Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Fünftes Buch. Viertes Capitel.

Ueberdieß aber hatte ihm Wolsey auch versichert, daß
sich Frankreich niemals von ihm trennen werde. Noch im
Mai 1529 wollte er nicht glauben, daß dieß geschehe; leb-
haft ergriff er jedes Gerücht einer neuen Entzweiung und
gründete Pläne darauf; allein zuletzt geschah es denn doch.

Die Politik Wolseys, die auf eine Vereinigung zwi-
schen England, Frankreich und dem Papst berechnet war,
scheiterte vollkommen.

Gewiß wäre es für jeden Minister schwer gewesen,
nach einem so vollständigen Mißlingen sich länger zu hal-
ten; für Wolsey entsprangen aber aus den übrigen Ver-
hältnissen seiner Stellung noch besondere Gefahren.

Man muß wissen, daß alle seine anti-östreichischen
Maaßregeln so in dem geheimen Rathe des Königs wie in
der Nation Widerstand fanden. Jede Feindseligkeit gegen
die Niederlande war in England unbeliebt; einst konnten
die über den Friedensbruch mißvergnügten Kaufleute des
eignen Landes nur durch eine Art von Zwang dahin ge-
bracht werden, die Märkte nach wie vor zu besuchen. Der
König selbst war hauptsächlich dadurch überredet worden,
daß ihm Wolsey einen unmittelbaren pecuniären Vortheil
aus der Allianz nachwies. Der Cardinal stellte oft dem
französischen Gesandten vor, welch eine große Gewandtheit,
wie er sich ausdrückte, "schreckliche Alchemie" dazu gehöre,
seinen Gegnern Widerstand zu leisten. Aber jetzt waren
1

be nedeful any such letters citatorial, conteyning matier pre-
judicial to his persone and royal estate to be showed to his sub-
jects. Gardiner to Wolsey 4 Aug. Statepapers I, p.
336.
1 Bellay 16. Februar 1528, bei Le Grand, Hist. du divorce,
III, p.
84.
Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.

Ueberdieß aber hatte ihm Wolſey auch verſichert, daß
ſich Frankreich niemals von ihm trennen werde. Noch im
Mai 1529 wollte er nicht glauben, daß dieß geſchehe; leb-
haft ergriff er jedes Gerücht einer neuen Entzweiung und
gründete Pläne darauf; allein zuletzt geſchah es denn doch.

Die Politik Wolſeys, die auf eine Vereinigung zwi-
ſchen England, Frankreich und dem Papſt berechnet war,
ſcheiterte vollkommen.

Gewiß wäre es für jeden Miniſter ſchwer geweſen,
nach einem ſo vollſtändigen Mißlingen ſich länger zu hal-
ten; für Wolſey entſprangen aber aus den übrigen Ver-
hältniſſen ſeiner Stellung noch beſondere Gefahren.

Man muß wiſſen, daß alle ſeine anti-öſtreichiſchen
Maaßregeln ſo in dem geheimen Rathe des Königs wie in
der Nation Widerſtand fanden. Jede Feindſeligkeit gegen
die Niederlande war in England unbeliebt; einſt konnten
die über den Friedensbruch mißvergnügten Kaufleute des
eignen Landes nur durch eine Art von Zwang dahin ge-
bracht werden, die Märkte nach wie vor zu beſuchen. Der
König ſelbſt war hauptſächlich dadurch überredet worden,
daß ihm Wolſey einen unmittelbaren pecuniären Vortheil
aus der Allianz nachwies. Der Cardinal ſtellte oft dem
franzöſiſchen Geſandten vor, welch eine große Gewandtheit,
wie er ſich ausdrückte, „ſchreckliche Alchemie“ dazu gehöre,
ſeinen Gegnern Widerſtand zu leiſten. Aber jetzt waren
1

