wie wir sehen, mit einer bürgerlichen Bewegung verbun- den, wie sie in jenen Zeiten so häufig vorkamen.
Noch weniger aber in Münster als anderwärts hätten die Vertriebenen ihre Sache aufgegeben; sie fanden an Rit- terschaft und Capitel natürliche Verbündete. Auch hier ward der Eintritt eines neuen Bischofs, Franz von Waldeck be- nutzt, um allgemeine Maaßregeln des Landes gegen die Stadt hervorzurufen. Die Zufuhr ward ihr abgeschnitten, ihre Zinsen und Renten wurden zurückgehalten, die Bür- ger selbst, wo man sie betraf, gefangen. Die Aufhebung dieser Zwangsmaaßregeln knüpfte man an die Bedingung, daß die alte Religion wiederhergestellt würde.
Die Evangelischen aber, die in ihrem Rechte zu seyn glaubten, waren nicht der Meinung, zu weichen. Kam es auf Gewalt an, so fühlten auch sie sich stark genug dazu. Gar bald zeigte sich ihnen die beste Gelegenheit einen küh- nen Schlag auszuführen, der Alles entscheiden mußte.
So eben war der Bischof mit den Landständen zu sei- ner Huldigung zu Telgte, eine Meile von Münster, einge- ritten. Von hier aus kam, den ersten Weihnachtsfeiertag 1532, den Bürgern jene Anmuthung zu, der alten Reli- gion wieder beizutreten. Sie waren sogleich entschlossen, was sie thun sollten. In der nächsten Nacht machten sie sich, 900 Mann stark, zum Theil streitbare Bürger, zum Theil geworbene Soldaten, mit Handgeschütz und ein paar kleinen Kanonen auf vierrädrigen Karren, gegen Telgte hin auf. Das Glück wollte ihnen so wohl, daß die Reiter- posten des Bischofs doch nicht auf sie stießen. In der Morgendämmerung langten sie bei Telgte an, stießen die
32*
Reform in Weſtfalen. Muͤnſter.
wie wir ſehen, mit einer bürgerlichen Bewegung verbun- den, wie ſie in jenen Zeiten ſo häufig vorkamen.
Noch weniger aber in Münſter als anderwärts hätten die Vertriebenen ihre Sache aufgegeben; ſie fanden an Rit- terſchaft und Capitel natürliche Verbündete. Auch hier ward der Eintritt eines neuen Biſchofs, Franz von Waldeck be- nutzt, um allgemeine Maaßregeln des Landes gegen die Stadt hervorzurufen. Die Zufuhr ward ihr abgeſchnitten, ihre Zinſen und Renten wurden zurückgehalten, die Bür- ger ſelbſt, wo man ſie betraf, gefangen. Die Aufhebung dieſer Zwangsmaaßregeln knüpfte man an die Bedingung, daß die alte Religion wiederhergeſtellt würde.
Die Evangeliſchen aber, die in ihrem Rechte zu ſeyn glaubten, waren nicht der Meinung, zu weichen. Kam es auf Gewalt an, ſo fühlten auch ſie ſich ſtark genug dazu. Gar bald zeigte ſich ihnen die beſte Gelegenheit einen küh- nen Schlag auszuführen, der Alles entſcheiden mußte.
