Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünftes Buch. Viertes Capitel.
seiner Nebenbuhler, es ringsum einschließend, auf Frank-
reich allein zu beschränken.

Wohl dürfte man nicht glauben, es sey nun damit
alles beendigt gewesen. Franz I hat gegen den Vertrag
von Cambrai, so gut wie gegen den Madrider protestirt.
Er ist dabei geblieben, Asti und Mailand seyen sein und
seiner Kinder unveräußerliches Erbtheil, Genua gehöre ihm
an, unmöglich könne ein erst durch die eigne, dann durch
die Gefangenschaft seiner Kinder ihm abgezwungener Ver-
trag ihn verpflichten. 1 Als die Verification desselben im
Parlamente vor sich gehen sollte, protestirte der General-
procurator Maitre Franz Rogier feierlich dagegen; denn
die Gewaltthätigkeit eines Lehnsmannes gegen seinen Lehns-
herrn habe denselben bewirkt, er streite gegen die Grund-
gesetze des Reiches. 2 Allein in diesen Protestationen liegt
nur der Ausdruck des Gefühls, daß man der Gewalt, und
zwar sehr ungern weiche; sie sind ein Vorbehalt für die
Zukunft, der für den Augenblick nichts bedeutet und ganz
unbemerkt bleibt.

Zunächst war Jedermann glücklich, daß der Friede
wirklich zu Stande gekommen. In allen Punkten, wo man
nicht eine ausdrückliche Veränderung beliebt hatte, deren
es doch im Ganzen nur vier gab, war der Madrider Ver-
trag bestätigt worden; sie wurden jetzt beide mit einander
ausgerufen und in die Staatsregister eingetragen. Sehr
bezeichnend ist der Brief, mit welchem Herzogin Luise ihrem

1 Protestation du roy Francois contre les traites de Ma-
drid et de Cambray.
So lautet der Titel der bei Du Mont ab-
gedruckten Urkunde in der Sammlung von Dupuy 179.
2 Protestation du procureur general DuM. IV: II, 52, nr. 39.

Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
ſeiner Nebenbuhler, es ringsum einſchließend, auf Frank-
reich allein zu beſchränken.

Wohl dürfte man nicht glauben, es ſey nun damit
alles beendigt geweſen. Franz I hat gegen den Vertrag
von Cambrai, ſo gut wie gegen den Madrider proteſtirt.
Er iſt dabei geblieben, Aſti und Mailand ſeyen ſein und
ſeiner Kinder unveräußerliches Erbtheil, Genua gehöre ihm
an, unmöglich könne ein erſt durch die eigne, dann durch
die Gefangenſchaft ſeiner Kinder ihm abgezwungener Ver-
trag ihn verpflichten. 1 Als die Verification deſſelben im
Parlamente vor ſich gehen ſollte, proteſtirte der General-
procurator Maitre Franz Rogier feierlich dagegen; denn
die Gewaltthätigkeit eines Lehnsmannes gegen ſeinen Lehns-
herrn habe denſelben bewirkt, er ſtreite gegen die Grund-
geſetze des Reiches. 2 Allein in dieſen Proteſtationen liegt
nur der Ausdruck des Gefühls, daß man der Gewalt, und
zwar ſehr ungern weiche; ſie ſind ein Vorbehalt für die
Zukunft, der für den Augenblick nichts bedeutet und ganz
unbemerkt bleibt.

Zunächſt war Jedermann glücklich, daß der Friede
wirklich zu Stande gekommen. In allen Punkten, wo man
nicht eine ausdrückliche Veränderung beliebt hatte, deren
es doch im Ganzen nur vier gab, war der Madrider Ver-
trag beſtätigt worden; ſie wurden jetzt beide mit einander
ausgerufen und in die Staatsregiſter eingetragen. Sehr
bezeichnend iſt der Brief, mit welchem Herzogin Luiſe ihrem

