Churfürstentag nach Gelnhausen anberaumt worden. Bei jener Reise war es ohne Zweifel Philipps vornehmste Sorge, Trier und Pfalz hierüber zu beruhigen. Statt an einen Krieg der Wahl halber zu denken, legte man jetzt vielmehr den Grund zur Beilegung dieser Sache. Baiern versprach, wenn nur Wirtemberg wieder in die Hände des angestammten Hauses komme, die Wahl nicht weiter anfechten zu wollen: hierauf versprachen Brandenburg, Cöln und Pfalz, dem Landgrafen in seinem Unternehmen nicht entgegen zu seyn. Trier verstand sich sogar zu einer Hülfszahlung. 1
Wie sah sich König Ferdinand plötzlich so ganz isolirt!
Der Kaiser war entfernt, der König von Frankreich feindselig, der Papst, wie sich bald noch näher auswies, höchst zweifelhaft. Die alte Feindseligkeit, welche den schwä- bischen Bund zusammengehalten, war verloschen; Herzog Ulrich bestätigte feierlich die Versicherungen des Landgrafen, daß die Städte nichts von ihm zu fürchten haben wür- den. Weder die Wahlverpflichtungen der Churfürsten noch die religiösen Differenzen wollten jetzt zu seinen Gunsten wirken. Die Geistlichen waren so gut gegen ihn wie die Weltlichen. 2
Denn daß ein altes deutsches Fürstenhaus seines Erb- theils so ganz und gar verlustig gehn sollte, konnte doch von keinem andern Fürsten gebilligt werden.
Die Wittenberger Theologen, die eignen Unterthanen
1 Schreiben Philipps bei Stumpf Anh. nr. 14. Vgl. ein anderes seiner Schreiben an Dr. Eck, dessen Stumpf im Text p. 153 gedenkt.
2 Wolfgang Brandner hatte schon im Juli 1533 die Sache dem König ziemlich richtig dargestellt. Bucholz IX, 76.
Deutſche Politik.
Churfürſtentag nach Gelnhauſen anberaumt worden. Bei jener Reiſe war es ohne Zweifel Philipps vornehmſte Sorge, Trier und Pfalz hierüber zu beruhigen. Statt an einen Krieg der Wahl halber zu denken, legte man jetzt vielmehr den Grund zur Beilegung dieſer Sache. Baiern verſprach, wenn nur Wirtemberg wieder in die Hände des angeſtammten Hauſes komme, die Wahl nicht weiter anfechten zu wollen: hierauf verſprachen Brandenburg, Cöln und Pfalz, dem Landgrafen in ſeinem Unternehmen nicht entgegen zu ſeyn. Trier verſtand ſich ſogar zu einer Hülfszahlung. 1
Wie ſah ſich König Ferdinand plötzlich ſo ganz iſolirt!
Der Kaiſer war entfernt, der König von Frankreich feindſelig, der Papſt, wie ſich bald noch näher auswies, höchſt zweifelhaft. Die alte Feindſeligkeit, welche den ſchwä- biſchen Bund zuſammengehalten, war verloſchen; Herzog Ulrich beſtätigte feierlich die Verſicherungen des Landgrafen, daß die Städte nichts von ihm zu fürchten haben wür- den. Weder die Wahlverpflichtungen der Churfürſten noch die religiöſen Differenzen wollten jetzt zu ſeinen Gunſten wirken. Die Geiſtlichen waren ſo gut gegen ihn wie die Weltlichen. 2
Denn daß ein altes deutſches Fürſtenhaus ſeines Erb- theils ſo ganz und gar verluſtig gehn ſollte, konnte doch von keinem andern Fürſten gebilligt werden.
Die Wittenberger Theologen, die eignen Unterthanen
1 Schreiben Philipps bei Stumpf Anh. nr. 14. Vgl. ein anderes ſeiner Schreiben an Dr. Eck, deſſen Stumpf im Text p. 153 gedenkt.
2 Wolfgang Brandner hatte ſchon im Juli 1533 die Sache dem Koͤnig ziemlich richtig dargeſtellt. Bucholz IX, 76.
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Deutſche Politik.
Churfürſtentag nach Gelnhauſen anberaumt worden. Bei
jener Reiſe war es ohne Zweifel Philipps vornehmſte
Sorge, Trier und Pfalz hierüber zu beruhigen. Statt an
einen Krieg der Wahl halber zu denken, legte man jetzt
vielmehr den Grund zur Beilegung dieſer Sache. Baiern
verſprach, wenn nur Wirtemberg wieder in die Hände
des angeſtammten Hauſes komme, die Wahl nicht weiter
anfechten zu wollen: hierauf verſprachen Brandenburg,
Cöln und Pfalz, dem Landgrafen in ſeinem Unternehmen
nicht entgegen zu ſeyn. Trier verſtand ſich ſogar zu einer
Hülfszahlung. 1
Wie ſah ſich König Ferdinand plötzlich ſo ganz iſolirt!
Der Kaiſer war entfernt, der König von Frankreich
feindſelig, der Papſt, wie ſich bald noch näher auswies,
höchſt zweifelhaft. Die alte Feindſeligkeit, welche den ſchwä-
biſchen Bund zuſammengehalten, war verloſchen; Herzog
Ulrich beſtätigte feierlich die Verſicherungen des Landgrafen,
daß die Städte nichts von ihm zu fürchten haben wür-
den. Weder die Wahlverpflichtungen der Churfürſten noch
die religiöſen Differenzen wollten jetzt zu ſeinen Gunſten
wirken. Die Geiſtlichen waren ſo gut gegen ihn wie die
Weltlichen. 2
Denn daß ein altes deutſches Fürſtenhaus ſeines Erb-
theils ſo ganz und gar verluſtig gehn ſollte, konnte doch
von keinem andern Fürſten gebilligt werden.
Die Wittenberger Theologen, die eignen Unterthanen
1 Schreiben Philipps bei Stumpf Anh. nr. 14. Vgl. ein
anderes ſeiner Schreiben an Dr. Eck, deſſen Stumpf im Text p. 153
gedenkt.
2 Wolfgang Brandner hatte ſchon im Juli 1533 die Sache
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/473>, abgerufen am 16.02.2025.
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