Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite
Siebentes Buch. Zweites Capitel.

Dagegen brachte der kaiserliche Vicecanzler und Orator,
Doctor Matthias Held, der mit Vorst nach Schmalkalden
kam, die Reichsangelegenheiten nochmals in einem ihnen feind-
seligen Sinne zur Sprache, und fand dabei eine Unterstützung
welche plötzlich wieder eine allgemeine Gefahr herbeiführte.

Nürnberger Bündniß.

Vor allem nahm Doctor Held das Verfahren des Kam-
mergerichts in Schutz. Der Kaiser, sagte er, habe demsel-
ben Befehl gegeben, in allen Dingen Gerechtigkeit auszuüben
und nur die Religionssachen aufzuschieben, und ganz so
verfahre es denn auch. Natürlich aber müsse es selbst er-
messen was in jedem Falle Religionssache sey. Wollte der
Kaiser den Protestanten überlassen, dieß zu bestimmen, so
würde er die Regel nicht allein des Rechts, sondern auch
des Evangeliums verletzen, nach welcher auch der andere
Theil gehört werden müsse. Die Protestanten wandten ein,
die Religionssachen zu unterscheiden sey keine Sache der
Willkühr: alle die seyen dafür zu erklären, die nicht ausge-
macht werden könnten, ehe die Entzweiung im Glauben bei-
gelegt worden. Allein darauf nahm er keine Rücksicht. Er
suchte den Standpunct jenes ersten Bescheides vom Jahr
1533, der wahrscheinlich sein eigenes Werk gewesen, wieder zu
gewinnen. Der Friede von Cadan, die Abrede von Wien
existirten für ihn nicht. Und eben so entschieden verwarf er
auch die Aufnahme neuer Mitglieder in den schmalkaldischen
Bund. Der Kaiser, sagte er, könne denen, die sich durch
ihr Wort und ihr Siegel verpflichtet, die Reichsabschiede zu

Siebentes Buch. Zweites Capitel.

Dagegen brachte der kaiſerliche Vicecanzler und Orator,
Doctor Matthias Held, der mit Vorſt nach Schmalkalden
kam, die Reichsangelegenheiten nochmals in einem ihnen feind-
ſeligen Sinne zur Sprache, und fand dabei eine Unterſtützung
welche plötzlich wieder eine allgemeine Gefahr herbeiführte.

Nürnberger Bündniß.

