der Christenheit wiederherzustellen. In der abweichenden Auf- fassung des vornehmsten Dogmas traten sie einander entgegen.
Es waren nicht Irrungen über eine und die andere Modification, ein oder das andere Besitzthum, sondern Strei- tigkeiten über die wichtigsten Angelegenheiten, über die Summe der Dinge -- die Verhältnisse des Orients und Occidents, des Kaiserthums und des Papstthums, der beiden vorwal- tenden Mächte unter einander, die Fortdauer der hierarchi- schen Gewalten oder das Emporkommen neuer kirchlicher Formen; und auch in dieser letzten Hinsicht über die Beibe- haltung des Irgend-haltbaren oder eine totale Veränderung.
Wie nun aber am Tage liegt, daß alle diese Gegen- sätze, so weltumfassend sie auch sind, doch hauptsächlich die deutsche Nation berührten, in ihr zusammentrafen -- denn wir zunächst hatten den Kampf mit den Osmanen auf dem Continent auszufechten, das Uebergewicht in Italien zu be- haupten, den religiösen Streit zur Entscheidung oder zum Austrag zu bringen, -- so kam nun für den Fortgang der Dinge alles darauf an, welche Haltung unser Kaiser in dem Getümmel so mannichfaltiger Bewegungen annehmen würde.
Bisher war seine Politik, nach den Nothwendigkeiten der verschiedenen Momente, auf eine nicht immer zusam- menstimmende Weise geleitet worden; jetzt aber, da die Ent- scheidung um so viel näher gekommen, mußte ein System ergriffen und durchgesetzt werden.
Wie oben bemerkt, der Wunsch der Deutschen wäre gewesen, daß der Kaiser sich mit dem Widerstande wider die Hierarchie verbündet, und von den frischen Kräften der Na- tion unterstützt, die Rechte des Kaiserthums nach allen Sei-
Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
der Chriſtenheit wiederherzuſtellen. In der abweichenden Auf- faſſung des vornehmſten Dogmas traten ſie einander entgegen.
Es waren nicht Irrungen über eine und die andere Modification, ein oder das andere Beſitzthum, ſondern Strei- tigkeiten über die wichtigſten Angelegenheiten, über die Summe der Dinge — die Verhältniſſe des Orients und Occidents, des Kaiſerthums und des Papſtthums, der beiden vorwal- tenden Mächte unter einander, die Fortdauer der hierarchi- ſchen Gewalten oder das Emporkommen neuer kirchlicher Formen; und auch in dieſer letzten Hinſicht über die Beibe- haltung des Irgend-haltbaren oder eine totale Veränderung.
Wie nun aber am Tage liegt, daß alle dieſe Gegen- ſätze, ſo weltumfaſſend ſie auch ſind, doch hauptſächlich die deutſche Nation berührten, in ihr zuſammentrafen — denn wir zunächſt hatten den Kampf mit den Osmanen auf dem Continent auszufechten, das Uebergewicht in Italien zu be- haupten, den religiöſen Streit zur Entſcheidung oder zum Austrag zu bringen, — ſo kam nun für den Fortgang der Dinge alles darauf an, welche Haltung unſer Kaiſer in dem Getümmel ſo mannichfaltiger Bewegungen annehmen würde.
Bisher war ſeine Politik, nach den Nothwendigkeiten der verſchiedenen Momente, auf eine nicht immer zuſam- menſtimmende Weiſe geleitet worden; jetzt aber, da die Ent- ſcheidung um ſo viel näher gekommen, mußte ein Syſtem ergriffen und durchgeſetzt werden.
Wie oben bemerkt, der Wunſch der Deutſchen wäre geweſen, daß der Kaiſer ſich mit dem Widerſtande wider die Hierarchie verbündet, und von den friſchen Kräften der Na- tion unterſtützt, die Rechte des Kaiſerthums nach allen Sei-
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[104/0120]
Fuͤnftes Buch. Viertes Capitel.
der Chriſtenheit wiederherzuſtellen. In der abweichenden Auf-
faſſung des vornehmſten Dogmas traten ſie einander entgegen.
Es waren nicht Irrungen über eine und die andere
Modification, ein oder das andere Beſitzthum, ſondern Strei-
tigkeiten über die wichtigſten Angelegenheiten, über die Summe
der Dinge — die Verhältniſſe des Orients und Occidents,
des Kaiſerthums und des Papſtthums, der beiden vorwal-
tenden Mächte unter einander, die Fortdauer der hierarchi-
ſchen Gewalten oder das Emporkommen neuer kirchlicher
Formen; und auch in dieſer letzten Hinſicht über die Beibe-
haltung des Irgend-haltbaren oder eine totale Veränderung.
Wie nun aber am Tage liegt, daß alle dieſe Gegen-
ſätze, ſo weltumfaſſend ſie auch ſind, doch hauptſächlich die
deutſche Nation berührten, in ihr zuſammentrafen — denn
wir zunächſt hatten den Kampf mit den Osmanen auf dem
Continent auszufechten, das Uebergewicht in Italien zu be-
haupten, den religiöſen Streit zur Entſcheidung oder zum
Austrag zu bringen, — ſo kam nun für den Fortgang der
Dinge alles darauf an, welche Haltung unſer Kaiſer in dem
Getümmel ſo mannichfaltiger Bewegungen annehmen würde.
Bisher war ſeine Politik, nach den Nothwendigkeiten
der verſchiedenen Momente, auf eine nicht immer zuſam-
menſtimmende Weiſe geleitet worden; jetzt aber, da die Ent-
ſcheidung um ſo viel näher gekommen, mußte ein Syſtem
ergriffen und durchgeſetzt werden.
Wie oben bemerkt, der Wunſch der Deutſchen wäre
geweſen, daß der Kaiſer ſich mit dem Widerſtande wider die
Hierarchie verbündet, und von den friſchen Kräften der Na-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/120>, abgerufen am 25.11.2024.
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