Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Sechstes Buch. Achtes Capitel. Klöster, die noch bestanden, auf die evangelische Lehreangewiesen; man verbot ihnen, Novizen aufzunehmen. Obwohl dadurch einige neue Einkünfte vacant wurden, so war es doch sehr schwer, die ganz vernachlässigten Land- pfarren ordentlich einzurichten. Hie und da befanden sich die Kirchengüter schon in fremden Händen: die Bauern waren froh, durch den Fall des alten Klerus gewisser Lei- stungen, waren sie auch nur freiwillige gewesen, entledigt zu werden. 1 Indessen gelangte man doch zum Ziel. "Mit großer Sorge, Mühe und Arbeit," versichert My- conius, selbst einer der Visitatoren, "sey doch erreicht wor- den, daß jede Pfarre ihren Lehrer und ihr gewidmet Ein- kommen habe; jede Stadt ihre Schulen und was zur Kirche gehöre." 2 Die Visitation erstreckte sich jetzt auch über die Reussischen und Schwarzburgischen Besitzungen. Bei den Geistlichen, die man daselbst fand, zeigte sich we- niger Widersetzlichkeit als Unwissenheit und Sittenlosigkeit; man konnte sie nicht behalten, so gern sie geblieben wä- ren; fast überall traten Zöglinge der Wittenberger Schule an ihre Stelle. Diese selbst, die Metropole des Protestan- tismus, ward jetzt ein wenig besser ausgestattet. 3 Die alte Ordnung der Dinge in ihrem eignen Lande hatte sie nunmehr vollkommen gesprengt. Sie selbst stand an der Spitze der neuen Kirche. Sie hatte die Doctrin gefun- 1 Auszüge aus den Visitationsacten bei Seckendorf III, §. 25 Add. III. Die Instruction ist vom 19. Dez. 1532. 2 Bei Lommatzsch Narratio de Myconio. S. 55. 3 Die gesammten Einkünfte betrugen 2811 Gulden 11 Gro-
schen; sie wurden mit 1900 G. vermehrt. Luther hatte bis dahin 200 G. Besoldung gehabt; er bekam nunmehr 300 G. Sechstes Buch. Achtes Capitel. Klöſter, die noch beſtanden, auf die evangeliſche Lehreangewieſen; man verbot ihnen, Novizen aufzunehmen. Obwohl dadurch einige neue Einkünfte vacant wurden, ſo war es doch ſehr ſchwer, die ganz vernachläſſigten Land- pfarren ordentlich einzurichten. Hie und da befanden ſich die Kirchengüter ſchon in fremden Händen: die Bauern waren froh, durch den Fall des alten Klerus gewiſſer Lei- ſtungen, waren ſie auch nur freiwillige geweſen, entledigt zu werden. 1 Indeſſen gelangte man doch zum Ziel. „Mit großer Sorge, Mühe und Arbeit,“ verſichert My- conius, ſelbſt einer der Viſitatoren, „ſey doch erreicht wor- den, daß jede Pfarre ihren Lehrer und ihr gewidmet Ein- kommen habe; jede Stadt ihre Schulen und was zur Kirche gehöre.“ 2 Die Viſitation erſtreckte ſich jetzt auch über die Reuſſiſchen und Schwarzburgiſchen Beſitzungen. Bei den Geiſtlichen, die man daſelbſt fand, zeigte ſich we- niger Widerſetzlichkeit als Unwiſſenheit und Sittenloſigkeit; man konnte ſie nicht behalten, ſo gern ſie geblieben wä- ren; faſt überall traten Zöglinge der Wittenberger Schule an ihre Stelle. Dieſe ſelbſt, die Metropole des Proteſtan- tismus, ward jetzt ein wenig beſſer ausgeſtattet. 3 Die alte Ordnung der Dinge in ihrem eignen Lande hatte ſie nunmehr vollkommen geſprengt. Sie ſelbſt ſtand an der Spitze der neuen Kirche. Sie hatte die Doctrin gefun- 1 Auszuͤge aus den Viſitationsacten bei Seckendorf III, §. 25 Add. III. Die Inſtruction iſt vom 19. Dez. 1532. 2 Bei Lommatzſch Narratio de Myconio. S. 55. 3 Die geſammten Einkuͤnfte betrugen 2811 Gulden 11 Gro-
