Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Spaltung der Städte.

Vier andere Städte, Strasburg, Memmingen, Con-
stanz und Lindau, die sich bisher zu der schweizerischen Auf-
fassung des Abendmahls gehalten, hatten ihre eigene Con-
fession eingegeben, die sogenannte Tetrapolitana, auf de-
ren für die innere Geschichte des Protestantismus höchst
merkwürdigen Inhalt wir später zurückkommen werden;
auch ihnen ließ der Kaiser eine katholische Widerlegung
vorlesen; natürlich ohne alle Frucht. Strasburg zeigte so
viel Muth, wie Nürnberg und andere Städte. Wäre
zwischen Lutheranern und Katholiken die beabsichtigte Ver-
söhnung zu Stande gekommen, so würden die vier Städte
wohl in nicht geringe Bedrängniß gerathen seyn. Wie
aber die Sachen in Augsburg gegangen waren, hatten sie
weniger zu fürchten, als im Anfang, und um so weniger
gaben sie einer Einschüchterung Gehör.

Es waren nur die übrigen Städte, denen der Kaiser
am 24. September vorstellen ließ, wie so ganz mit Unrecht
Sachsen und seine Mitverwandten einen im Grunde zu ih-
ren Gunsten verfaßten Abschied ausgeschlagen, ohne Zweifel
hauptsächlich deshalb, weil sie darin zur Restitution der Klo-
stergüter angehalten worden: allein er sey entschlossen, diese
Sache zu Ende zu bringen. Wie die andern Stände Leib
1

1 Fürstenberg 5. Juli meldet noch folgendes: "Es haben die
von Strasburg vergangener Tag uns und etlich mehr von Städten
bei sich erfordert, und die Bekanntniß irer Lere und Predig so sie
der Keys. Mt. zu übergeben willens zuvor anhoren lassen, ob sich
jemand villeicht mit inen unterschreiben wolt. Wie wol nun dieselbig
fast wol gestellt und etwas subtiler und zugtiger dan der Fursten ge-
west, so haben wir doch diweyl bis anher bei uns des Sacraments
halber ire Opinion nit gepredigt, das underschreyben abgeschlagen;
dergleichen haben auch andere gethan, uß ursachen von jeglichen in-
sonderheit furgewandt."
Ranke d. Gesch. III. 19
Spaltung der Staͤdte.

Vier andere Städte, Strasburg, Memmingen, Con-
ſtanz und Lindau, die ſich bisher zu der ſchweizeriſchen Auf-
faſſung des Abendmahls gehalten, hatten ihre eigene Con-
feſſion eingegeben, die ſogenannte Tetrapolitana, auf de-
ren für die innere Geſchichte des Proteſtantismus höchſt
merkwürdigen Inhalt wir ſpäter zurückkommen werden;
auch ihnen ließ der Kaiſer eine katholiſche Widerlegung
vorleſen; natürlich ohne alle Frucht. Strasburg zeigte ſo
viel Muth, wie Nürnberg und andere Städte. Wäre
zwiſchen Lutheranern und Katholiken die beabſichtigte Ver-
ſöhnung zu Stande gekommen, ſo würden die vier Städte
wohl in nicht geringe Bedrängniß gerathen ſeyn. Wie
aber die Sachen in Augsburg gegangen waren, hatten ſie
weniger zu fürchten, als im Anfang, und um ſo weniger
gaben ſie einer Einſchüchterung Gehör.

Es waren nur die übrigen Städte, denen der Kaiſer
am 24. September vorſtellen ließ, wie ſo ganz mit Unrecht
Sachſen und ſeine Mitverwandten einen im Grunde zu ih-
ren Gunſten verfaßten Abſchied ausgeſchlagen, ohne Zweifel
hauptſächlich deshalb, weil ſie darin zur Reſtitution der Klo-
ſtergüter angehalten worden: allein er ſey entſchloſſen, dieſe
Sache zu Ende zu bringen. Wie die andern Stände Leib
1

