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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Verbreitung der Wiedertäufer.
bemächtigen die Rede. In Leiden glaubte man Brandstif-
tung und Empörung von ihnen fürchten zu müssen. 1 Im
Gröningerland fand im Anfang des Jahres 1535 eine Ver-
sammlung von nahe an tausend Wiedertäufern Statt, die
der Statthalter mit bewaffneter Macht zerstreuen mußte. 2
In Ostfriesland sprach ein Prophet die Hoffnung aus,
ganz Oberdeutschland und Niederdeutschland werde sich er-
heben, wenn nur erst der König mit seinem gewaltigen
Banner ausziehe. Auch Nichteinverstandene meinten wohl,
wenn Johann von Leiden nur ein paar glückliche Schläge
vollführe, werde er Anhänger genug finden, und vielleicht
die Welt in Bewegung setzen, wie einst die Longobarden
oder die Franken. 3 Wir wissen, Johann von Leiden nahm
die ganze Welt als Besitzthum in Anspruch. Er hat allen
Ernstes einmal 12 Herzöge ernannt, und die Welt, zunächst
Deutschland, förmlich unter sie ausgetheilt. Die benach-
barten Reichsfürsten behandelte er als seines Gleichen. In
einem Briefe an Landgraf Philipp von Hessen redet er ihn
"lieber Lips" an, wie wohl dessen vertraute fürstliche Waf-
fenbrüder zu thun pflegten. 4 Er ersuchte ihn, die Bibel
zur Hand zu nehmen, und besonders die kleinen Propheten
zu studiren, da werde er finden, "ob wir uns," sagt er,
"selbst zum König aufgeworfen, oder ob dieß von Gott
zu etwas anderm angeordnet ist."


1 Brandt Histoire de la reformation I, p. 50.
2 Schreiben des Statthalters von Friesland an den Bischof
von Münster. Lewarden 25. Januar (Düss. A.).
3 Sebastian Frank: andre Chronik p. 267.
4 14. Jan. 1535, gedruckt in der kleinen Schrift: Acta Hand-
lungen Legation und Schriften, so durch Landgraf Philippsen in der
Münsterschen Sache geschehen 1536 Bog. II.
35*

Verbreitung der Wiedertaͤufer.
bemächtigen die Rede. In Leiden glaubte man Brandſtif-
tung und Empörung von ihnen fürchten zu müſſen. 1 Im
Gröningerland fand im Anfang des Jahres 1535 eine Ver-
ſammlung von nahe an tauſend Wiedertäufern Statt, die
der Statthalter mit bewaffneter Macht zerſtreuen mußte. 2
In Oſtfriesland ſprach ein Prophet die Hoffnung aus,
ganz Oberdeutſchland und Niederdeutſchland werde ſich er-
heben, wenn nur erſt der König mit ſeinem gewaltigen
Banner ausziehe. Auch Nichteinverſtandene meinten wohl,
wenn Johann von Leiden nur ein paar glückliche Schläge
vollführe, werde er Anhänger genug finden, und vielleicht
die Welt in Bewegung ſetzen, wie einſt die Longobarden
oder die Franken. 3 Wir wiſſen, Johann von Leiden nahm
die ganze Welt als Beſitzthum in Anſpruch. Er hat allen
Ernſtes einmal 12 Herzöge ernannt, und die Welt, zunächſt
Deutſchland, förmlich unter ſie ausgetheilt. Die benach-
barten Reichsfürſten behandelte er als ſeines Gleichen. In
einem Briefe an Landgraf Philipp von Heſſen redet er ihn
„lieber Lips“ an, wie wohl deſſen vertraute fürſtliche Waf-
fenbrüder zu thun pflegten. 4 Er erſuchte ihn, die Bibel
zur Hand zu nehmen, und beſonders die kleinen Propheten
zu ſtudiren, da werde er finden, „ob wir uns,“ ſagt er,
„ſelbſt zum König aufgeworfen, oder ob dieß von Gott
zu etwas anderm angeordnet iſt.“


1 Brandt Histoire de la reformation I, p. 50.
2 Schreiben des Statthalters von Friesland an den Biſchof
von Muͤnſter. Lewarden 25. Januar (Duͤſſ. A.).
3 Sebaſtian Frank: andre Chronik p. 267.
4 14. Jan. 1535, gedruckt in der kleinen Schrift: Acta Hand-
lungen Legation und Schriften, ſo durch Landgraf Philippſen in der
Muͤnſterſchen Sache geſchehen 1536 Bog. II.
35*
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[547/0563] Verbreitung der Wiedertaͤufer. bemächtigen die Rede. In Leiden glaubte man Brandſtif- tung und Empörung von ihnen fürchten zu müſſen. 1 Im Gröningerland fand im Anfang des Jahres 1535 eine Ver- ſammlung von nahe an tauſend Wiedertäufern Statt, die der Statthalter mit bewaffneter Macht zerſtreuen mußte. 2 In Oſtfriesland ſprach ein Prophet die Hoffnung aus, ganz Oberdeutſchland und Niederdeutſchland werde ſich er- heben, wenn nur erſt der König mit ſeinem gewaltigen Banner ausziehe. Auch Nichteinverſtandene meinten wohl, wenn Johann von Leiden nur ein paar glückliche Schläge vollführe, werde er Anhänger genug finden, und vielleicht die Welt in Bewegung ſetzen, wie einſt die Longobarden oder die Franken. 3 Wir wiſſen, Johann von Leiden nahm die ganze Welt als Beſitzthum in Anſpruch. Er hat allen Ernſtes einmal 12 Herzöge ernannt, und die Welt, zunächſt Deutſchland, förmlich unter ſie ausgetheilt. Die benach- barten Reichsfürſten behandelte er als ſeines Gleichen. In einem Briefe an Landgraf Philipp von Heſſen redet er ihn „lieber Lips“ an, wie wohl deſſen vertraute fürſtliche Waf- fenbrüder zu thun pflegten. 4 Er erſuchte ihn, die Bibel zur Hand zu nehmen, und beſonders die kleinen Propheten zu ſtudiren, da werde er finden, „ob wir uns,“ ſagt er, „ſelbſt zum König aufgeworfen, oder ob dieß von Gott zu etwas anderm angeordnet iſt.“ 1 Brandt Histoire de la reformation I, p. 50. 2 Schreiben des Statthalters von Friesland an den Biſchof von Muͤnſter. Lewarden 25. Januar (Duͤſſ. A.). 3 Sebaſtian Frank: andre Chronik p. 267. 4 14. Jan. 1535, gedruckt in der kleinen Schrift: Acta Hand- lungen Legation und Schriften, ſo durch Landgraf Philippſen in der Muͤnſterſchen Sache geſchehen 1536 Bog. II. 35*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/563>, abgerufen am 22.11.2024.