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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Treffen am Zuger Berg.
Thal her, anzugreifen, und zu dem Ende den Berg besetzte,
that man das doch mit so wenig Gewandtheit und Vorsicht,
daß der Feind, den man hatte überraschen wollen, selber
Gelegenheit bekam, einen Ueberfall auf die Heeresabtheilung
am Berg auszuführen 1 und ihr einen nicht geringen Verlust
beizubringen. Die Städte fühlten trotz ihrer Uebermacht
hierauf nicht mehr den Muth, dem tapfern und siegreichen
Feind ernstlich zu Leibe zu gehn. Sie dachten nur noch
ihn durch ein Winterlager, das sie um ihn her ziehen
wollten, allmählig zu ermüden.

Wie waren da die kühnen Plane, die Zwingli einst
gehegt, so völlig gescheitert! Wir sehen wohl, daß das
politisch-religiöse Prinzip, das er repräsentirte und verthei-
digte, doch auch in Zürich nicht so stark war, wie er ge-
wünscht hatte, noch viel weniger aber in Bern. Es ver-
mochte die nun einmal vorhandenen Elemente nicht ganz zu
beleben, zu durchdringen. In den entscheidenden Momenten
wurden falsche Maaßregeln ergriffen, deren Grund immer
der Mangel an Eintracht und großartiger Energie war, die
allein zum Ziele hätten führen können.

Hatte man aber bei dem Beginn dieser Bewegungen
katholischer Seits Unfälle gefürchtet, so machte eine so un-
erwartete glückliche Wendung derselben auch die größten
Hoffnungen rege.

Mit unverhehltem Jubel gab Ferdinand seinem Bru-
der von dem Tode des großen Ketzers Zwingli und der

1 "Das was ungfar um die zwei nach Mitternacht Morgens
Zinstag den 24. Octobris." "Maria, die Mutter Gottes war dero
Nacht ihr Kriegszeichen." Kurzer Bericht.

Treffen am Zuger Berg.
Thal her, anzugreifen, und zu dem Ende den Berg beſetzte,
that man das doch mit ſo wenig Gewandtheit und Vorſicht,
daß der Feind, den man hatte überraſchen wollen, ſelber
Gelegenheit bekam, einen Ueberfall auf die Heeresabtheilung
am Berg auszuführen 1 und ihr einen nicht geringen Verluſt
beizubringen. Die Städte fühlten trotz ihrer Uebermacht
hierauf nicht mehr den Muth, dem tapfern und ſiegreichen
Feind ernſtlich zu Leibe zu gehn. Sie dachten nur noch
ihn durch ein Winterlager, das ſie um ihn her ziehen
wollten, allmählig zu ermüden.

Wie waren da die kühnen Plane, die Zwingli einſt
gehegt, ſo völlig geſcheitert! Wir ſehen wohl, daß das
politiſch-religiöſe Prinzip, das er repräſentirte und verthei-
digte, doch auch in Zürich nicht ſo ſtark war, wie er ge-
wünſcht hatte, noch viel weniger aber in Bern. Es ver-
mochte die nun einmal vorhandenen Elemente nicht ganz zu
beleben, zu durchdringen. In den entſcheidenden Momenten
wurden falſche Maaßregeln ergriffen, deren Grund immer
der Mangel an Eintracht und großartiger Energie war, die
allein zum Ziele hätten führen können.

Hatte man aber bei dem Beginn dieſer Bewegungen
katholiſcher Seits Unfälle gefürchtet, ſo machte eine ſo un-
erwartete glückliche Wendung derſelben auch die größten
Hoffnungen rege.

Mit unverhehltem Jubel gab Ferdinand ſeinem Bru-
der von dem Tode des großen Ketzers Zwingli und der

1 „Das was ungfar um die zwei nach Mitternacht Morgens
Zinſtag den 24. Octobris.“ „Maria, die Mutter Gottes war dero
Nacht ihr Kriegszeichen.“ Kurzer Bericht.
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[367/0383] Treffen am Zuger Berg. Thal her, anzugreifen, und zu dem Ende den Berg beſetzte, that man das doch mit ſo wenig Gewandtheit und Vorſicht, daß der Feind, den man hatte überraſchen wollen, ſelber Gelegenheit bekam, einen Ueberfall auf die Heeresabtheilung am Berg auszuführen 1 und ihr einen nicht geringen Verluſt beizubringen. Die Städte fühlten trotz ihrer Uebermacht hierauf nicht mehr den Muth, dem tapfern und ſiegreichen Feind ernſtlich zu Leibe zu gehn. Sie dachten nur noch ihn durch ein Winterlager, das ſie um ihn her ziehen wollten, allmählig zu ermüden. Wie waren da die kühnen Plane, die Zwingli einſt gehegt, ſo völlig geſcheitert! Wir ſehen wohl, daß das politiſch-religiöſe Prinzip, das er repräſentirte und verthei- digte, doch auch in Zürich nicht ſo ſtark war, wie er ge- wünſcht hatte, noch viel weniger aber in Bern. Es ver- mochte die nun einmal vorhandenen Elemente nicht ganz zu beleben, zu durchdringen. In den entſcheidenden Momenten wurden falſche Maaßregeln ergriffen, deren Grund immer der Mangel an Eintracht und großartiger Energie war, die allein zum Ziele hätten führen können. Hatte man aber bei dem Beginn dieſer Bewegungen katholiſcher Seits Unfälle gefürchtet, ſo machte eine ſo un- erwartete glückliche Wendung derſelben auch die größten Hoffnungen rege. Mit unverhehltem Jubel gab Ferdinand ſeinem Bru- der von dem Tode des großen Ketzers Zwingli und der 1 „Das was ungfar um die zwei nach Mitternacht Morgens Zinſtag den 24. Octobris.“ „Maria, die Mutter Gottes war dero Nacht ihr Kriegszeichen.“ Kurzer Bericht.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/383>, abgerufen am 24.11.2024.