1 Fuͤrſtenberg 5. Juli meldet noch folgendes: „Es haben die
von Strasburg vergangener Tag uns und etlich mehr von Staͤdten
bei ſich erfordert, und die Bekanntniß irer Lere und Predig ſo ſie
der Keyſ. Mt. zu uͤbergeben willens zuvor anhoren laſſen, ob ſich
jemand villeicht mit inen unterſchreiben wolt. Wie wol nun dieſelbig
faſt wol geſtellt und etwas ſubtiler und zugtiger dan der Furſten ge-
weſt, ſo haben wir doch diweyl bis anher bei uns des Sacraments
halber ire Opinion nit gepredigt, das underſchreyben abgeſchlagen;
dergleichen haben auch andere gethan, uß urſachen von jeglichen in-
ſonderheit furgewandt.“
Ranke d. Geſch. III. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0305" n="289"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Spaltung der Sta&#x0364;dte</hi>.</fw><lb/>
            <p>Vier andere Städte, Strasburg, Memmingen, Con-<lb/>
&#x017F;tanz und Lindau, die &#x017F;ich bisher zu der &#x017F;chweizeri&#x017F;chen Auf-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung des Abendmahls gehalten, hatten ihre eigene Con-<lb/>
fe&#x017F;&#x017F;ion eingegeben, die &#x017F;ogenannte Tetrapolitana, auf de-<lb/>
ren für die innere Ge&#x017F;chichte des Prote&#x017F;tantismus höch&#x017F;t<lb/>
merkwürdigen Inhalt wir &#x017F;päter zurückkommen werden;<lb/>
auch ihnen ließ der Kai&#x017F;er eine katholi&#x017F;che Widerlegung<lb/>
vorle&#x017F;en; natürlich ohne alle Frucht. Strasburg zeigte &#x017F;o<lb/>
viel Muth, wie Nürnberg und andere Städte. Wäre<lb/>
zwi&#x017F;chen Lutheranern und Katholiken die beab&#x017F;ichtigte Ver-<lb/>
&#x017F;öhnung zu Stande gekommen, &#x017F;o würden die vier Städte<lb/>
wohl in nicht geringe Bedrängniß gerathen &#x017F;eyn. Wie<lb/>
aber die Sachen in Augsburg gegangen waren, hatten &#x017F;ie<lb/>
weniger zu fürchten, als im Anfang, und um &#x017F;o weniger<lb/>
gaben &#x017F;ie einer Ein&#x017F;chüchterung Gehör.</p><lb/>
            <p>Es waren nur die übrigen Städte, denen der Kai&#x017F;er<lb/>
am 24. September vor&#x017F;tellen ließ, wie &#x017F;o ganz mit Unrecht<lb/>
Sach&#x017F;en und &#x017F;eine Mitverwandten einen im Grunde zu ih-<lb/>
ren Gun&#x017F;ten verfaßten Ab&#x017F;chied ausge&#x017F;chlagen, ohne Zweifel<lb/>
haupt&#x017F;ächlich deshalb, weil &#x017F;ie darin zur Re&#x017F;titution der Klo-<lb/>
&#x017F;tergüter angehalten worden: allein er &#x017F;ey ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, die&#x017F;e<lb/>
Sache zu Ende zu bringen. Wie die andern Stände Leib<lb/><note place="foot" n="1">Fu&#x0364;r&#x017F;tenberg 5. Juli meldet noch folgendes: &#x201E;Es haben die<lb/>
von Strasburg vergangener Tag uns und etlich mehr von Sta&#x0364;dten<lb/>
bei &#x017F;ich erfordert, und die Bekanntniß irer Lere und Predig &#x017F;o &#x017F;ie<lb/>
der Key&#x017F;. Mt. zu u&#x0364;bergeben willens zuvor anhoren la&#x017F;&#x017F;en, ob &#x017F;ich<lb/>
jemand villeicht mit inen unter&#x017F;chreiben wolt. Wie wol nun die&#x017F;elbig<lb/>
fa&#x017F;t wol ge&#x017F;tellt und etwas &#x017F;ubtiler und zugtiger dan der Fur&#x017F;ten ge-<lb/>
we&#x017F;t, &#x017F;o haben wir doch diweyl bis anher bei uns des Sacraments<lb/>
halber ire Opinion nit gepredigt, das under&#x017F;chreyben abge&#x017F;chlagen;<lb/>
dergleichen haben auch andere gethan, uß ur&#x017F;achen von jeglichen in-<lb/>
&#x017F;onderheit furgewandt.&#x201C;</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Ranke d. Ge&#x017F;ch. <hi rendition="#aq">III.</hi> 19</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[289/0305] Spaltung der Staͤdte. Vier andere Städte, Strasburg, Memmingen, Con- ſtanz und Lindau, die ſich bisher zu der ſchweizeriſchen Auf- faſſung des Abendmahls gehalten, hatten ihre eigene Con- feſſion eingegeben, die ſogenannte Tetrapolitana, auf de- ren für die innere Geſchichte des Proteſtantismus höchſt merkwürdigen Inhalt wir ſpäter zurückkommen werden; auch ihnen ließ der Kaiſer eine katholiſche Widerlegung vorleſen; natürlich ohne alle Frucht. Strasburg zeigte ſo viel Muth, wie Nürnberg und andere Städte. Wäre zwiſchen Lutheranern und Katholiken die beabſichtigte Ver- ſöhnung zu Stande gekommen, ſo würden die vier Städte wohl in nicht geringe Bedrängniß gerathen ſeyn. Wie aber die Sachen in Augsburg gegangen waren, hatten ſie weniger zu fürchten, als im Anfang, und um ſo weniger gaben ſie einer Einſchüchterung Gehör. Es waren nur die übrigen Städte, denen der Kaiſer am 24. September vorſtellen ließ, wie ſo ganz mit Unrecht Sachſen und ſeine Mitverwandten einen im Grunde zu ih- ren Gunſten verfaßten Abſchied ausgeſchlagen, ohne Zweifel hauptſächlich deshalb, weil ſie darin zur Reſtitution der Klo- ſtergüter angehalten worden: allein er ſey entſchloſſen, dieſe Sache zu Ende zu bringen. Wie die andern Stände Leib 1 1 Fuͤrſtenberg 5. Juli meldet noch folgendes: „Es haben die von Strasburg vergangener Tag uns und etlich mehr von Staͤdten bei ſich erfordert, und die Bekanntniß irer Lere und Predig ſo ſie der Keyſ. Mt. zu uͤbergeben willens zuvor anhoren laſſen, ob ſich jemand villeicht mit inen unterſchreiben wolt. Wie wol nun dieſelbig faſt wol geſtellt und etwas ſubtiler und zugtiger dan der Furſten ge- weſt, ſo haben wir doch diweyl bis anher bei uns des Sacraments halber ire Opinion nit gepredigt, das underſchreyben abgeſchlagen; dergleichen haben auch andere gethan, uß urſachen von jeglichen in- ſonderheit furgewandt.“ Ranke d. Geſch. III. 19

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/305
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/305>, abgerufen am 17.05.2024.