Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Ankündigung eines Conciliums.
als sein Vorgänger. Der Unterschied war jedoch, daß wenn
Clemens ein Concilium nur gefürchtet hatte, Paul III besser
einsah, wozu es dem römischen Stuhle wohl auch nützlich wer-
den könnte. Noch im Jahr 1535 ward ein Nuntius, Ver-
gerio
, nach Deutschland geschickt, um zunächst wenigstens
den Ort wo es sich versammeln sollte -- der Papst be-
stimmte Mantua -- aufs Reine zu bringen.

Auf dem Wege durch Norddeutschland kam der Nun-
tius auch nach Wittenberg, wo man ihm unerwartete Ehre
erwies, z. B. im churfürstlichen Schloß Wohnung gab: es
ist wie eine Berührung zwei verschiedener Welten, daß er
hier eines Morgens Luther bei sich sah.

Er wünschte, seinem Herrn von der Persönlichkeit die-
ses größten aller seiner Gegner berichten zu können.

Auch auf Luther machte es Eindruck daß er einen Ab-
geordneten der höchsten geistlichen Gewalt -- von der er ei-
nen so großen Theil der Welt losgerissen -- nach langer
Zeit zum ersten Mal wieder sehen sollte. Er legte seine be-
sten Kleider an, das Kleinod das er bei feierlichen Gelegen-
heiten um den Hals trug, und ließ sich schmücken. Denn
er wolle, sagte er scherzend, jung erscheinen, als Einer der
wohl auch in Zukunft noch etwas ausrichten könne. Doctor
Bugenhagen begleitete ihn. "Da fahren", sagte Luther, als
sie beisammen im Wagen saßen, mit ironischem Selbstgefühl,
"der deutsche Papst und Cardinalis Pomeranus." Ernster
werdend fügte er hinzu: "Gottes Werkzeuge."

Der Nuntius hatte einen andern Begriff von Papst
und Cardinälen. Wie die meisten Italiener, vermißte er in
Luther die Äußerlichkeiten einer imponirenden Gegenwart, Ab-

Ankuͤndigung eines Conciliums.
als ſein Vorgänger. Der Unterſchied war jedoch, daß wenn
Clemens ein Concilium nur gefürchtet hatte, Paul III beſſer
einſah, wozu es dem römiſchen Stuhle wohl auch nützlich wer-
den könnte. Noch im Jahr 1535 ward ein Nuntius, Ver-
gerio
, nach Deutſchland geſchickt, um zunächſt wenigſtens
den Ort wo es ſich verſammeln ſollte — der Papſt be-
ſtimmte Mantua — aufs Reine zu bringen.

Auf dem Wege durch Norddeutſchland kam der Nun-
tius auch nach Wittenberg, wo man ihm unerwartete Ehre
erwies, z. B. im churfürſtlichen Schloß Wohnung gab: es
iſt wie eine Berührung zwei verſchiedener Welten, daß er
hier eines Morgens Luther bei ſich ſah.

Er wünſchte, ſeinem Herrn von der Perſönlichkeit die-
ſes größten aller ſeiner Gegner berichten zu können.

Auch auf Luther machte es Eindruck daß er einen Ab-
geordneten der höchſten geiſtlichen Gewalt — von der er ei-
nen ſo großen Theil der Welt losgeriſſen — nach langer
Zeit zum erſten Mal wieder ſehen ſollte. Er legte ſeine be-
ſten Kleider an, das Kleinod das er bei feierlichen Gelegen-
heiten um den Hals trug, und ließ ſich ſchmücken. Denn
er wolle, ſagte er ſcherzend, jung erſcheinen, als Einer der
wohl auch in Zukunft noch etwas ausrichten könne. Doctor
Bugenhagen begleitete ihn. „Da fahren“, ſagte Luther, als
ſie beiſammen im Wagen ſaßen, mit ironiſchem Selbſtgefühl,
„der deutſche Papſt und Cardinalis Pomeranus.“ Ernſter
werdend fügte er hinzu: „Gottes Werkzeuge.“

Der Nuntius hatte einen andern Begriff von Papſt
und Cardinälen. Wie die meiſten Italiener, vermißte er in
Luther die Äußerlichkeiten einer imponirenden Gegenwart, Ab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0101" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Anku&#x0364;ndigung eines Conciliums</hi>.</fw><lb/>
als &#x017F;ein Vorgänger. Der Unter&#x017F;chied war jedoch, daß wenn<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118723510">Clemens</persName> ein Concilium nur gefürchtet hatte, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118592068">Paul <hi rendition="#aq">III</hi></persName> be&#x017F;&#x017F;er<lb/>
ein&#x017F;ah, wozu es dem römi&#x017F;chen Stuhle wohl auch nützlich wer-<lb/>
den könnte. Noch im Jahr 1535 ward ein Nuntius, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118768077">Ver-<lb/>
gerio</persName>, nach <placeName>Deut&#x017F;chland</placeName> ge&#x017F;chickt, um zunäch&#x017F;t wenig&#x017F;tens<lb/>
den Ort wo es &#x017F;ich ver&#x017F;ammeln &#x017F;ollte &#x2014; der Pap&#x017F;t be-<lb/>
&#x017F;timmte <placeName>Mantua</placeName> &#x2014; aufs Reine zu bringen.</p><lb/>
            <p>Auf dem Wege durch <placeName>Norddeut&#x017F;chland</placeName> kam der Nun-<lb/>
tius auch nach <placeName>Wittenberg</placeName>, wo man ihm unerwartete Ehre<lb/>
erwies, z. B. im churfür&#x017F;tlichen Schloß Wohnung gab: es<lb/>
i&#x017F;t wie eine Berührung zwei ver&#x017F;chiedener Welten, daß er<lb/>
hier eines Morgens <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> bei &#x017F;ich &#x017F;ah.</p><lb/>
            <p>Er wün&#x017F;chte, &#x017F;einem Herrn von der Per&#x017F;önlichkeit die-<lb/>
&#x017F;es größten aller &#x017F;einer Gegner berichten zu können.</p><lb/>
            <p>Auch auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> machte es Eindruck daß er einen Ab-<lb/>
geordneten der höch&#x017F;ten gei&#x017F;tlichen Gewalt &#x2014; von der er ei-<lb/>
nen &#x017F;o großen Theil der Welt losgeri&#x017F;&#x017F;en &#x2014; nach langer<lb/>
Zeit zum er&#x017F;ten Mal wieder &#x017F;ehen &#x017F;ollte. Er legte &#x017F;eine be-<lb/>
&#x017F;ten Kleider an, das Kleinod das er bei feierlichen Gelegen-<lb/>
heiten um den Hals trug, und ließ &#x017F;ich &#x017F;chmücken. Denn<lb/>
er wolle, &#x017F;agte er &#x017F;cherzend, jung er&#x017F;cheinen, als Einer der<lb/>
wohl auch in Zukunft noch etwas ausrichten könne. Doctor<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118517287">Bugenhagen</persName> begleitete ihn. &#x201E;Da fahren&#x201C;, &#x017F;agte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName>, als<lb/>
&#x017F;ie bei&#x017F;ammen im Wagen &#x017F;aßen, mit ironi&#x017F;chem Selb&#x017F;tgefühl,<lb/>
&#x201E;der deut&#x017F;che Pap&#x017F;t und Cardinalis <placeName>Pomeranus</placeName>.&#x201C; Ern&#x017F;ter<lb/>
werdend fügte er hinzu: &#x201E;Gottes Werkzeuge.&#x201C;</p><lb/>
            <p>Der Nuntius hatte einen andern Begriff von Pap&#x017F;t<lb/>
und Cardinälen. Wie die mei&#x017F;ten Italiener, vermißte er in<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118575449">Luther</persName> die Äußerlichkeiten einer imponirenden Gegenwart, Ab-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0101] Ankuͤndigung eines Conciliums. als ſein Vorgänger. Der Unterſchied war jedoch, daß wenn Clemens ein Concilium nur gefürchtet hatte, Paul III beſſer einſah, wozu es dem römiſchen Stuhle wohl auch nützlich wer- den könnte. Noch im Jahr 1535 ward ein Nuntius, Ver- gerio, nach Deutſchland geſchickt, um zunächſt wenigſtens den Ort wo es ſich verſammeln ſollte — der Papſt be- ſtimmte Mantua — aufs Reine zu bringen. Auf dem Wege durch Norddeutſchland kam der Nun- tius auch nach Wittenberg, wo man ihm unerwartete Ehre erwies, z. B. im churfürſtlichen Schloß Wohnung gab: es iſt wie eine Berührung zwei verſchiedener Welten, daß er hier eines Morgens Luther bei ſich ſah. Er wünſchte, ſeinem Herrn von der Perſönlichkeit die- ſes größten aller ſeiner Gegner berichten zu können. Auch auf Luther machte es Eindruck daß er einen Ab- geordneten der höchſten geiſtlichen Gewalt — von der er ei- nen ſo großen Theil der Welt losgeriſſen — nach langer Zeit zum erſten Mal wieder ſehen ſollte. Er legte ſeine be- ſten Kleider an, das Kleinod das er bei feierlichen Gelegen- heiten um den Hals trug, und ließ ſich ſchmücken. Denn er wolle, ſagte er ſcherzend, jung erſcheinen, als Einer der wohl auch in Zukunft noch etwas ausrichten könne. Doctor Bugenhagen begleitete ihn. „Da fahren“, ſagte Luther, als ſie beiſammen im Wagen ſaßen, mit ironiſchem Selbſtgefühl, „der deutſche Papſt und Cardinalis Pomeranus.“ Ernſter werdend fügte er hinzu: „Gottes Werkzeuge.“ Der Nuntius hatte einen andern Begriff von Papſt und Cardinälen. Wie die meiſten Italiener, vermißte er in Luther die Äußerlichkeiten einer imponirenden Gegenwart, Ab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/101
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/101>, abgerufen am 01.05.2024.