Insbruck. Den Uebrigen machte die Lage der Dinge so viele Bedenklichkeiten nicht. Was zu Insbruck nicht ge- lungen, hofften sie auf die eine oder die andre Weise in Augsburg durchzusetzen.
Am 6. Juni brach der Kaiser dahin auf. Er nahm seinen Weg über München, wo er prächtig empfangen ward. Mit den weltlichen und geistlichen Fürsten von Oestreich und Baiern, denselben, die einst das Regensburger Bünd- niß geschlossen hatten, langte er am 15ten gegen Abend an der Lechbrücke vor Augsburg an.
Schon ein paar Stunden wartete seiner die glänzendste Versammlung von Reichsfürsten, die man seit langer Zeit gesehn; geistliche und weltliche, von Ober- und von Nie- derdeutschland, besonders zahlreich auch die jungen Fürsten, die noch nicht zur Regierung gelangt waren. So wie der Kaiser sich näherte, stiegen sie sämmtlich vom Pferde und gingen ihm entgegen; auch der Kaiser stieg ab und reichte einem jeden freundlich die Hand. Der Churfürst von Mainz begrüßte ihn im Namen aller dieser "versammelten Glieder des heiligen römischen Reichs." Hierauf setzte sich alles zu dem feierlichen Einzuge in die Reichsstadt in Bewegung. Haben wir der dem deutschen Wesen schon fast entfrem- deten Kaiserkrönung unsre Aufmerksamkeit gewidmet, so mö- 1
1Raince, Rome 1. Juin. Le s. pere est adverti, que le chancelier se trouvoit aucunement (einigermaaßen, wie Raince das Wort oft braucht) decu de l'oppinion facille, en quoy il en avoit ete et qu'il commencoit a confesser qu'il s'appercevoit les choses en tout cas y etre plus laides, qu'ils ne pensoient. MS Be- thune 8534.
Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Insbruck. Den Uebrigen machte die Lage der Dinge ſo viele Bedenklichkeiten nicht. Was zu Insbruck nicht ge- lungen, hofften ſie auf die eine oder die andre Weiſe in Augsburg durchzuſetzen.
Am 6. Juni brach der Kaiſer dahin auf. Er nahm ſeinen Weg über München, wo er prächtig empfangen ward. Mit den weltlichen und geiſtlichen Fürſten von Oeſtreich und Baiern, denſelben, die einſt das Regensburger Bünd- niß geſchloſſen hatten, langte er am 15ten gegen Abend an der Lechbrücke vor Augsburg an.
Schon ein paar Stunden wartete ſeiner die glänzendſte Verſammlung von Reichsfürſten, die man ſeit langer Zeit geſehn; geiſtliche und weltliche, von Ober- und von Nie- derdeutſchland, beſonders zahlreich auch die jungen Fürſten, die noch nicht zur Regierung gelangt waren. So wie der Kaiſer ſich näherte, ſtiegen ſie ſämmtlich vom Pferde und gingen ihm entgegen; auch der Kaiſer ſtieg ab und reichte einem jeden freundlich die Hand. Der Churfürſt von Mainz begrüßte ihn im Namen aller dieſer „verſammelten Glieder des heiligen römiſchen Reichs.“ Hierauf ſetzte ſich alles zu dem feierlichen Einzuge in die Reichsſtadt in Bewegung. Haben wir der dem deutſchen Weſen ſchon faſt entfrem- deten Kaiſerkrönung unſre Aufmerkſamkeit gewidmet, ſo mö- 1
1Raince, Rome 1. Juin. Le s. père est adverti, que le chancelier se trouvoit aucunement (einigermaaßen, wie Raince das Wort oft braucht) deçu de l’oppinion facille, en quoy il en avoit été et qu’il commençoit à confesser qu’il s’appercevoit les choses en tout cas y être plus laides, qu’ils ne pensoient. MS Be- thune 8534.
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Fuͤnftes Buch. Achtes Capitel.
Insbruck. Den Uebrigen machte die Lage der Dinge ſo
viele Bedenklichkeiten nicht. Was zu Insbruck nicht ge-
lungen, hofften ſie auf die eine oder die andre Weiſe in
Augsburg durchzuſetzen.
Am 6. Juni brach der Kaiſer dahin auf. Er nahm
ſeinen Weg über München, wo er prächtig empfangen ward.
Mit den weltlichen und geiſtlichen Fürſten von Oeſtreich
und Baiern, denſelben, die einſt das Regensburger Bünd-
niß geſchloſſen hatten, langte er am 15ten gegen Abend an
der Lechbrücke vor Augsburg an.
Schon ein paar Stunden wartete ſeiner die glänzendſte
Verſammlung von Reichsfürſten, die man ſeit langer Zeit
geſehn; geiſtliche und weltliche, von Ober- und von Nie-
derdeutſchland, beſonders zahlreich auch die jungen Fürſten,
die noch nicht zur Regierung gelangt waren. So wie der
Kaiſer ſich näherte, ſtiegen ſie ſämmtlich vom Pferde und
gingen ihm entgegen; auch der Kaiſer ſtieg ab und reichte
einem jeden freundlich die Hand. Der Churfürſt von Mainz
begrüßte ihn im Namen aller dieſer „verſammelten Glieder
des heiligen römiſchen Reichs.“ Hierauf ſetzte ſich alles
zu dem feierlichen Einzuge in die Reichsſtadt in Bewegung.
Haben wir der dem deutſchen Weſen ſchon faſt entfrem-
deten Kaiſerkrönung unſre Aufmerkſamkeit gewidmet, ſo mö-
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1 Raince, Rome 1. Juin. Le s. père est adverti, que le
chancelier se trouvoit aucunement (einigermaaßen, wie Raince das
Wort oft braucht) deçu de l’oppinion facille, en quoy il en avoit
été et qu’il commençoit à confesser qu’il s’appercevoit les choses
en tout cas y être plus laides, qu’ils ne pensoient. MS Be-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/250>, abgerufen am 25.11.2024.
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