So eben war der Biſchof mit den Landſtänden zu ſei- ner Huldigung zu Telgte, eine Meile von Münſter, einge- ritten. Von hier aus kam, den erſten Weihnachtsfeiertag 1532, den Bürgern jene Anmuthung zu, der alten Reli- gion wieder beizutreten. Sie waren ſogleich entſchloſſen, was ſie thun ſollten. In der nächſten Nacht machten ſie ſich, 900 Mann ſtark, zum Theil ſtreitbare Bürger, zum Theil geworbene Soldaten, mit Handgeſchütz und ein paar kleinen Kanonen auf vierrädrigen Karren, gegen Telgte hin auf. Das Glück wollte ihnen ſo wohl, daß die Reiter- poſten des Biſchofs doch nicht auf ſie ſtießen. In der Morgendämmerung langten ſie bei Telgte an, ſtießen die
32*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0515"n="499"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Reform in Weſtfalen. Muͤnſter</hi>.</fw><lb/>
wie wir ſehen, mit einer bürgerlichen Bewegung verbun-<lb/>
den, wie ſie in jenen Zeiten ſo häufig vorkamen.</p><lb/><p>Noch weniger aber in Münſter als anderwärts hätten<lb/>
die Vertriebenen ihre Sache aufgegeben; ſie fanden an Rit-<lb/>
terſchaft und Capitel natürliche Verbündete. Auch hier ward<lb/>
der Eintritt eines neuen Biſchofs, Franz von Waldeck be-<lb/>
nutzt, um allgemeine Maaßregeln des Landes gegen die<lb/>
Stadt hervorzurufen. Die Zufuhr ward ihr abgeſchnitten,<lb/>
ihre Zinſen und Renten wurden zurückgehalten, die Bür-<lb/>
ger ſelbſt, wo man ſie betraf, gefangen. Die Aufhebung<lb/>
dieſer Zwangsmaaßregeln knüpfte man an die Bedingung,<lb/>
daß die alte Religion wiederhergeſtellt würde.</p><lb/><p>Die Evangeliſchen aber, die in ihrem Rechte zu ſeyn<lb/>
glaubten, waren nicht der Meinung, zu weichen. Kam es<lb/>
auf Gewalt an, ſo fühlten auch ſie ſich ſtark genug dazu.<lb/>
Gar bald zeigte ſich ihnen die beſte Gelegenheit einen küh-<lb/>
nen Schlag auszuführen, der Alles entſcheiden mußte.</p><lb/><p>So eben war der Biſchof mit den Landſtänden zu ſei-<lb/>
ner Huldigung zu Telgte, eine Meile von Münſter, einge-<lb/>
ritten. Von hier aus kam, den erſten Weihnachtsfeiertag<lb/>
1532, den Bürgern jene Anmuthung zu, der alten Reli-<lb/>
gion wieder beizutreten. Sie waren ſogleich entſchloſſen,<lb/>
was ſie thun ſollten. In der nächſten Nacht machten ſie<lb/>ſich, 900 Mann ſtark, zum Theil ſtreitbare Bürger, zum<lb/>
Theil geworbene Soldaten, mit Handgeſchütz und ein paar<lb/>
kleinen Kanonen auf vierrädrigen Karren, gegen Telgte hin<lb/>
auf. Das Glück wollte ihnen ſo wohl, daß die Reiter-<lb/>
poſten des Biſchofs doch nicht auf ſie ſtießen. In der<lb/>
Morgendämmerung langten ſie bei Telgte an, ſtießen die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">32*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[499/0515]
Reform in Weſtfalen. Muͤnſter.
wie wir ſehen, mit einer bürgerlichen Bewegung verbun-
den, wie ſie in jenen Zeiten ſo häufig vorkamen.
Noch weniger aber in Münſter als anderwärts hätten
die Vertriebenen ihre Sache aufgegeben; ſie fanden an Rit-
terſchaft und Capitel natürliche Verbündete. Auch hier ward
der Eintritt eines neuen Biſchofs, Franz von Waldeck be-
nutzt, um allgemeine Maaßregeln des Landes gegen die
Stadt hervorzurufen. Die Zufuhr ward ihr abgeſchnitten,
ihre Zinſen und Renten wurden zurückgehalten, die Bür-
ger ſelbſt, wo man ſie betraf, gefangen. Die Aufhebung
dieſer Zwangsmaaßregeln knüpfte man an die Bedingung,
daß die alte Religion wiederhergeſtellt würde.
Die Evangeliſchen aber, die in ihrem Rechte zu ſeyn
glaubten, waren nicht der Meinung, zu weichen. Kam es
auf Gewalt an, ſo fühlten auch ſie ſich ſtark genug dazu.
Gar bald zeigte ſich ihnen die beſte Gelegenheit einen küh-
nen Schlag auszuführen, der Alles entſcheiden mußte.
So eben war der Biſchof mit den Landſtänden zu ſei-
ner Huldigung zu Telgte, eine Meile von Münſter, einge-
ritten. Von hier aus kam, den erſten Weihnachtsfeiertag
1532, den Bürgern jene Anmuthung zu, der alten Reli-
gion wieder beizutreten. Sie waren ſogleich entſchloſſen,
was ſie thun ſollten. In der nächſten Nacht machten ſie
ſich, 900 Mann ſtark, zum Theil ſtreitbare Bürger, zum
Theil geworbene Soldaten, mit Handgeſchütz und ein paar
kleinen Kanonen auf vierrädrigen Karren, gegen Telgte hin
auf. Das Glück wollte ihnen ſo wohl, daß die Reiter-
poſten des Biſchofs doch nicht auf ſie ſtießen. In der
Morgendämmerung langten ſie bei Telgte an, ſtießen die
32*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/515>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.