Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
die Geschichte der ältesten Concilien; die Ordnung die in
Nicäa gehalten worden, das Ansehen das die bessere Mei-
nung eines Einzelnen über die Vorstellungen der Mehrzahl
gehabt, machte einen großen Eindruck auf ihn. "Ja," hörte
man ihn einmal seufzend ausrufen, "ein general, frei, christ-
lich Concilium. Nun, Gott hat allen Rath in seiner Hand."

Im April 1536, bei seiner Anwesenheit in Rom, brachte
Carl V auch die Berufung eines Conciliums aufs neue in
Antrag; der Papst und die Cardinäle giengen ohne Schwie-
rigkeit darauf ein; bei der Abfassung der Bulle wurden auch
kaiserliche Bevollmächtigte, namentlich Granvella, zu Rathe
gezogen. Bald darauf ward das Concilium in aller Form
auf den 23sten Mai 1537 nach Mantua ausgeschrieben.

Ob es dem Papst jetzt ein Ernst damit sey, war für
diejenigen, welche die Dinge übersahen, noch immer zwei-
felhaft. Hatte er doch nicht einmal mit dem Herrn des Or-
tes, wohin er es berufen, dem Herzog von Mantua, vor-
läufige Rücksprache genommen. Im Augenblicke der Ankün-
digung brach der Krieg zwischen Kaiser und König, der noth-
wendig alles rückgängig machen mußte, mit neuer Heftig-
keit aus.

Daran aber kann kein Zweifel seyn daß sowohl der
Kaiser als der Papst die vorläufige Einwilligung der Prote-
stanten zu haben wünschten. Granvella erzählt, der erste Ent-
wurf zur Bulle sey bei der Berathung der Commissarien "nicht
ohne Mysterium," das heißt doch, nicht ohne geheime Rück-
sichten, verbessert worden. 1 Es war wohl eine von diesen

1 Granvelle a l'empereur 23 avril 1535: "Et y a eu mi-
stere de la reduire ainsi."

Siebentes Buch. Zweites Capitel.
die Geſchichte der älteſten Concilien; die Ordnung die in
Nicäa gehalten worden, das Anſehen das die beſſere Mei-
nung eines Einzelnen über die Vorſtellungen der Mehrzahl
gehabt, machte einen großen Eindruck auf ihn. „Ja,“ hörte
man ihn einmal ſeufzend ausrufen, „ein general, frei, chriſt-
lich Concilium. Nun, Gott hat allen Rath in ſeiner Hand.“

Im April 1536, bei ſeiner Anweſenheit in Rom, brachte
Carl V auch die Berufung eines Conciliums aufs neue in
Antrag; der Papſt und die Cardinäle giengen ohne Schwie-
rigkeit darauf ein; bei der Abfaſſung der Bulle wurden auch
kaiſerliche Bevollmächtigte, namentlich Granvella, zu Rathe
gezogen. Bald darauf ward das Concilium in aller Form
auf den 23ſten Mai 1537 nach Mantua ausgeſchrieben.

Ob es dem Papſt jetzt ein Ernſt damit ſey, war für
diejenigen, welche die Dinge überſahen, noch immer zwei-
felhaft. Hatte er doch nicht einmal mit dem Herrn des Or-
tes, wohin er es berufen, dem Herzog von Mantua, vor-
läufige Rückſprache genommen. Im Augenblicke der Ankün-
digung brach der Krieg zwiſchen Kaiſer und König, der noth-
wendig alles rückgängig machen mußte, mit neuer Heftig-
keit aus.

Daran aber kann kein Zweifel ſeyn daß ſowohl der
Kaiſer als der Papſt die vorläufige Einwilligung der Prote-
ſtanten zu haben wünſchten. Granvella erzählt, der erſte Ent-
wurf zur Bulle ſey bei der Berathung der Commiſſarien „nicht
ohne Myſterium,“ das heißt doch, nicht ohne geheime Rück-
ſichten, verbeſſert worden. 1 Es war wohl eine von dieſen

