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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Wiedertäuferische Ideen.
lichkeit, welches Christus mit den Seinen in dieser Welt
haben solle, tausend Jahre lang. 1 Sie waren überzeugt,
daß ihr Reich in Münster bis zum Anbruch dieses tau-
sendjährigen Reiches dauern, und es indeß im Bilde dar-
stellen solle. Die Belagerung, die sie duldeten, fanden sie
nothwendig. Denn das Opfer in der Wüste müsse voll-
bracht werden, das Weib ihren Streit leiden, der Vor-
hof sich mit Todten erfüllen. Gott aber werde nicht al-
lein die Gewalt abwehren, sondern ohne Verzug auch sei-
nem Volk das Schwert in die Hand geben, zu vertilgen
alles, was Bosheit treibe auf der ganzen Erde. "Schenket
ihr doppelt ein; (Apok. 14), denn die Zeit ist vorhanden."

Das war auch der mystische Grund, weshalb sie
sich einen König setzten. Die Prophezeihungen gedachten
vorzüglich eines Königs, der dann Herr auf Erden wer-
den solle. Dusentschuer rief Jan Bockelsohn zum König
der ganzen Welt aus.

Dieser junge phantastische Handwerker glaubte nicht
anders, als daß die Zukunft der Welt auf ihm beruhe.
Er nannte sich Johann den gerechten Konink, in dem
neuen Tempel; in seinen Verordnungen sagt er, in ihm
sey das von Christus verkündigte Reich unwidersprechlich
vorhanden; er sitze auf dem Stuhle Davids. 2 An einer

1 Vergl. das Gespräch des Johann v. Leiden mit Corvinus.
2 Eines seiner Gesetze, von Kersenbroik und etwas abweichend
von Herrsbach lateinisch mitgetheilt, findet sich in dem Archiv zu
Düsseldorf deutsch. Es fängt sehr charakteristisch an: Kundlich und
openbar sy allen Liefhebberen und Tostendern der Wahrheit, und
gotlicher Gerechtigkeit, sowol der Unvorstendigen, als in der Verbor-
genheit Gottes Verständigen. So und in wetmaten de Christen
und ere Tostendere sick unter dem Panier der Gerechtigkeit als ware

Wiedertaͤuferiſche Ideen.
lichkeit, welches Chriſtus mit den Seinen in dieſer Welt
haben ſolle, tauſend Jahre lang. 1 Sie waren überzeugt,
daß ihr Reich in Münſter bis zum Anbruch dieſes tau-
ſendjährigen Reiches dauern, und es indeß im Bilde dar-
ſtellen ſolle. Die Belagerung, die ſie duldeten, fanden ſie
nothwendig. Denn das Opfer in der Wüſte müſſe voll-
bracht werden, das Weib ihren Streit leiden, der Vor-
hof ſich mit Todten erfüllen. Gott aber werde nicht al-
lein die Gewalt abwehren, ſondern ohne Verzug auch ſei-
nem Volk das Schwert in die Hand geben, zu vertilgen
alles, was Bosheit treibe auf der ganzen Erde. „Schenket
ihr doppelt ein; (Apok. 14), denn die Zeit iſt vorhanden.“

Das war auch der myſtiſche Grund, weshalb ſie
ſich einen König ſetzten. Die Prophezeihungen gedachten
vorzüglich eines Königs, der dann Herr auf Erden wer-
den ſolle. Duſentſchuer rief Jan Bockelſohn zum König
der ganzen Welt aus.

Dieſer junge phantaſtiſche Handwerker glaubte nicht
anders, als daß die Zukunft der Welt auf ihm beruhe.
Er nannte ſich Johann den gerechten Konink, in dem
neuen Tempel; in ſeinen Verordnungen ſagt er, in ihm
ſey das von Chriſtus verkündigte Reich unwiderſprechlich
vorhanden; er ſitze auf dem Stuhle Davids. 2 An einer

1 Vergl. das Geſpraͤch des Johann v. Leiden mit Corvinus.
2 Eines ſeiner Geſetze, von Kerſenbroik und etwas abweichend
von Herrsbach lateiniſch mitgetheilt, findet ſich in dem Archiv zu
Duͤſſeldorf deutſch. Es faͤngt ſehr charakteriſtiſch an: Kundlich und
openbar ſy allen Liefhebberen und Toſtendern der Wahrheit, und
gotlicher Gerechtigkeit, ſowol der Unvorſtendigen, als in der Verbor-
genheit Gottes Verſtaͤndigen. So und in wetmaten de Chriſten
und ere Toſtendere ſick unter dem Panier der Gerechtigkeit als ware
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[539/0555] Wiedertaͤuferiſche Ideen. lichkeit, welches Chriſtus mit den Seinen in dieſer Welt haben ſolle, tauſend Jahre lang. 1 Sie waren überzeugt, daß ihr Reich in Münſter bis zum Anbruch dieſes tau- ſendjährigen Reiches dauern, und es indeß im Bilde dar- ſtellen ſolle. Die Belagerung, die ſie duldeten, fanden ſie nothwendig. Denn das Opfer in der Wüſte müſſe voll- bracht werden, das Weib ihren Streit leiden, der Vor- hof ſich mit Todten erfüllen. Gott aber werde nicht al- lein die Gewalt abwehren, ſondern ohne Verzug auch ſei- nem Volk das Schwert in die Hand geben, zu vertilgen alles, was Bosheit treibe auf der ganzen Erde. „Schenket ihr doppelt ein; (Apok. 14), denn die Zeit iſt vorhanden.“ Das war auch der myſtiſche Grund, weshalb ſie ſich einen König ſetzten. Die Prophezeihungen gedachten vorzüglich eines Königs, der dann Herr auf Erden wer- den ſolle. Duſentſchuer rief Jan Bockelſohn zum König der ganzen Welt aus. Dieſer junge phantaſtiſche Handwerker glaubte nicht anders, als daß die Zukunft der Welt auf ihm beruhe. Er nannte ſich Johann den gerechten Konink, in dem neuen Tempel; in ſeinen Verordnungen ſagt er, in ihm ſey das von Chriſtus verkündigte Reich unwiderſprechlich vorhanden; er ſitze auf dem Stuhle Davids. 2 An einer 1 Vergl. das Geſpraͤch des Johann v. Leiden mit Corvinus. 2 Eines ſeiner Geſetze, von Kerſenbroik und etwas abweichend von Herrsbach lateiniſch mitgetheilt, findet ſich in dem Archiv zu Duͤſſeldorf deutſch. Es faͤngt ſehr charakteriſtiſch an: Kundlich und openbar ſy allen Liefhebberen und Toſtendern der Wahrheit, und gotlicher Gerechtigkeit, ſowol der Unvorſtendigen, als in der Verbor- genheit Gottes Verſtaͤndigen. So und in wetmaten de Chriſten und ere Toſtendere ſick unter dem Panier der Gerechtigkeit als ware

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/555>, abgerufen am 22.11.2024.