Apologie aufgestellten Lehre. Nur über den päpstlichen Pri- mat hatte man für gut gehalten sich näher zu verständigen. Man kann nicht zweifeln ob Luther denselben verwarf. Seine Gründe waren erstlich, wie er schon einst in Leipzig ausein- andergesetzt, daß die heilige Kirche lange Jahrhunderte ohne Papst gewesen, daß die griechische Kirche ihn noch nicht kenne und dennoch christlich sey; -- sodann daß sich der Papst nicht an dem einfachen Inhalt der christlichen Lehre genü- gen lasse: er fordere, daß man ihm gehorche, so werde man selig. 1 Darin ihm nachzugeben hätte er für einen Abfall von Gott und Christus gehalten. "Wir wollen es nicht thun," ruft er aus, "oder darüber sterben."
Bei dem Widerstreit der Stellung welche die Protestan- ten einnahmen, und der Anmuthungen die man ihnen machte, stieg ihnen vielmehr ein ganz andrer Gedanke, weitester Aus- sicht, auf.
Johann Friedrich meinte, man müsse dem päpstlichen Concilium ein andres entgegensetzen, ein wahrhaft freies all- gemeines christliches Concil. In eine nahmhafte, in Europa bekannte Reichsstadt, etwa nach Augsburg, könne es beru- fen und hier durch eine von den Bundesverwandten aufzu- bringende, Jahr und Tag im Felde zu erhaltende Kriegs- macht beschützt werden. Doctor Martin Luther, mu seinen Nebenbischöfen, oder auch vielleicht die Stände selbst sollten es ausschreiben. Man müsse dafür sorgen, daß die Zusam- menkommenden, -- Bischöfe, Ecclesiasten, Pfarrer, Prediger, Theologen, auch Juristen, -- doch ungefähr dritthalbhundert
1 Schmalkaldische Artikel, 4ter Artikel, vom Pabstthum, bei WalchXVI, 2340.
Apologie aufgeſtellten Lehre. Nur über den päpſtlichen Pri- mat hatte man für gut gehalten ſich näher zu verſtändigen. Man kann nicht zweifeln ob Luther denſelben verwarf. Seine Gründe waren erſtlich, wie er ſchon einſt in Leipzig ausein- andergeſetzt, daß die heilige Kirche lange Jahrhunderte ohne Papſt geweſen, daß die griechiſche Kirche ihn noch nicht kenne und dennoch chriſtlich ſey; — ſodann daß ſich der Papſt nicht an dem einfachen Inhalt der chriſtlichen Lehre genü- gen laſſe: er fordere, daß man ihm gehorche, ſo werde man ſelig. 1 Darin ihm nachzugeben hätte er für einen Abfall von Gott und Chriſtus gehalten. „Wir wollen es nicht thun,“ ruft er aus, „oder darüber ſterben.“
Bei dem Widerſtreit der Stellung welche die Proteſtan- ten einnahmen, und der Anmuthungen die man ihnen machte, ſtieg ihnen vielmehr ein ganz andrer Gedanke, weiteſter Aus- ſicht, auf.
Johann Friedrich meinte, man müſſe dem päpſtlichen Concilium ein andres entgegenſetzen, ein wahrhaft freies all- gemeines chriſtliches Concil. In eine nahmhafte, in Europa bekannte Reichsſtadt, etwa nach Augsburg, könne es beru- fen und hier durch eine von den Bundesverwandten aufzu- bringende, Jahr und Tag im Felde zu erhaltende Kriegs- macht beſchützt werden. Doctor Martin Luther, mu ſeinen Nebenbiſchöfen, oder auch vielleicht die Stände ſelbſt ſollten es ausſchreiben. Man müſſe dafür ſorgen, daß die Zuſam- menkommenden, — Biſchöfe, Eccleſiaſten, Pfarrer, Prediger, Theologen, auch Juriſten, — doch ungefähr dritthalbhundert
1 Schmalkaldiſche Artikel, 4ter Artikel, vom Pabſtthum, bei WalchXVI, 2340.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0109"n="97"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Ankuͤndigung des Conciliums</hi>.</fw><lb/>
Apologie aufgeſtellten Lehre. Nur über den päpſtlichen Pri-<lb/>
mat hatte man für gut gehalten ſich näher zu verſtändigen.<lb/>
Man kann nicht zweifeln ob <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> denſelben verwarf. Seine<lb/>
Gründe waren erſtlich, wie er ſchon einſt in <placeName>Leipzig</placeName> ausein-<lb/>
andergeſetzt, daß die heilige Kirche lange Jahrhunderte ohne<lb/>