1 Protestation du roy François contre les traités de Ma-
drid et de Cambray.
So lautet der Titel der bei Du Mont ab-
gedruckten Urkunde in der Sammlung von Dupuy 179.
2 Protestation du procureur général DuM. IV: II, 52, nr. 39.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0144" n="128"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fu&#x0364;nftes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;einer Nebenbuhler, es ringsum ein&#x017F;chließend, auf Frank-<lb/>
reich allein zu be&#x017F;chränken.</p><lb/>
          <p>Wohl dürfte man nicht glauben, es &#x017F;ey nun damit<lb/>
alles beendigt gewe&#x017F;en. Franz <hi rendition="#aq">I</hi> hat gegen den Vertrag<lb/>
von Cambrai, &#x017F;o gut wie gegen den Madrider prote&#x017F;tirt.<lb/>
Er i&#x017F;t dabei geblieben, A&#x017F;ti und Mailand &#x017F;eyen &#x017F;ein und<lb/>
&#x017F;einer Kinder unveräußerliches Erbtheil, Genua gehöre ihm<lb/>
an, unmöglich könne ein er&#x017F;t durch die eigne, dann durch<lb/>
die Gefangen&#x017F;chaft &#x017F;einer Kinder ihm abgezwungener Ver-<lb/>
trag ihn verpflichten. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Protestation du roy François contre les traités de Ma-<lb/>
drid et de Cambray.</hi> So lautet der Titel der bei Du Mont ab-<lb/>
gedruckten Urkunde in der Sammlung von Dupuy 179.</note> Als die Verification de&#x017F;&#x017F;elben im<lb/>
Parlamente vor &#x017F;ich gehen &#x017F;ollte, prote&#x017F;tirte der General-<lb/>
procurator Maitre Franz Rogier feierlich dagegen; denn<lb/>
die Gewaltthätigkeit eines Lehnsmannes gegen &#x017F;einen Lehns-<lb/>
herrn habe den&#x017F;elben bewirkt, er &#x017F;treite gegen die Grund-<lb/>
ge&#x017F;etze des Reiches. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Protestation du procureur général DuM. IV: II, 52, nr.</hi> 39.</note> Allein in die&#x017F;en Prote&#x017F;tationen liegt<lb/>
nur der Ausdruck des Gefühls, daß man der Gewalt, und<lb/>
zwar &#x017F;ehr ungern weiche; &#x017F;ie &#x017F;ind ein Vorbehalt für die<lb/>
Zukunft, der für den Augenblick nichts bedeutet und ganz<lb/>
unbemerkt bleibt.</p><lb/>
          <p>Zunäch&#x017F;t war Jedermann glücklich, daß der Friede<lb/>
wirklich zu Stande gekommen. In allen Punkten, wo man<lb/>
nicht eine ausdrückliche Veränderung beliebt hatte, deren<lb/>
es doch im Ganzen nur vier gab, war der Madrider Ver-<lb/>
trag be&#x017F;tätigt worden; &#x017F;ie wurden jetzt beide mit einander<lb/>
ausgerufen und in die Staatsregi&#x017F;ter eingetragen. Sehr<lb/>
bezeichnend i&#x017F;t der Brief, mit welchem Herzogin Lui&#x017F;e ihrem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0144] Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel. ſeiner Nebenbuhler, es ringsum einſchließend, auf Frank- reich allein zu beſchränken. Wohl dürfte man nicht glauben, es ſey nun damit alles beendigt geweſen. Franz I hat gegen den Vertrag von Cambrai, ſo gut wie gegen den Madrider proteſtirt. Er iſt dabei geblieben, Aſti und Mailand ſeyen ſein und ſeiner Kinder unveräußerliches Erbtheil, Genua gehöre ihm an, unmöglich könne ein erſt durch die eigne, dann durch die Gefangenſchaft ſeiner Kinder ihm abgezwungener Ver- trag ihn verpflichten. 1 Als die Verification deſſelben im Parlamente vor ſich gehen ſollte, proteſtirte der General- procurator Maitre Franz Rogier feierlich dagegen; denn die Gewaltthätigkeit eines Lehnsmannes gegen ſeinen Lehns- herrn habe denſelben bewirkt, er ſtreite gegen die Grund- geſetze des Reiches. 2 Allein in dieſen Proteſtationen liegt nur der Ausdruck des Gefühls, daß man der Gewalt, und zwar ſehr ungern weiche; ſie ſind ein Vorbehalt für die Zukunft, der für den Augenblick nichts bedeutet und ganz unbemerkt bleibt. Zunächſt war Jedermann glücklich, daß der Friede wirklich zu Stande gekommen. In allen Punkten, wo man nicht eine ausdrückliche Veränderung beliebt hatte, deren es doch im Ganzen nur vier gab, war der Madrider Ver- trag beſtätigt worden; ſie wurden jetzt beide mit einander ausgerufen und in die Staatsregiſter eingetragen. Sehr bezeichnend iſt der Brief, mit welchem Herzogin Luiſe ihrem 1 Protestation du roy François contre les traités de Ma- drid et de Cambray. So lautet der Titel der bei Du Mont ab- gedruckten Urkunde in der Sammlung von Dupuy 179. 2 Protestation du procureur général DuM. IV: II, 52, nr. 39.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/144
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/144>, abgerufen am 05.05.2024.