, weiſt er jetzt nicht mehr entſchieden von ſich. 1 1 Fauldra adviser s’il y aura quelconque expedient autre, soit d’asseurer pour toujours les devoyez de la foy, quant a la force, moyennant qu’ils se conforment sincerement avec les aul- tres membres de la Germanie pour observer la commune paix et se joindre tous avec notre dit frere et nous, soit en ensuy- vant ce traité de Nuremberg ou en faisant ung autre de nouvel

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/115>, abgerufen am 01.05.2024.