ſchen; ſie wurden mit 1900 G. vermehrt. Luther hatte bis dahin 200 G. Beſoldung gehabt; er bekam nunmehr 300 G. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0486" n="470"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Achtes Capitel</hi>.</fw><lb/> Klöſter, die noch beſtanden, auf die evangeliſche Lehre<lb/> angewieſen; man verbot ihnen, Novizen aufzunehmen.<lb/> Obwohl dadurch einige neue Einkünfte vacant wurden, ſo<lb/> war es doch ſehr ſchwer, die ganz vernachläſſigten Land-<lb/> pfarren ordentlich einzurichten. Hie und da befanden ſich<lb/> die Kirchengüter ſchon in fremden Händen: die Bauern<lb/> waren froh, durch den Fall des alten Klerus gewiſſer Lei-<lb/> ſtungen, waren ſie auch nur freiwillige geweſen, entledigt<lb/> zu werden. <note place="foot" n="1">Auszuͤge aus den Viſitationsacten bei Seckendorf <hi rendition="#aq">III, §. 25<lb/> Add. III.</hi> Die Inſtruction iſt vom 19. Dez. 1532.</note> Indeſſen gelangte man doch zum Ziel.<lb/> „Mit großer Sorge, Mühe und Arbeit,“ verſichert My-<lb/> conius, ſelbſt einer der Viſitatoren, „ſey doch erreicht wor-<lb/> den, daß jede Pfarre ihren Lehrer und ihr gewidmet Ein-<lb/> kommen habe; jede Stadt ihre Schulen und was zur<lb/> Kirche gehöre.“ <note place="foot" n="2">Bei Lommatzſch <hi rendition="#aq">Narratio de Myconio.</hi> S. 55.</note> Die Viſitation erſtreckte ſich jetzt auch<lb/> über die Reuſſiſchen und Schwarzburgiſchen Beſitzungen.<lb/> Bei den Geiſtlichen, die man daſelbſt fand, zeigte ſich we-<lb/> niger Widerſetzlichkeit als Unwiſſenheit und Sittenloſigkeit;<lb/> man konnte ſie nicht behalten, ſo gern ſie geblieben wä-<lb/> ren; faſt überall traten Zöglinge der Wittenberger Schule<lb/> an ihre Stelle. Dieſe ſelbſt, die Metropole des Proteſtan-<lb/> tismus, ward jetzt ein wenig beſſer ausgeſtattet. <note place="foot" n="3">Die geſammten Einkuͤnfte betrugen 2811 Gulden 11 Gro-<lb/> ſchen; ſie wurden mit 1900 G. vermehrt. Luther hatte bis dahin<lb/> 200 G. Beſoldung gehabt; er bekam nunmehr 300 G.</note> Die<lb/> alte Ordnung der Dinge in ihrem eignen Lande hatte ſie<lb/> nunmehr vollkommen geſprengt. Sie ſelbſt ſtand an der<lb/> Spitze der neuen Kirche. Sie hatte die Doctrin gefun-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [470/0486]
Sechstes Buch. Achtes Capitel.
Klöſter, die noch beſtanden, auf die evangeliſche Lehre
angewieſen; man verbot ihnen, Novizen aufzunehmen.
Obwohl dadurch einige neue Einkünfte vacant wurden, ſo
war es doch ſehr ſchwer, die ganz vernachläſſigten Land-
pfarren ordentlich einzurichten. Hie und da befanden ſich
die Kirchengüter ſchon in fremden Händen: die Bauern
waren froh, durch den Fall des alten Klerus gewiſſer Lei-
ſtungen, waren ſie auch nur freiwillige geweſen, entledigt
zu werden. 1 Indeſſen gelangte man doch zum Ziel.
„Mit großer Sorge, Mühe und Arbeit,“ verſichert My-
conius, ſelbſt einer der Viſitatoren, „ſey doch erreicht wor-
den, daß jede Pfarre ihren Lehrer und ihr gewidmet Ein-
kommen habe; jede Stadt ihre Schulen und was zur
Kirche gehöre.“ 2 Die Viſitation erſtreckte ſich jetzt auch
über die Reuſſiſchen und Schwarzburgiſchen Beſitzungen.
Bei den Geiſtlichen, die man daſelbſt fand, zeigte ſich we-
niger Widerſetzlichkeit als Unwiſſenheit und Sittenloſigkeit;
man konnte ſie nicht behalten, ſo gern ſie geblieben wä-
ren; faſt überall traten Zöglinge der Wittenberger Schule
an ihre Stelle. Dieſe ſelbſt, die Metropole des Proteſtan-
tismus, ward jetzt ein wenig beſſer ausgeſtattet. 3 Die
alte Ordnung der Dinge in ihrem eignen Lande hatte ſie
nunmehr vollkommen geſprengt. Sie ſelbſt ſtand an der
Spitze der neuen Kirche. Sie hatte die Doctrin gefun-
1 Auszuͤge aus den Viſitationsacten bei Seckendorf III, §. 25
Add. III. Die Inſtruction iſt vom 19. Dez. 1532.
2 Bei Lommatzſch Narratio de Myconio. S. 55.
3 Die geſammten Einkuͤnfte betrugen 2811 Gulden 11 Gro-
ſchen; ſie wurden mit 1900 G. vermehrt. Luther hatte bis dahin
200 G. Beſoldung gehabt; er bekam nunmehr 300 G.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |