Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Zehntes Capitel.
Der Bürgermeister Wullenweber in Lübeck.

Die wiedertäuferischen Unruhen waren nicht die ein-
zigen, welche den regelmäßigen Gang der deutschen Reform
bedrohten. Aus denselben Quellen entsprangen noch an-
dre Bewegungen, die sich zwar in sehr abweichenden Rich-
tungen ergossen, aber nicht minder gefährlich werden zu
wollen schienen.

Bei der empörerischen Stimmung, die sich in den
Städten schon seit dem Anfang des Jahrhunderts kund ge-
geben, bei dem großen Antheil ferner, den die Gemeinden
an dem Durchsetzen der Reform nahmen, konnte es, wie
wir sahen, gar nicht anders seyn, als daß sich demokra-
tische Regungen mit den religiösen vereinigten und durch-
drangen.

Es war jedoch das Prinzip der deutschen Reform,
das Politischbestehende zu schonen. Bei weitem in den mei-
sten Städten behielten die gesetzmäßigen Obrigkeiten den
Platz. Von den größern waren es im Grunde nur zwei,
in denen die alten Räthe vollkommen unterlagen, Münster
und Lübeck.


Zehntes Capitel.
Der Bürgermeiſter Wullenweber in Lübeck.

Die wiedertäuferiſchen Unruhen waren nicht die ein-
zigen, welche den regelmäßigen Gang der deutſchen Reform
bedrohten. Aus denſelben Quellen entſprangen noch an-
dre Bewegungen, die ſich zwar in ſehr abweichenden Rich-
tungen ergoſſen, aber nicht minder gefährlich werden zu
wollen ſchienen.

Bei der empöreriſchen Stimmung, die ſich in den
Städten ſchon ſeit dem Anfang des Jahrhunderts kund ge-
geben, bei dem großen Antheil ferner, den die Gemeinden
an dem Durchſetzen der Reform nahmen, konnte es, wie
wir ſahen, gar nicht anders ſeyn, als daß ſich demokra-
tiſche Regungen mit den religiöſen vereinigten und durch-
drangen.

Es war jedoch das Prinzip der deutſchen Reform,
das Politiſchbeſtehende zu ſchonen. Bei weitem in den mei-
ſten Städten behielten die geſetzmäßigen Obrigkeiten den
Platz. Von den größern waren es im Grunde nur zwei,
in denen die alten Räthe vollkommen unterlagen, Münſter
und Lübeck.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0581" n="[565]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Zehntes Capitel</hi>.<lb/>
Der Bürgermei&#x017F;ter Wullenweber in Lübeck.</head><lb/>
          <p>Die wiedertäuferi&#x017F;chen Unruhen waren nicht die ein-<lb/>
zigen, welche den regelmäßigen Gang der deut&#x017F;chen Reform<lb/>
bedrohten. Aus den&#x017F;elben Quellen ent&#x017F;prangen noch an-<lb/>
dre Bewegungen, die &#x017F;ich zwar in &#x017F;ehr abweichenden Rich-<lb/>
tungen ergo&#x017F;&#x017F;en, aber nicht minder gefährlich werden zu<lb/>
wollen &#x017F;chienen.</p><lb/>
          <p>Bei der empöreri&#x017F;chen Stimmung, die &#x017F;ich in den<lb/>
Städten &#x017F;chon &#x017F;eit dem Anfang des Jahrhunderts kund ge-<lb/>
geben, bei dem großen Antheil ferner, den die Gemeinden<lb/>
an dem Durch&#x017F;etzen der Reform nahmen, konnte es, wie<lb/>
wir &#x017F;ahen, gar nicht anders &#x017F;eyn, als daß &#x017F;ich demokra-<lb/>
ti&#x017F;che Regungen mit den religiö&#x017F;en vereinigten und durch-<lb/>
drangen.</p><lb/>
          <p>Es war jedoch das Prinzip der deut&#x017F;chen Reform,<lb/>
das Politi&#x017F;chbe&#x017F;tehende zu &#x017F;chonen. Bei weitem in den mei-<lb/>
&#x017F;ten Städten behielten die ge&#x017F;etzmäßigen Obrigkeiten den<lb/>
Platz. Von den größern waren es im Grunde nur zwei,<lb/>
in denen die alten Räthe vollkommen unterlagen, Mün&#x017F;ter<lb/>
und Lübeck.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[565]/0581] Zehntes Capitel. Der Bürgermeiſter Wullenweber in Lübeck. Die wiedertäuferiſchen Unruhen waren nicht die ein- zigen, welche den regelmäßigen Gang der deutſchen Reform bedrohten. Aus denſelben Quellen entſprangen noch an- dre Bewegungen, die ſich zwar in ſehr abweichenden Rich- tungen ergoſſen, aber nicht minder gefährlich werden zu wollen ſchienen. Bei der empöreriſchen Stimmung, die ſich in den Städten ſchon ſeit dem Anfang des Jahrhunderts kund ge- geben, bei dem großen Antheil ferner, den die Gemeinden an dem Durchſetzen der Reform nahmen, konnte es, wie wir ſahen, gar nicht anders ſeyn, als daß ſich demokra- tiſche Regungen mit den religiöſen vereinigten und durch- drangen. Es war jedoch das Prinzip der deutſchen Reform, das Politiſchbeſtehende zu ſchonen. Bei weitem in den mei- ſten Städten behielten die geſetzmäßigen Obrigkeiten den Platz. Von den größern waren es im Grunde nur zwei, in denen die alten Räthe vollkommen unterlagen, Münſter und Lübeck.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/581
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. [565]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/581>, abgerufen am 03.12.2024.