Papſt geweſen, daß die griechiſche Kirche ihn noch nicht kenne<lb/>
und dennoch chriſtlich ſey; —ſodann daß ſich der Papſt<lb/>
nicht an dem einfachen Inhalt der chriſtlichen Lehre genü-<lb/>
gen laſſe: er fordere, daß man ihm gehorche, ſo werde man<lb/>ſelig. <noteplace="foot"n="1">Schmalkaldiſche Artikel, 4ter Artikel, vom Pabſtthum, bei<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/119061082">Walch</persName><hirendition="#aq">XVI,</hi> 2340.</note> Darin ihm nachzugeben hätte er für einen Abfall<lb/>
von Gott und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118557513">Chriſtus</persName> gehalten. „Wir wollen es nicht<lb/>
thun,“ ruft er aus, „oder darüber ſterben.“</p><lb/><p>Bei dem Widerſtreit der Stellung welche die Proteſtan-<lb/>
ten einnahmen, und der Anmuthungen die man ihnen machte,<lb/>ſtieg ihnen vielmehr ein ganz andrer Gedanke, weiteſter Aus-<lb/>ſicht, auf.</p><lb/><p><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118712373">Johann Friedrich</persName> meinte, man müſſe dem päpſtlichen<lb/>
Concilium ein andres entgegenſetzen, ein wahrhaft freies all-<lb/>
gemeines chriſtliches Concil. In eine nahmhafte, in <placeName>Europa</placeName><lb/>
bekannte Reichsſtadt, etwa nach <placeName>Augsburg</placeName>, könne es beru-<lb/>
fen und hier durch eine von den Bundesverwandten aufzu-<lb/>
bringende, Jahr und Tag im Felde zu erhaltende Kriegs-<lb/>
macht beſchützt werden. Doctor <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Martin Luther</persName>, mu ſeinen<lb/>
Nebenbiſchöfen, oder auch vielleicht die Stände ſelbſt ſollten<lb/>
es ausſchreiben. Man müſſe dafür ſorgen, daß die Zuſam-<lb/>
menkommenden, — Biſchöfe, Eccleſiaſten, Pfarrer, Prediger,<lb/>
Theologen, auch Juriſten, — doch ungefähr dritthalbhundert<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118598279">Ranke</persName> D. Geſch. <hirendition="#aq">IV.</hi> 7</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[97/0109]
Ankuͤndigung des Conciliums.
Apologie aufgeſtellten Lehre. Nur über den päpſtlichen Pri-
mat hatte man für gut gehalten ſich näher zu verſtändigen.
Man kann nicht zweifeln ob Luther denſelben verwarf. Seine
Gründe waren erſtlich, wie er ſchon einſt in Leipzig ausein-
andergeſetzt, daß die heilige Kirche lange Jahrhunderte ohne
Papſt geweſen, daß die griechiſche Kirche ihn noch nicht kenne
und dennoch chriſtlich ſey; — ſodann daß ſich der Papſt
nicht an dem einfachen Inhalt der chriſtlichen Lehre genü-
gen laſſe: er fordere, daß man ihm gehorche, ſo werde man
ſelig. 1 Darin ihm nachzugeben hätte er für einen Abfall
von Gott und Chriſtus gehalten. „Wir wollen es nicht
thun,“ ruft er aus, „oder darüber ſterben.“
Bei dem Widerſtreit der Stellung welche die Proteſtan-
ten einnahmen, und der Anmuthungen die man ihnen machte,
ſtieg ihnen vielmehr ein ganz andrer Gedanke, weiteſter Aus-
ſicht, auf.
Johann Friedrich meinte, man müſſe dem päpſtlichen
Concilium ein andres entgegenſetzen, ein wahrhaft freies all-
gemeines chriſtliches Concil. In eine nahmhafte, in Europa
bekannte Reichsſtadt, etwa nach Augsburg, könne es beru-
fen und hier durch eine von den Bundesverwandten aufzu-
bringende, Jahr und Tag im Felde zu erhaltende Kriegs-
macht beſchützt werden. Doctor Martin Luther, mu ſeinen
Nebenbiſchöfen, oder auch vielleicht die Stände ſelbſt ſollten
es ausſchreiben. Man müſſe dafür ſorgen, daß die Zuſam-
menkommenden, — Biſchöfe, Eccleſiaſten, Pfarrer, Prediger,
Theologen, auch Juriſten, — doch ungefähr dritthalbhundert
1 Schmalkaldiſche Artikel, 4ter Artikel, vom Pabſtthum, bei
Walch XVI, 2340.
Ranke D. Geſch. IV. 7
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/109>, abgerufen am 04.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.