Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Sechstes Buch. Sechstes Capitel. richts, sein eigenmächtiges Verfahren gegen Würtemberg,Maastricht, das er wirklich wieder von Brabant trennen, und in seine Libertäten herstellen mußte, so wie gegen Utrecht. 1 Er durfte nicht allein jene Versicherung zu Gun- sten der Protestanten nicht publiciren, sondern in offenem Widerspruch mit derselben war er genöthigt, die Beschlüsse zu bestätigen, die bei der so eben beendigten Visitation des Kammergerichts gefaßt worden waren, worin die Ausfüh- rung des Augsburger Abschieds neuerdings geboten ward. Ja schon ließ man in der Ferne eine Möglichkeit der Ver- einigung der beiden Religionsparteien gegen ihn erscheinen. Wenn man in dem Reichsabschied liest, daß die Stände leb- haft auf das Concilium gedrungen, so macht das einen so großen Eindruck nicht. Erwägt man aber die Worte näher und kennt man ihren Ursprung, so hatte das eine große Be- deutung. Schon im Sommer 1531 nemlich hatte sich Baiern und Hessen hiezu vereinigt; auf einer Zusammenkunft, welche Landgraf Philipp mit Dr. Leonhard von Eck zu Gießen hielt, war beschlossen worden, wenn der Papst das Concilium noch länger verzögere den Kaiser anzugehn, es aus eigner Macht zu berufen: würde es aber auch der Kaiser aus einem oder dem andern Grunde unterlassen, so solle eine Ständever- sammlung berufen werden, um sowohl von der Einigkeit in der Religion als von der Abstellung anderer Gebrechen 1 Schreiben von Fürstenberg 8. Juli. Auf einen Vorwurf
dieser Art antwortete der Kaiser, die Erinnerung sey ganz "onzeitig und onbesonnen, und wie J. Mt. achten möge nit mit Fürwissen al- ler Stende beschehen, alles mit spitzigen und scharpfen Worten." Fürstenberg findet die Vorwürfe sehr wahr, doch hat er kein Gefal- len daran, weil man den Kaiser leicht erzürnen könne, der doch Weib und Kind verlassen habe, um die Reichsgeschäfte zu verwalten. Sechstes Buch. Sechstes Capitel. richts, ſein eigenmächtiges Verfahren gegen Würtemberg,Maaſtricht, das er wirklich wieder von Brabant trennen, und in ſeine Libertäten herſtellen mußte, ſo wie gegen Utrecht. 1 Er durfte nicht allein jene Verſicherung zu Gun- ſten der Proteſtanten nicht publiciren, ſondern in offenem Widerſpruch mit derſelben war er genöthigt, die Beſchlüſſe zu beſtätigen, die bei der ſo eben beendigten Viſitation des Kammergerichts gefaßt worden waren, worin die Ausfüh- rung des Augsburger Abſchieds neuerdings geboten ward. Ja ſchon ließ man in der Ferne eine Möglichkeit der Ver- einigung der beiden Religionsparteien gegen ihn erſcheinen. Wenn man in dem Reichsabſchied lieſt, daß die Stände leb- haft auf das Concilium gedrungen, ſo macht das einen ſo großen Eindruck nicht. Erwägt man aber die Worte näher und kennt man ihren Urſprung, ſo hatte das eine große Be- deutung. Schon im Sommer 1531 nemlich hatte ſich Baiern und Heſſen hiezu vereinigt; auf einer Zuſammenkunft, welche Landgraf Philipp mit Dr. Leonhard von Eck zu Gießen hielt, war beſchloſſen worden, wenn der Papſt das Concilium noch länger verzögere den Kaiſer anzugehn, es aus eigner Macht zu berufen: würde es aber auch der Kaiſer aus einem oder dem andern Grunde unterlaſſen, ſo ſolle eine Ständever- ſammlung berufen werden, um ſowohl von der Einigkeit in der Religion als von der Abſtellung anderer Gebrechen 1 Schreiben von Fuͤrſtenberg 8. Juli. Auf einen Vorwurf
