Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Verbreitung der Wiedertäufer.
hen seyn. In derselben Stunde, in der ihnen dieser Be-
fehl angekündigt worden, machten sie sich auf, ihn auszu-
führen. Sie fielen, wie sich denken läßt, sämmtlich den
bischöflichen Leuten in die Hände, und büßten ihr Vorha-
ben mit dem Tode.

Aber darum gab Johann von Leiden seine weltum-
fassenden Pläne mit nichten auf.

Wir erinnern uns welche allgemeine Gährung die un-
tern Volksklassen, namentlich die Handwerker in den deut-
schen Städten ergriffen hatte und wie das wiedertäuferische
Treiben gerade in diesem Stande gewaltig Wurzel schlug.
In diesem Augenblick begegnen wir demselben fast in allen
deutschen Ländern. In Preußen genossen die Wiedertäufer
den Schutz eines der mächtigsten Männer im Lande, Frie-
drichs von Heideck, der in hohen Gnaden bei Herzog Al-
brecht stand, ein paar Gläubige aus Schlesien mitbrachte,
ihre Bücher verbreitete, sogar einen Theil des Adels für
sie gewann. 1 So viel ihrer auch aus Mähren flüchteten,
so begegnen sie uns doch noch immer zu Tausenden da-
selbst. Die sächsischen Visitatoren fanden im Jahr 1534
das obere Werrathal von ihnen angefüllt; in Erfurt ward
bekannt, 300 Propheten seyen ausgesendet, um die Welt
zu bekehren. 2 Wir treffen 1534 einzelne Emissarien in
Anhalt, im fränkischen Brandenburg: hier legte man die
Taufregister auch deshalb an, um sich der Wiedertaufe zu
erwehren. Im Wirtembergischen gewährte ihnen der Erb-
marschall des Herzogs, ein Thumb von Neuburg, Ver-
wandter Schwenkfelds, in seinen Besitzungen im Remsthal,

1 Baczko IV, 219.
2 Seckendorf Hist. Luth. III, § 25, p. 71.
Ranke d. Gesch. III. 35

Verbreitung der Wiedertaͤufer.
hen ſeyn. In derſelben Stunde, in der ihnen dieſer Be-
fehl angekündigt worden, machten ſie ſich auf, ihn auszu-
führen. Sie fielen, wie ſich denken läßt, ſämmtlich den
biſchöflichen Leuten in die Hände, und büßten ihr Vorha-
ben mit dem Tode.

Aber darum gab Johann von Leiden ſeine weltum-
faſſenden Pläne mit nichten auf.

Wir erinnern uns welche allgemeine Gährung die un-
tern Volksklaſſen, namentlich die Handwerker in den deut-
ſchen Städten ergriffen hatte und wie das wiedertäuferiſche
Treiben gerade in dieſem Stande gewaltig Wurzel ſchlug.
In dieſem Augenblick begegnen wir demſelben faſt in allen
deutſchen Ländern. In Preußen genoſſen die Wiedertäufer
den Schutz eines der mächtigſten Männer im Lande, Frie-
drichs von Heideck, der in hohen Gnaden bei Herzog Al-
brecht ſtand, ein paar Gläubige aus Schleſien mitbrachte,
ihre Bücher verbreitete, ſogar einen Theil des Adels für
ſie gewann. 1 So viel ihrer auch aus Mähren flüchteten,
ſo begegnen ſie uns doch noch immer zu Tauſenden da-
ſelbſt. Die ſächſiſchen Viſitatoren fanden im Jahr 1534
das obere Werrathal von ihnen angefüllt; in Erfurt ward
bekannt, 300 Propheten ſeyen ausgeſendet, um die Welt
zu bekehren. 2 Wir treffen 1534 einzelne Emiſſarien in
Anhalt, im fränkiſchen Brandenburg: hier legte man die
Taufregiſter auch deshalb an, um ſich der Wiedertaufe zu
erwehren. Im Wirtembergiſchen gewährte ihnen der Erb-
marſchall des Herzogs, ein Thumb von Neuburg, Ver-
wandter Schwenkfelds, in ſeinen Beſitzungen im Remsthal,

