Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechstes Buch. Achtes Capitel.
Die oberste Superintendentur über alle diese Länder war
jetzt, nach Beseitigung dieser Jurisdictionen, dem Urba-
nus Rhegius aufgetragen. Er hielt es für seine Pflicht
in dieser mühevollen, und selbst nicht ganz gefahrlosen
Stellung zu verharren, auch als man ihn wieder nach
dem Oberland berief, von wo er stammte. Mit großem
Eifer stand ihm sein Fürst, Herzog Ernst, zur Seite.
Nicht selten sehen wir ihn in Person mit seinem Kanzler
und einem oder dem andern Prediger in den Klöstern er-
scheinen und die Sache der Reform empfehlen; größten-
theils traten die Stiftsherren oder auch die Priorinnen mit
ihren Nonnen zur evangelischen Lehre über. Zuweilen hat-
ten die Stiftsherren ein gleiches Interesse mit dem Her-
zog, z. B. in Bardewik, was der Erzbischof von Bremen
mit Verden vereinigen wollte. Allmählig wurden die
Sächsischen Formen hier wie in Hessen vorherrschend. Alle
Jahr ward eine Kirchenvisitation gehalten. 1

Auch in dem fränkischen Brandenburg fuhr man fort
die Klöster fürstlicher Verwaltung zu unterwerfen. Noch
gab es jedoch an vielen Orten Mönche; zuweilen hatten
sie Frauen genommen: hie und da hatte dieß der Abt
selbst gethan. 2 Neue Aebte und Aebtissinnen durften je-
doch nicht mehr gewählt werden: höchstens Verwalterin-
nen finden wir noch eintreten, wie Dorothea von Hirsch-
hard in dem Fräuleinstift Birkenfeld. Es ward eine Kam-
merordnung entworfen, nach welcher der Ueberschuß der

1 Schreiben des Urbanus Rhegius an die Augspurger 14.
Juli 1535 bei Walch XVII, 2507; vgl. Schlegel II, 51. 95. 211.
2 Bericht des Cornelius Ettenius p. 498.

Sechstes Buch. Achtes Capitel.
Die oberſte Superintendentur über alle dieſe Länder war
jetzt, nach Beſeitigung dieſer Jurisdictionen, dem Urba-
nus Rhegius aufgetragen. Er hielt es für ſeine Pflicht
in dieſer mühevollen, und ſelbſt nicht ganz gefahrloſen
Stellung zu verharren, auch als man ihn wieder nach
dem Oberland berief, von wo er ſtammte. Mit großem
Eifer ſtand ihm ſein Fürſt, Herzog Ernſt, zur Seite.
Nicht ſelten ſehen wir ihn in Perſon mit ſeinem Kanzler
und einem oder dem andern Prediger in den Klöſtern er-
ſcheinen und die Sache der Reform empfehlen; größten-
theils traten die Stiftsherren oder auch die Priorinnen mit
ihren Nonnen zur evangeliſchen Lehre über. Zuweilen hat-
ten die Stiftsherren ein gleiches Intereſſe mit dem Her-
zog, z. B. in Bardewik, was der Erzbiſchof von Bremen
mit Verden vereinigen wollte. Allmählig wurden die
Sächſiſchen Formen hier wie in Heſſen vorherrſchend. Alle
Jahr ward eine Kirchenviſitation gehalten. 1

Auch in dem fränkiſchen Brandenburg fuhr man fort
die Klöſter fürſtlicher Verwaltung zu unterwerfen. Noch
gab es jedoch an vielen Orten Mönche; zuweilen hatten
ſie Frauen genommen: hie und da hatte dieß der Abt
ſelbſt gethan. 2 Neue Aebte und Aebtiſſinnen durften je-
doch nicht mehr gewählt werden: höchſtens Verwalterin-
nen finden wir noch eintreten, wie Dorothea von Hirſch-
hard in dem Fräuleinſtift Birkenfeld. Es ward eine Kam-
merordnung entworfen, nach welcher der Ueberſchuß der