dieſer Art antwortete der Kaiſer, die Erinnerung ſey ganz „onzeitig und onbeſonnen, und wie J. Mt. achten moͤge nit mit Fuͤrwiſſen al- ler Stende beſchehen, alles mit ſpitzigen und ſcharpfen Worten.“ Fuͤrſtenberg findet die Vorwuͤrfe ſehr wahr, doch hat er kein Gefal- len daran, weil man den Kaiſer leicht erzuͤrnen koͤnne, der doch Weib und Kind verlaſſen habe, um die Reichsgeſchaͤfte zu verwalten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0438" n="422"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechstes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/> richts, ſein eigenmächtiges Verfahren gegen Würtemberg,<lb/> Maaſtricht, das er wirklich wieder von Brabant trennen,<lb/> und in ſeine Libertäten herſtellen mußte, ſo wie gegen<lb/> Utrecht. <note place="foot" n="1">Schreiben von Fuͤrſtenberg 8. Juli. Auf einen Vorwurf<lb/> dieſer Art antwortete der Kaiſer, die Erinnerung ſey ganz „onzeitig<lb/> und onbeſonnen, und wie J. Mt. achten moͤge nit mit Fuͤrwiſſen al-<lb/> ler Stende beſchehen, alles mit ſpitzigen und ſcharpfen Worten.“<lb/> Fuͤrſtenberg findet die Vorwuͤrfe ſehr wahr, doch hat er kein Gefal-<lb/> len daran, weil man den Kaiſer leicht erzuͤrnen koͤnne, der doch Weib<lb/> und Kind verlaſſen habe, um die Reichsgeſchaͤfte zu verwalten.</note> Er durfte nicht allein jene Verſicherung zu Gun-<lb/> ſten der Proteſtanten nicht publiciren, ſondern in offenem<lb/> Widerſpruch mit derſelben war er genöthigt, die Beſchlüſſe<lb/> zu beſtätigen, die bei der ſo eben beendigten Viſitation des<lb/> Kammergerichts gefaßt worden waren, worin die Ausfüh-<lb/> rung des Augsburger Abſchieds neuerdings geboten ward.<lb/> Ja ſchon ließ man in der Ferne eine Möglichkeit der Ver-<lb/> einigung der beiden Religionsparteien <choice><sic>gegeu</sic><corr>gegen</corr></choice> ihn erſcheinen.<lb/> Wenn man in dem Reichsabſchied lieſt, daß die Stände leb-<lb/> haft auf das Concilium gedrungen, ſo macht das einen ſo<lb/> großen Eindruck nicht. Erwägt man aber die Worte näher<lb/> und kennt man ihren Urſprung, ſo hatte das eine große Be-<lb/> deutung. Schon im Sommer 1531 nemlich hatte ſich Baiern<lb/> und Heſſen hiezu vereinigt; auf einer Zuſammenkunft, welche<lb/> Landgraf Philipp mit Dr. Leonhard von Eck zu Gießen hielt,<lb/> war beſchloſſen worden, wenn der Papſt das Concilium noch<lb/> länger verzögere den Kaiſer anzugehn, es aus eigner Macht<lb/> zu berufen: würde es aber auch der Kaiſer aus einem oder<lb/> dem andern Grunde unterlaſſen, ſo ſolle eine Ständever-<lb/> ſammlung berufen werden, um ſowohl von der Einigkeit<lb/> in der Religion als von der Abſtellung anderer Gebrechen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [422/0438]
Sechstes Buch. Sechstes Capitel.
richts, ſein eigenmächtiges Verfahren gegen Würtemberg,
Maaſtricht, das er wirklich wieder von Brabant trennen,
und in ſeine Libertäten herſtellen mußte, ſo wie gegen
Utrecht. 1 Er durfte nicht allein jene Verſicherung zu Gun-
ſten der Proteſtanten nicht publiciren, ſondern in offenem
Widerſpruch mit derſelben war er genöthigt, die Beſchlüſſe
zu beſtätigen, die bei der ſo eben beendigten Viſitation des
Kammergerichts gefaßt worden waren, worin die Ausfüh-
rung des Augsburger Abſchieds neuerdings geboten ward.
Ja ſchon ließ man in der Ferne eine Möglichkeit der Ver-
einigung der beiden Religionsparteien gegen ihn erſcheinen.
Wenn man in dem Reichsabſchied lieſt, daß die Stände leb-
haft auf das Concilium gedrungen, ſo macht das einen ſo
großen Eindruck nicht. Erwägt man aber die Worte näher
und kennt man ihren Urſprung, ſo hatte das eine große Be-
deutung. Schon im Sommer 1531 nemlich hatte ſich Baiern
und Heſſen hiezu vereinigt; auf einer Zuſammenkunft, welche
Landgraf Philipp mit Dr. Leonhard von Eck zu Gießen hielt,
war beſchloſſen worden, wenn der Papſt das Concilium noch
länger verzögere den Kaiſer anzugehn, es aus eigner Macht
zu berufen: würde es aber auch der Kaiſer aus einem oder
dem andern Grunde unterlaſſen, ſo ſolle eine Ständever-
ſammlung berufen werden, um ſowohl von der Einigkeit
in der Religion als von der Abſtellung anderer Gebrechen
1 Schreiben von Fuͤrſtenberg 8. Juli. Auf einen Vorwurf
dieſer Art antwortete der Kaiſer, die Erinnerung ſey ganz „onzeitig
und onbeſonnen, und wie J. Mt. achten moͤge nit mit Fuͤrwiſſen al-
ler Stende beſchehen, alles mit ſpitzigen und ſcharpfen Worten.“
Fuͤrſtenberg findet die Vorwuͤrfe ſehr wahr, doch hat er kein Gefal-
len daran, weil man den Kaiſer leicht erzuͤrnen koͤnne, der doch Weib
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