Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.Churfürst Johann von Sachsen. zeigte er sich milder. Und wann wäre in den folgenden Jahrenein Moment eingetreten, wo eine blos beschauliche Frömmig- keit auch nur möglich gewesen wäre. Wir kennen keinen Für- sten, der sich um die Feststellung der protestantischen Kirche ein größeres Verdienst erworben hätte. Sein Bruder und Vorgänger hatte die Lehre nur nicht unterdrücken lassen, sie in seinem Lande und so viel er vermochte im Reiche in Schutz genommen. Doch gab es auf jeder Seite noch Klip- pen, an denen alles scheitern konnte, als Johann zur Re- gierung kam. Nur durch eine Politik, die von einer in je- dem Augenblicke bewußten höhern Ueberzeugung getragen war, konnten sie vermieden werden. Nach dem Bauernkriege erhoben sich die Ideen der Reaction auf das gewaltigste; so sehr sie ihm von seinem weltklugen und in den Geschäf- ten geübten Vetter empfohlen wurden, so ließ Johann sich nicht von ihnen übermeistern. Auf dem nächsten Reichstage nahm er vielmehr eine Haltung an, durch welche er jenen Ab- schied, auf dem alle weitere gesetzliche Entwickelung beruht hat, herbeiführen half. Bald darauf schien es wohl, als werde der Ungestüm seines hessischen Verbündeten auch ihn ergreifen, und ihn nach der andern Seite hin auf eine nicht mehr abzusehende Bahn politischer Verwickelungen fort- reißen, aber noch zur rechten Zeit nahm er bessern Bedacht, und kehrte in die defensive Stellung zurück, die ihm na- türlich war und die er behaupten konnte. Sein Bemü- hen ging allein dahin, der Lehre in seinem Lande Ausdruck und ein entsprechendes öffentliches Daseyn zu geben. Er führte die erste evangelische Kirchenform in Deutschland ein, die allen andern mehr oder minder zum Muster gedient hat. Churfuͤrſt Johann von Sachſen. zeigte er ſich milder. Und wann wäre in den folgenden Jahrenein Moment eingetreten, wo eine blos beſchauliche Frömmig- keit auch nur möglich geweſen wäre. Wir kennen keinen Für- ſten, der ſich um die Feſtſtellung der proteſtantiſchen Kirche ein größeres Verdienſt erworben hätte. Sein Bruder und Vorgänger hatte die Lehre nur nicht unterdrücken laſſen, ſie in ſeinem Lande und ſo viel er vermochte im Reiche in Schutz genommen. Doch gab es auf jeder Seite noch Klip- pen, an denen alles ſcheitern konnte, als Johann zur Re- gierung kam. Nur durch eine Politik, die von einer in je- dem Augenblicke bewußten höhern Ueberzeugung getragen war, konnten ſie vermieden werden. Nach dem Bauernkriege erhoben ſich die Ideen der Reaction auf das gewaltigſte; ſo ſehr ſie ihm von ſeinem weltklugen und in den Geſchäf- ten geübten Vetter empfohlen wurden, ſo ließ Johann ſich nicht von ihnen übermeiſtern. Auf dem nächſten Reichstage nahm er vielmehr eine Haltung an, durch welche er jenen Ab- ſchied, auf dem alle weitere geſetzliche Entwickelung beruht hat, herbeiführen half. Bald darauf ſchien es wohl, als werde der Ungeſtüm ſeines heſſiſchen Verbündeten auch ihn ergreifen, und ihn nach der andern Seite hin auf eine nicht mehr abzuſehende Bahn politiſcher Verwickelungen fort- reißen, aber noch zur rechten Zeit nahm er beſſern Bedacht, und kehrte in die defenſive Stellung zurück, die ihm na- türlich war und die er behaupten konnte. Sein Bemü- hen ging allein dahin, der Lehre in ſeinem Lande Ausdruck und ein entſprechendes öffentliches Daſeyn zu geben. Er führte die erſte evangeliſche Kirchenform in Deutſchland ein, die allen andern mehr oder minder zum Muſter gedient hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0277" n="261"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Churfuͤrſt Johann von Sachſen</hi>.</fw><lb/> zeigte er ſich milder. Und wann wäre in den folgenden Jahren<lb/> ein Moment eingetreten, wo eine blos beſchauliche Frömmig-<lb/> keit auch nur möglich geweſen wäre. Wir kennen keinen Für-<lb/> ſten, der ſich um die Feſtſtellung der proteſtantiſchen Kirche<lb/> ein größeres Verdienſt erworben hätte. Sein Bruder und<lb/> Vorgänger hatte die Lehre nur nicht unterdrücken laſſen,<lb/> ſie in ſeinem Lande und ſo viel er vermochte im Reiche in<lb/> Schutz genommen. Doch gab es auf jeder Seite noch Klip-<lb/> pen, an denen alles ſcheitern konnte, als Johann zur Re-<lb/> gierung kam. 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Churfuͤrſt Johann von Sachſen.
zeigte er ſich milder. Und wann wäre in den folgenden Jahren
ein Moment eingetreten, wo eine blos beſchauliche Frömmig-
keit auch nur möglich geweſen wäre. Wir kennen keinen Für-
ſten, der ſich um die Feſtſtellung der proteſtantiſchen Kirche
ein größeres Verdienſt erworben hätte. Sein Bruder und
Vorgänger hatte die Lehre nur nicht unterdrücken laſſen,
ſie in ſeinem Lande und ſo viel er vermochte im Reiche in
Schutz genommen. Doch gab es auf jeder Seite noch Klip-
pen, an denen alles ſcheitern konnte, als Johann zur Re-
gierung kam. Nur durch eine Politik, die von einer in je-
dem Augenblicke bewußten höhern Ueberzeugung getragen war,
konnten ſie vermieden werden. Nach dem Bauernkriege
erhoben ſich die Ideen der Reaction auf das gewaltigſte;
ſo ſehr ſie ihm von ſeinem weltklugen und in den Geſchäf-
ten geübten Vetter empfohlen wurden, ſo ließ Johann ſich nicht
von ihnen übermeiſtern. Auf dem nächſten Reichstage nahm
er vielmehr eine Haltung an, durch welche er jenen Ab-
ſchied, auf dem alle weitere geſetzliche Entwickelung beruht
hat, herbeiführen half. Bald darauf ſchien es wohl, als
werde der Ungeſtüm ſeines heſſiſchen Verbündeten auch
ihn ergreifen, und ihn nach der andern Seite hin auf eine
nicht mehr abzuſehende Bahn politiſcher Verwickelungen fort-
reißen, aber noch zur rechten Zeit nahm er beſſern Bedacht,
und kehrte in die defenſive Stellung zurück, die ihm na-
türlich war und die er behaupten konnte. Sein Bemü-
hen ging allein dahin, der Lehre in ſeinem Lande Ausdruck
und ein entſprechendes öffentliches Daſeyn zu geben. Er
führte die erſte evangeliſche Kirchenform in Deutſchland ein,
die allen andern mehr oder minder zum Muſter gedient hat.
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