be nedeful any such letters citatorial, conteyning matier pre-
judicial to his persone and royal estate to be showed to his sub-
jects. Gardiner to Wolsey 4 Aug. Statepapers I, p.
336.
1 Bellay 16. Februar 1528, bei Le Grand, Hist. du divorce,
III, p.
84.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0154" n="138"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
          <p>Ueberdieß aber hatte ihm Wol&#x017F;ey auch ver&#x017F;ichert, daß<lb/>
&#x017F;ich Frankreich niemals von ihm trennen werde. Noch im<lb/>
Mai 1529 wollte er nicht glauben, daß dieß ge&#x017F;chehe; leb-<lb/>
haft ergriff er jedes Gerücht einer neuen Entzweiung und<lb/>
gründete Pläne darauf; allein zuletzt ge&#x017F;chah es denn doch.</p><lb/>
          <p>Die Politik Wol&#x017F;eys, die auf eine Vereinigung zwi-<lb/>
&#x017F;chen England, Frankreich und dem Pap&#x017F;t berechnet war,<lb/>
&#x017F;cheiterte vollkommen.</p><lb/>
          <p>Gewiß wäre es für jeden Mini&#x017F;ter &#x017F;chwer gewe&#x017F;en,<lb/>
nach einem &#x017F;o voll&#x017F;tändigen Mißlingen &#x017F;ich länger zu hal-<lb/>
ten; für Wol&#x017F;ey ent&#x017F;prangen aber aus den übrigen Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;en &#x017F;einer Stellung noch be&#x017F;ondere Gefahren.</p><lb/>
          <p>Man muß wi&#x017F;&#x017F;en, daß alle &#x017F;eine anti-ö&#x017F;treichi&#x017F;chen<lb/>
Maaßregeln &#x017F;o in dem geheimen Rathe des Königs wie in<lb/>
der Nation Wider&#x017F;tand fanden. Jede Feind&#x017F;eligkeit gegen<lb/>
die Niederlande war in England unbeliebt; ein&#x017F;t konnten<lb/>
die über den Friedensbruch mißvergnügten Kaufleute des<lb/>
eignen Landes nur durch eine Art von Zwang dahin ge-<lb/>
bracht werden, die Märkte nach wie vor zu be&#x017F;uchen. Der<lb/>
König &#x017F;elb&#x017F;t war haupt&#x017F;ächlich dadurch überredet worden,<lb/>
daß ihm Wol&#x017F;ey einen unmittelbaren pecuniären Vortheil<lb/>
aus der Allianz nachwies. Der Cardinal &#x017F;tellte oft dem<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;andten vor, welch eine große Gewandtheit,<lb/>
wie er &#x017F;ich ausdrückte, &#x201E;&#x017F;chreckliche Alchemie&#x201C; dazu gehöre,<lb/>
&#x017F;einen Gegnern Wider&#x017F;tand zu lei&#x017F;ten. Aber jetzt waren<lb/><note xml:id="seg2pn_13_2" prev="#seg2pn_13_1" place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">be nedeful any such letters citatorial, conteyning matier pre-<lb/>
judicial to his persone and royal estate to be showed to his sub-<lb/>
jects. Gardiner to Wolsey 4 Aug. Statepapers I, p.</hi> 336.</note><lb/><note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Bellay</hi> 16. Februar 1528, bei Le Grand, <hi rendition="#aq">Hist. du divorce,<lb/>
III, p.</hi> 84.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0154] Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel. Ueberdieß aber hatte ihm Wolſey auch verſichert, daß ſich Frankreich niemals von ihm trennen werde. Noch im Mai 1529 wollte er nicht glauben, daß dieß geſchehe; leb- haft ergriff er jedes Gerücht einer neuen Entzweiung und gründete Pläne darauf; allein zuletzt geſchah es denn doch. Die Politik Wolſeys, die auf eine Vereinigung zwi- ſchen England, Frankreich und dem Papſt berechnet war, ſcheiterte vollkommen. Gewiß wäre es für jeden Miniſter ſchwer geweſen, nach einem ſo vollſtändigen Mißlingen ſich länger zu hal- ten; für Wolſey entſprangen aber aus den übrigen Ver- hältniſſen ſeiner Stellung noch beſondere Gefahren. Man muß wiſſen, daß alle ſeine anti-öſtreichiſchen Maaßregeln ſo in dem geheimen Rathe des Königs wie in der Nation Widerſtand fanden. Jede Feindſeligkeit gegen die Niederlande war in England unbeliebt; einſt konnten die über den Friedensbruch mißvergnügten Kaufleute des eignen Landes nur durch eine Art von Zwang dahin ge- bracht werden, die Märkte nach wie vor zu beſuchen. Der König ſelbſt war hauptſächlich dadurch überredet worden, daß ihm Wolſey einen unmittelbaren pecuniären Vortheil aus der Allianz nachwies. Der Cardinal ſtellte oft dem franzöſiſchen Geſandten vor, welch eine große Gewandtheit, wie er ſich ausdrückte, „ſchreckliche Alchemie“ dazu gehöre, ſeinen Gegnern Widerſtand zu leiſten. Aber jetzt waren 2 1 2 be nedeful any such letters citatorial, conteyning matier pre- judicial to his persone and royal estate to be showed to his sub- jects. Gardiner to Wolsey 4 Aug. Statepapers I, p. 336. 1 Bellay 16. Februar 1528, bei Le Grand, Hist. du divorce, III, p. 84.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/154
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/154>, abgerufen am 03.05.2024.