1 Granvelle à l’empereur 23 avril 1535: „Et y a eu mi-
stère de la réduire ainsi.“
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0104" n="92"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Siebentes Buch. Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
die Ge&#x017F;chichte der älte&#x017F;ten Concilien; die Ordnung die in<lb/><placeName>Nicäa</placeName> gehalten worden, das An&#x017F;ehen das die be&#x017F;&#x017F;ere Mei-<lb/>
nung eines Einzelnen über die Vor&#x017F;tellungen der Mehrzahl<lb/>
gehabt, machte einen großen Eindruck auf ihn. &#x201E;Ja,&#x201C; hörte<lb/>
man ihn einmal &#x017F;eufzend ausrufen, &#x201E;ein general, frei, chri&#x017F;t-<lb/>
lich Concilium. Nun, Gott hat allen Rath in &#x017F;einer Hand.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Im April 1536, bei &#x017F;einer Anwe&#x017F;enheit in <placeName>Rom</placeName>, brachte<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118560093">Carl <hi rendition="#aq">V</hi></persName> auch die Berufung eines Conciliums aufs neue in<lb/>
Antrag; der Pap&#x017F;t und die Cardinäle giengen ohne Schwie-<lb/>
rigkeit darauf ein; bei der Abfa&#x017F;&#x017F;ung der Bulle wurden auch<lb/>
kai&#x017F;erliche Bevollmächtigte, namentlich <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella</persName>, zu Rathe<lb/>
gezogen. Bald darauf ward das Concilium in aller Form<lb/>
auf den 23&#x017F;ten Mai 1537 nach <placeName>Mantua</placeName> ausge&#x017F;chrieben.</p><lb/>
            <p>Ob es dem Pap&#x017F;t jetzt ein Ern&#x017F;t damit &#x017F;ey, war für<lb/>
diejenigen, welche die Dinge über&#x017F;ahen, noch immer zwei-<lb/>
felhaft. Hatte er doch nicht einmal mit dem Herrn des Or-<lb/>
tes, wohin er es berufen, dem Herzog von <placeName>Mantua</placeName>, vor-<lb/>
läufige Rück&#x017F;prache genommen. Im Augenblicke der Ankün-<lb/>
digung brach der Krieg zwi&#x017F;chen Kai&#x017F;er und König, der noth-<lb/>
wendig alles rückgängig machen mußte, mit neuer Heftig-<lb/>
keit aus.</p><lb/>
            <p>Daran aber kann kein Zweifel &#x017F;eyn daß &#x017F;owohl der<lb/>
Kai&#x017F;er als der Pap&#x017F;t die vorläufige Einwilligung der Prote-<lb/>
&#x017F;tanten zu haben wün&#x017F;chten. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvella</persName> erzählt, der er&#x017F;te Ent-<lb/>
wurf zur Bulle &#x017F;ey bei der Berathung der Commi&#x017F;&#x017F;arien &#x201E;nicht<lb/>
ohne My&#x017F;terium,&#x201C; das heißt doch, nicht ohne geheime Rück-<lb/>
&#x017F;ichten, verbe&#x017F;&#x017F;ert worden. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118718444">Granvelle</persName> à l&#x2019;empereur 23 avril 1535: &#x201E;Et y a eu mi-<lb/>
stère de la réduire ainsi.&#x201C;</hi></note> Es war wohl eine von die&#x017F;en<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0104] Siebentes Buch. Zweites Capitel. die Geſchichte der älteſten Concilien; die Ordnung die in Nicäa gehalten worden, das Anſehen das die beſſere Mei- nung eines Einzelnen über die Vorſtellungen der Mehrzahl gehabt, machte einen großen Eindruck auf ihn. „Ja,“ hörte man ihn einmal ſeufzend ausrufen, „ein general, frei, chriſt- lich Concilium. Nun, Gott hat allen Rath in ſeiner Hand.“ Im April 1536, bei ſeiner Anweſenheit in Rom, brachte Carl V auch die Berufung eines Conciliums aufs neue in Antrag; der Papſt und die Cardinäle giengen ohne Schwie- rigkeit darauf ein; bei der Abfaſſung der Bulle wurden auch kaiſerliche Bevollmächtigte, namentlich Granvella, zu Rathe gezogen. Bald darauf ward das Concilium in aller Form auf den 23ſten Mai 1537 nach Mantua ausgeſchrieben. Ob es dem Papſt jetzt ein Ernſt damit ſey, war für diejenigen, welche die Dinge überſahen, noch immer zwei- felhaft. Hatte er doch nicht einmal mit dem Herrn des Or- tes, wohin er es berufen, dem Herzog von Mantua, vor- läufige Rückſprache genommen. Im Augenblicke der Ankün- digung brach der Krieg zwiſchen Kaiſer und König, der noth- wendig alles rückgängig machen mußte, mit neuer Heftig- keit aus. Daran aber kann kein Zweifel ſeyn daß ſowohl der Kaiſer als der Papſt die vorläufige Einwilligung der Prote- ſtanten zu haben wünſchten. Granvella erzählt, der erſte Ent- wurf zur Bulle ſey bei der Berathung der Commiſſarien „nicht ohne Myſterium,“ das heißt doch, nicht ohne geheime Rück- ſichten, verbeſſert worden. 1 Es war wohl eine von dieſen 1 Granvelle à l’empereur 23 avril 1535: „Et y a eu mi- stère de la réduire ainsi.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/104
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/104>, abgerufen am 01.05.2024.