1 Baczko IV, 219.
2 Seckendorf Hist. Luth. III, § 25, p. 71.
Ranke d. Geſch. III. 35
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0561" n="545"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Verbreitung der Wiederta&#x0364;ufer</hi>.</fw><lb/>
hen &#x017F;eyn. In der&#x017F;elben Stunde, in der ihnen die&#x017F;er Be-<lb/>
fehl angekündigt worden, machten &#x017F;ie &#x017F;ich auf, ihn auszu-<lb/>
führen. Sie fielen, wie &#x017F;ich denken läßt, &#x017F;ämmtlich den<lb/>
bi&#x017F;chöflichen Leuten in die Hände, und büßten ihr Vorha-<lb/>
ben mit dem Tode.</p><lb/>
            <p>Aber darum gab Johann von Leiden &#x017F;eine weltum-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;enden Pläne mit nichten auf.</p><lb/>
            <p>Wir erinnern uns welche allgemeine Gährung die un-<lb/>
tern Volkskla&#x017F;&#x017F;en, namentlich die Handwerker in den deut-<lb/>
&#x017F;chen Städten ergriffen hatte und wie das wiedertäuferi&#x017F;che<lb/>
Treiben gerade in die&#x017F;em Stande gewaltig Wurzel &#x017F;chlug.<lb/>
In die&#x017F;em Augenblick begegnen wir dem&#x017F;elben fa&#x017F;t in allen<lb/>
deut&#x017F;chen Ländern. In Preußen geno&#x017F;&#x017F;en die Wiedertäufer<lb/>
den Schutz eines der mächtig&#x017F;ten Männer im Lande, Frie-<lb/>
drichs von Heideck, der in hohen Gnaden bei Herzog Al-<lb/>
brecht &#x017F;tand, ein paar Gläubige aus Schle&#x017F;ien mitbrachte,<lb/>
ihre Bücher verbreitete, &#x017F;ogar einen Theil des Adels für<lb/>
&#x017F;ie gewann. <note place="foot" n="1">Baczko <hi rendition="#aq">IV,</hi> 219.</note> So viel ihrer auch aus Mähren flüchteten,<lb/>
&#x017F;o begegnen &#x017F;ie uns doch noch immer zu Tau&#x017F;enden da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Die &#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Vi&#x017F;itatoren fanden im Jahr 1534<lb/>
das obere Werrathal von ihnen angefüllt; in Erfurt ward<lb/>
bekannt, 300 Propheten &#x017F;eyen ausge&#x017F;endet, um die Welt<lb/>
zu bekehren. <note place="foot" n="2">Seckendorf <hi rendition="#aq">Hist. Luth. III, § 25, p.</hi> 71.</note> Wir treffen 1534 einzelne Emi&#x017F;&#x017F;arien in<lb/>
Anhalt, im fränki&#x017F;chen Brandenburg: hier legte man die<lb/>
Taufregi&#x017F;ter auch deshalb an, um &#x017F;ich der Wiedertaufe zu<lb/>
erwehren. Im Wirtembergi&#x017F;chen gewährte ihnen der Erb-<lb/>
mar&#x017F;chall des Herzogs, ein Thumb von Neuburg, Ver-<lb/>
wandter Schwenkfelds, in &#x017F;einen Be&#x017F;itzungen im Remsthal,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ranke d. Ge&#x017F;ch. <hi rendition="#aq">III.</hi> 35</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[545/0561] Verbreitung der Wiedertaͤufer. hen ſeyn. In derſelben Stunde, in der ihnen dieſer Be- fehl angekündigt worden, machten ſie ſich auf, ihn auszu- führen. Sie fielen, wie ſich denken läßt, ſämmtlich den biſchöflichen Leuten in die Hände, und büßten ihr Vorha- ben mit dem Tode. Aber darum gab Johann von Leiden ſeine weltum- faſſenden Pläne mit nichten auf. Wir erinnern uns welche allgemeine Gährung die un- tern Volksklaſſen, namentlich die Handwerker in den deut- ſchen Städten ergriffen hatte und wie das wiedertäuferiſche Treiben gerade in dieſem Stande gewaltig Wurzel ſchlug. In dieſem Augenblick begegnen wir demſelben faſt in allen deutſchen Ländern. In Preußen genoſſen die Wiedertäufer den Schutz eines der mächtigſten Männer im Lande, Frie- drichs von Heideck, der in hohen Gnaden bei Herzog Al- brecht ſtand, ein paar Gläubige aus Schleſien mitbrachte, ihre Bücher verbreitete, ſogar einen Theil des Adels für ſie gewann. 1 So viel ihrer auch aus Mähren flüchteten, ſo begegnen ſie uns doch noch immer zu Tauſenden da- ſelbſt. Die ſächſiſchen Viſitatoren fanden im Jahr 1534 das obere Werrathal von ihnen angefüllt; in Erfurt ward bekannt, 300 Propheten ſeyen ausgeſendet, um die Welt zu bekehren. 2 Wir treffen 1534 einzelne Emiſſarien in Anhalt, im fränkiſchen Brandenburg: hier legte man die Taufregiſter auch deshalb an, um ſich der Wiedertaufe zu erwehren. Im Wirtembergiſchen gewährte ihnen der Erb- marſchall des Herzogs, ein Thumb von Neuburg, Ver- wandter Schwenkfelds, in ſeinen Beſitzungen im Remsthal, 1 Baczko IV, 219. 2 Seckendorf Hist. Luth. III, § 25, p. 71. Ranke d. Geſch. III. 35

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/561
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/561>, abgerufen am 23.05.2024.