Dem Papst waren, wie wir wissen, die vortheilhaf- testen Vorschläge gemacht worden, wie über die deutschen, so über die italienischen Verhältnisse: er solle darüber zu ver- fügen haben; der Kaiser werde in jeder Beziehung seinem Rathe folgen, ihm besonders die kirchlichen Güter zurück- geben, unter seiner Vermittelung den allgemeinen Frieden schließen, und was dem mehr ist: allein man dürfte nicht glauben, daß dieß allein auf denselben gewirkt habe. Was ihn bestimmte war zugleich die Furcht. Noch im April 1529 beschwerte er sich gegen den Cardinal Triulzio über den Ei- fer, mit welchem er von den kaiserlichen Agenten zum Ver- trag gedrängt werde; er versicherte, er würde nimmermehr darauf eingehn, wenn er nur Kräfte hätte, ihnen zu wi- derstehen; aber er sey von den Anhängern des Kaisers auf allen Seiten umgeben, jeden Augenblick könne er einen neuen Anfall erfahren; er sey im Grunde noch immer ihr Ge- fangener: er sehe da keinen Unterschied, außer etwa, daß er früher nicht habe davon gehen können, und dieß jetzt al- lenfalls auszuführen im Stande wäre; in der That müsse er entweder fliehen, und den Kirchenstaat dem Feinde über- lassen, oder sich mit demselben auf die am wenigsten nach- theilige Art verständigen. Er drückte sich so lebhaft aus, daß er den Cardinal vollkommen überzeugte. "Ich weiß nicht, sagt Triulzio, was S. Heiligkeit thun wird. Aber wenn er ja zum Abschluß schreitet, so sehe ich wohl, daß er es nur thun wird in Folge der Gewalt und bei den Haaren dazu gezogen." 1
1Lettera del Cardinale Triulzio a M. Hieronymo, Roma 9 Avr. 1529. Bibliotheque du roi, MS Bethune.
Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
Dem Papſt waren, wie wir wiſſen, die vortheilhaf- teſten Vorſchläge gemacht worden, wie über die deutſchen, ſo über die italieniſchen Verhältniſſe: er ſolle darüber zu ver- fügen haben; der Kaiſer werde in jeder Beziehung ſeinem Rathe folgen, ihm beſonders die kirchlichen Güter zurück- geben, unter ſeiner Vermittelung den allgemeinen Frieden ſchließen, und was dem mehr iſt: allein man dürfte nicht glauben, daß dieß allein auf denſelben gewirkt habe. Was ihn beſtimmte war zugleich die Furcht. Noch im April 1529 beſchwerte er ſich gegen den Cardinal Triulzio über den Ei- fer, mit welchem er von den kaiſerlichen Agenten zum Ver- trag gedrängt werde; er verſicherte, er würde nimmermehr darauf eingehn, wenn er nur Kräfte hätte, ihnen zu wi- derſtehen; aber er ſey von den Anhängern des Kaiſers auf allen Seiten umgeben, jeden Augenblick könne er einen neuen Anfall erfahren; er ſey im Grunde noch immer ihr Ge- fangener: er ſehe da keinen Unterſchied, außer etwa, daß er früher nicht habe davon gehen können, und dieß jetzt al- lenfalls auszuführen im Stande wäre; in der That müſſe er entweder fliehen, und den Kirchenſtaat dem Feinde über- laſſen, oder ſich mit demſelben auf die am wenigſten nach- theilige Art verſtändigen. Er drückte ſich ſo lebhaft aus, daß er den Cardinal vollkommen überzeugte. „Ich weiß nicht, ſagt Triulzio, was S. Heiligkeit thun wird. Aber wenn er ja zum Abſchluß ſchreitet, ſo ſehe ich wohl, daß er es nur thun wird in Folge der Gewalt und bei den Haaren dazu gezogen.“ 1
1Lettera del Cardinale Triulzio a M. Hieronymo, Roma 9 Avr. 1529. Bibliothèque du roi, MS Bethune.
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Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
Dem Papſt waren, wie wir wiſſen, die vortheilhaf-
teſten Vorſchläge gemacht worden, wie über die deutſchen,
ſo über die italieniſchen Verhältniſſe: er ſolle darüber zu ver-
fügen haben; der Kaiſer werde in jeder Beziehung ſeinem
Rathe folgen, ihm beſonders die kirchlichen Güter zurück-
geben, unter ſeiner Vermittelung den allgemeinen Frieden
ſchließen, und was dem mehr iſt: allein man dürfte nicht
glauben, daß dieß allein auf denſelben gewirkt habe. Was
ihn beſtimmte war zugleich die Furcht. Noch im April 1529
beſchwerte er ſich gegen den Cardinal Triulzio über den Ei-
fer, mit welchem er von den kaiſerlichen Agenten zum Ver-
trag gedrängt werde; er verſicherte, er würde nimmermehr
darauf eingehn, wenn er nur Kräfte hätte, ihnen zu wi-
derſtehen; aber er ſey von den Anhängern des Kaiſers auf
allen Seiten umgeben, jeden Augenblick könne er einen neuen
Anfall erfahren; er ſey im Grunde noch immer ihr Ge-
fangener: er ſehe da keinen Unterſchied, außer etwa, daß er
früher nicht habe davon gehen können, und dieß jetzt al-
lenfalls auszuführen im Stande wäre; in der That müſſe
er entweder fliehen, und den Kirchenſtaat dem Feinde über-
laſſen, oder ſich mit demſelben auf die am wenigſten nach-
theilige Art verſtändigen. Er drückte ſich ſo lebhaft aus,
daß er den Cardinal vollkommen überzeugte. „Ich weiß
nicht, ſagt Triulzio, was S. Heiligkeit thun wird. Aber
wenn er ja zum Abſchluß ſchreitet, ſo ſehe ich wohl, daß
er es nur thun wird in Folge der Gewalt und bei den
Haaren dazu gezogen.“ 1
1 Lettera del Cardinale Triulzio a M. Hieronymo, Roma
9 Avr. 1529. Bibliothèque du roi, MS Bethune.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/134>, abgerufen am 22.11.2024.
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