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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Vermittelungsversuch.
ihn zu den Gesichtspunkten der Curie zurückzurufen. 1 Nach
seiner Lehre waren alle Ordnungen der Kirche vom heili-
gen Geist eingegeben. In diesem Sinne bearbeitete er auch
die Stände. Zuletzt forderten diese nun doch, daß auf
der protestantischen Seite bis zum Ausspruch des Conci-
liums keine verheiratheten Priester mehr angestellt werden
sollten; sie bestanden auf dem Beichtzwang; sie wollten
sich weder die Auslassung des Canons in der Messe, noch
die Abstellung der Privatmessen in den protestantischen
Ländern gefallen lassen; sie verlangten endlich, in den Pre-
digten der Protestanten solle der Genuß des Abendmahls
unter Einer Gestalt für eben so richtig erklärt werden, wie
der unter beiden.

Dieß waren aber alles Dinge, welche die bereits be-
gonnene Bildung protestantischer Organisationen so gut zer-
setzt haben würden, wie die Forderungen vom Jahre 1529.
Die kaum gewonnene Ueberzeugung wäre dadurch wieder in
ihrer Grundlage erschüttert worden. Die Protestanten waren
bereit, den Genuß des Abendmahls unter Einer Gestalt nicht
zu verdammen; aber sie konnten sich unmöglich entschließen,
ihn für gleich richtig mit dem ihren zu erklären, "da ja
Christus beiderlei Gestalt eingesetzt habe." Und wie sollten
sie vollends die Privatmesse wieder einführen, die sie als
dem Begriffe des Sacraments widersprechend, mit so gro-

1 Thom. Leodius Vita Friderici Palatini VII, 151. Ut in-
tellexit, ita rejecit.
Vgl. Melanchthon an Camerar (Corp. Ref.
II,
590.) Dahin ging auch das erste Gutachten Campeggi's. I
Santi padri,
sagt er, con la santita della vita osservantia delli
precetti divini con summa vigilantia e studio si sono sforzati a
partecipare del spirito santo, dal quale senza dubio spinti hanno
cosi santamente ordinate tutte le cose della chiesa.

Vermittelungsverſuch.
ihn zu den Geſichtspunkten der Curie zurückzurufen. 1 Nach
ſeiner Lehre waren alle Ordnungen der Kirche vom heili-
gen Geiſt eingegeben. In dieſem Sinne bearbeitete er auch
die Stände. Zuletzt forderten dieſe nun doch, daß auf
der proteſtantiſchen Seite bis zum Ausſpruch des Conci-
liums keine verheiratheten Prieſter mehr angeſtellt werden
ſollten; ſie beſtanden auf dem Beichtzwang; ſie wollten
ſich weder die Auslaſſung des Canons in der Meſſe, noch
die Abſtellung der Privatmeſſen in den proteſtantiſchen
Ländern gefallen laſſen; ſie verlangten endlich, in den Pre-
digten der Proteſtanten ſolle der Genuß des Abendmahls
unter Einer Geſtalt für eben ſo richtig erklärt werden, wie
der unter beiden.

Dieß waren aber alles Dinge, welche die bereits be-
gonnene Bildung proteſtantiſcher Organiſationen ſo gut zer-
ſetzt haben würden, wie die Forderungen vom Jahre 1529.
Die kaum gewonnene Ueberzeugung wäre dadurch wieder in
ihrer Grundlage erſchüttert worden. Die Proteſtanten waren
bereit, den Genuß des Abendmahls unter Einer Geſtalt nicht
zu verdammen; aber ſie konnten ſich unmöglich entſchließen,
ihn für gleich richtig mit dem ihren zu erklären, „da ja
Chriſtus beiderlei Geſtalt eingeſetzt habe.“ Und wie ſollten
ſie vollends die Privatmeſſe wieder einführen, die ſie als
dem Begriffe des Sacraments widerſprechend, mit ſo gro-

1 Thom. Leodius Vita Friderici Palatini VII, 151. Ut in-
tellexit, ita rejecit.
Vgl. Melanchthon an Camerar (Corp. Ref.
II,
590.) Dahin ging auch das erſte Gutachten Campeggi’s. I
Santi padri,
ſagt er, con la santità della vita osservantia delli
precetti divini con summa vigilantia e studio si sono sforzati a
partecipare del spirito santo, dal quale senza dubio spinti hanno
cosi santamente ordinate tutte le cose della chiesa.
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[279/0295] Vermittelungsverſuch. ihn zu den Geſichtspunkten der Curie zurückzurufen. 1 Nach ſeiner Lehre waren alle Ordnungen der Kirche vom heili- gen Geiſt eingegeben. In dieſem Sinne bearbeitete er auch die Stände. Zuletzt forderten dieſe nun doch, daß auf der proteſtantiſchen Seite bis zum Ausſpruch des Conci- liums keine verheiratheten Prieſter mehr angeſtellt werden ſollten; ſie beſtanden auf dem Beichtzwang; ſie wollten ſich weder die Auslaſſung des Canons in der Meſſe, noch die Abſtellung der Privatmeſſen in den proteſtantiſchen Ländern gefallen laſſen; ſie verlangten endlich, in den Pre- digten der Proteſtanten ſolle der Genuß des Abendmahls unter Einer Geſtalt für eben ſo richtig erklärt werden, wie der unter beiden. Dieß waren aber alles Dinge, welche die bereits be- gonnene Bildung proteſtantiſcher Organiſationen ſo gut zer- ſetzt haben würden, wie die Forderungen vom Jahre 1529. Die kaum gewonnene Ueberzeugung wäre dadurch wieder in ihrer Grundlage erſchüttert worden. Die Proteſtanten waren bereit, den Genuß des Abendmahls unter Einer Geſtalt nicht zu verdammen; aber ſie konnten ſich unmöglich entſchließen, ihn für gleich richtig mit dem ihren zu erklären, „da ja Chriſtus beiderlei Geſtalt eingeſetzt habe.“ Und wie ſollten ſie vollends die Privatmeſſe wieder einführen, die ſie als dem Begriffe des Sacraments widerſprechend, mit ſo gro- 1 Thom. Leodius Vita Friderici Palatini VII, 151. Ut in- tellexit, ita rejecit. Vgl. Melanchthon an Camerar (Corp. Ref. II, 590.) Dahin ging auch das erſte Gutachten Campeggi’s. I Santi padri, ſagt er, con la santità della vita osservantia delli precetti divini con summa vigilantia e studio si sono sforzati a partecipare del spirito santo, dal quale senza dubio spinti hanno cosi santamente ordinate tutte le cose della chiesa.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/295>, abgerufen am 17.05.2024.