1 Schreiben des Urbanus Rhegius an die Augspurger 14.
Juli 1535 bei Walch XVII, 2507; vgl. Schlegel II, 51. 95. 211.
2 Bericht des Cornelius Ettenius p. 498.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0488" n="472"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Die ober&#x017F;te Superintendentur über alle die&#x017F;e Länder war<lb/>
jetzt, nach Be&#x017F;eitigung die&#x017F;er Jurisdictionen, dem Urba-<lb/>
nus Rhegius aufgetragen. Er hielt es für &#x017F;eine Pflicht<lb/>
in die&#x017F;er mühevollen, und &#x017F;elb&#x017F;t nicht ganz gefahrlo&#x017F;en<lb/>
Stellung zu verharren, auch als man ihn wieder nach<lb/>
dem Oberland berief, von wo er &#x017F;tammte. Mit großem<lb/>
Eifer &#x017F;tand ihm &#x017F;ein Für&#x017F;t, Herzog Ern&#x017F;t, zur Seite.<lb/>
Nicht &#x017F;elten &#x017F;ehen wir ihn in Per&#x017F;on mit &#x017F;einem Kanzler<lb/>
und einem oder dem andern Prediger in den Klö&#x017F;tern er-<lb/>
&#x017F;cheinen und die Sache der Reform empfehlen; größten-<lb/>
theils traten die Stiftsherren oder auch die Priorinnen mit<lb/>
ihren Nonnen zur evangeli&#x017F;chen Lehre über. Zuweilen hat-<lb/>
ten die Stiftsherren ein gleiches Intere&#x017F;&#x017F;e mit dem Her-<lb/>
zog, z. B. in Bardewik, was der Erzbi&#x017F;chof von Bremen<lb/>
mit Verden vereinigen wollte. Allmählig wurden die<lb/>
Säch&#x017F;i&#x017F;chen Formen hier wie in He&#x017F;&#x017F;en vorherr&#x017F;chend. Alle<lb/>
Jahr ward eine Kirchenvi&#x017F;itation gehalten. <note place="foot" n="1">Schreiben des Urbanus Rhegius an die Augspurger 14.<lb/>
Juli 1535 bei Walch <hi rendition="#aq">XVII,</hi> 2507; vgl. Schlegel <hi rendition="#aq">II,</hi> 51. 95. 211.</note></p><lb/>
          <p>Auch in dem fränki&#x017F;chen Brandenburg fuhr man fort<lb/>
die Klö&#x017F;ter für&#x017F;tlicher Verwaltung zu unterwerfen. Noch<lb/>
gab es jedoch an vielen Orten Mönche; zuweilen hatten<lb/>
&#x017F;ie Frauen genommen: hie und da hatte dieß der Abt<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t gethan. <note place="foot" n="2">Bericht des Cornelius Ettenius <hi rendition="#aq">p.</hi> 498.</note> Neue Aebte und Aebti&#x017F;&#x017F;innen durften je-<lb/>
doch nicht mehr gewählt werden: höch&#x017F;tens Verwalterin-<lb/>
nen finden wir noch eintreten, wie Dorothea von Hir&#x017F;ch-<lb/>
hard in dem Fräulein&#x017F;tift Birkenfeld. Es ward eine Kam-<lb/>
merordnung entworfen, nach welcher der Ueber&#x017F;chuß der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0488] Sechstes Buch. Achtes Capitel. Die oberſte Superintendentur über alle dieſe Länder war jetzt, nach Beſeitigung dieſer Jurisdictionen, dem Urba- nus Rhegius aufgetragen. Er hielt es für ſeine Pflicht in dieſer mühevollen, und ſelbſt nicht ganz gefahrloſen Stellung zu verharren, auch als man ihn wieder nach dem Oberland berief, von wo er ſtammte. Mit großem Eifer ſtand ihm ſein Fürſt, Herzog Ernſt, zur Seite. Nicht ſelten ſehen wir ihn in Perſon mit ſeinem Kanzler und einem oder dem andern Prediger in den Klöſtern er- ſcheinen und die Sache der Reform empfehlen; größten- theils traten die Stiftsherren oder auch die Priorinnen mit ihren Nonnen zur evangeliſchen Lehre über. Zuweilen hat- ten die Stiftsherren ein gleiches Intereſſe mit dem Her- zog, z. B. in Bardewik, was der Erzbiſchof von Bremen mit Verden vereinigen wollte. Allmählig wurden die Sächſiſchen Formen hier wie in Heſſen vorherrſchend. Alle Jahr ward eine Kirchenviſitation gehalten. 1 Auch in dem fränkiſchen Brandenburg fuhr man fort die Klöſter fürſtlicher Verwaltung zu unterwerfen. Noch gab es jedoch an vielen Orten Mönche; zuweilen hatten ſie Frauen genommen: hie und da hatte dieß der Abt ſelbſt gethan. 2 Neue Aebte und Aebtiſſinnen durften je- doch nicht mehr gewählt werden: höchſtens Verwalterin- nen finden wir noch eintreten, wie Dorothea von Hirſch- hard in dem Fräuleinſtift Birkenfeld. Es ward eine Kam- merordnung entworfen, nach welcher der Ueberſchuß der 1 Schreiben des Urbanus Rhegius an die Augspurger 14. Juli 1535 bei Walch XVII, 2507; vgl. Schlegel II, 51. 95. 211. 2 Bericht des Cornelius Ettenius p. 498.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/488
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/488>, abgerufen am 25.11.2024.