Vor allem nahm Doctor Held das Verfahren des Kam-
mergerichts in Schutz. Der Kaiſer, ſagte er, habe demſel-
ben Befehl gegeben, in allen Dingen Gerechtigkeit auszuüben
und nur die Religionsſachen aufzuſchieben, und ganz ſo
verfahre es denn auch. Natürlich aber müſſe es ſelbſt er-
meſſen was in jedem Falle Religionsſache ſey. Wollte der
Kaiſer den Proteſtanten überlaſſen, dieß zu beſtimmen, ſo
würde er die Regel nicht allein des Rechts, ſondern auch
des Evangeliums verletzen, nach welcher auch der andere
Theil gehört werden müſſe. Die Proteſtanten wandten ein,
die Religionsſachen zu unterſcheiden ſey keine Sache der
Willkühr: alle die ſeyen dafür zu erklären, die nicht ausge-
macht werden könnten, ehe die Entzweiung im Glauben bei-
gelegt worden. Allein darauf nahm er keine Rückſicht. Er
ſuchte den Standpunct jenes erſten Beſcheides vom Jahr
1533, der wahrſcheinlich ſein eigenes Werk geweſen, wieder zu
gewinnen. Der Friede von Cadan, die Abrede von Wien
exiſtirten für ihn nicht. Und eben ſo entſchieden verwarf er
auch die Aufnahme neuer Mitglieder in den ſchmalkaldiſchen
Bund. Der Kaiſer, ſagte er, könne denen, die ſich durch
ihr Wort und ihr Siegel verpflichtet, die Reichsabſchiede zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0112" n="100"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
            <p>Dagegen brachte der kai&#x017F;erliche Vicecanzler und Orator,<lb/>
Doctor  <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119703637">Matthias Held</persName>, der mit <persName ref="nognd">Vor&#x017F;t</persName> nach <placeName>Schmalkalden</placeName><lb/>
kam, die Reichsangelegenheiten nochmals in einem ihnen feind-<lb/>
&#x017F;eligen Sinne zur Sprache, und fand dabei eine Unter&#x017F;tützung<lb/>
welche plötzlich wieder eine allgemeine Gefahr herbeiführte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Nürnberger Bündniß.</head><lb/>
            <p>Vor allem nahm Doctor <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119703637">Held</persName> das Verfahren des Kam-<lb/>
mergerichts in Schutz. Der Kai&#x017F;er, &#x017F;agte er, habe dem&#x017F;el-<lb/>
ben Befehl gegeben, in allen Dingen Gerechtigkeit auszuüben<lb/>
und nur die Religions&#x017F;achen aufzu&#x017F;chieben, und ganz &#x017F;o<lb/>
verfahre es denn auch. Natürlich aber mü&#x017F;&#x017F;e es &#x017F;elb&#x017F;t er-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en was in jedem Falle Religions&#x017F;ache &#x017F;ey. Wollte der<lb/>
Kai&#x017F;er den Prote&#x017F;tanten überla&#x017F;&#x017F;en, dieß zu be&#x017F;timmen, &#x017F;o<lb/>
würde er die Regel nicht allein des Rechts, &#x017F;ondern auch<lb/>
des Evangeliums verletzen, nach welcher auch der andere<lb/>
Theil gehört werden mü&#x017F;&#x017F;e. Die Prote&#x017F;tanten wandten ein,<lb/>
die Religions&#x017F;achen zu unter&#x017F;cheiden &#x017F;ey keine Sache der<lb/>
Willkühr: alle die &#x017F;eyen dafür zu erklären, die nicht ausge-<lb/>
macht werden könnten, ehe die Entzweiung im Glauben bei-<lb/>
gelegt worden. Allein darauf nahm er keine Rück&#x017F;icht. Er<lb/>
&#x017F;uchte den Standpunct jenes er&#x017F;ten Be&#x017F;cheides vom Jahr<lb/>
1533, der wahr&#x017F;cheinlich &#x017F;ein eigenes Werk gewe&#x017F;en, wieder zu<lb/>
gewinnen. Der Friede von <placeName>Cadan</placeName>, die Abrede von <placeName>Wien</placeName><lb/>
exi&#x017F;tirten für ihn nicht. Und eben &#x017F;o ent&#x017F;chieden verwarf er<lb/>
auch die Aufnahme neuer Mitglieder in den &#x017F;chmalkaldi&#x017F;chen<lb/>
Bund. Der Kai&#x017F;er, &#x017F;agte er, könne denen, die &#x017F;ich durch<lb/>
ihr Wort und ihr Siegel verpflichtet, die Reichsab&#x017F;chiede zu<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0112] Siebentes Buch. Zweites Capitel. Dagegen brachte der kaiſerliche Vicecanzler und Orator, Doctor Matthias Held, der mit Vorſt nach Schmalkalden kam, die Reichsangelegenheiten nochmals in einem ihnen feind- ſeligen Sinne zur Sprache, und fand dabei eine Unterſtützung welche plötzlich wieder eine allgemeine Gefahr herbeiführte. Nürnberger Bündniß. Vor allem nahm Doctor Held das Verfahren des Kam- mergerichts in Schutz. Der Kaiſer, ſagte er, habe demſel- ben Befehl gegeben, in allen Dingen Gerechtigkeit auszuüben und nur die Religionsſachen aufzuſchieben, und ganz ſo verfahre es denn auch. Natürlich aber müſſe es ſelbſt er- meſſen was in jedem Falle Religionsſache ſey. Wollte der Kaiſer den Proteſtanten überlaſſen, dieß zu beſtimmen, ſo würde er die Regel nicht allein des Rechts, ſondern auch des Evangeliums verletzen, nach welcher auch der andere Theil gehört werden müſſe. Die Proteſtanten wandten ein, die Religionsſachen zu unterſcheiden ſey keine Sache der Willkühr: alle die ſeyen dafür zu erklären, die nicht ausge- macht werden könnten, ehe die Entzweiung im Glauben bei- gelegt worden. Allein darauf nahm er keine Rückſicht. Er ſuchte den Standpunct jenes erſten Beſcheides vom Jahr 1533, der wahrſcheinlich ſein eigenes Werk geweſen, wieder zu gewinnen. Der Friede von Cadan, die Abrede von Wien exiſtirten für ihn nicht. Und eben ſo entſchieden verwarf er auch die Aufnahme neuer Mitglieder in den ſchmalkaldiſchen Bund. Der Kaiſer, ſagte er, könne denen, die ſich durch ihr Wort und ihr Siegel verpflichtet, die Reichsabſchiede zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/112
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/112>, abgerufen am 26.11.2024.