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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Abendmahlsstreitigkeit.
tur erhaben, und daher auch in dem Brode füglich mit-
theilbar. Die Einwendung, daß Christus gesagt, er werde
nicht immer gegenwärtig seyn, hebt er ohne Zweifel mit
Recht durch die Bemerkung, daß Christus dort nur von sei-
nem irdischen Daseyn rede.

Es ist deutlich, in wie fern Zwingli's Beweisführung
nun weiter für Luther nichts Schlagendes hatte. Er konnte
wie er es liebte, bei dem Wortsinn bleiben, der ihm keinen
Widerspruch darbot. Durch eine Auffassung, welche die
höchsten Mysterien der Religion berührt, wiewohl er sie mit
einer ehrwürdigen Scheu, das Geheimnißvolle in den Streit
des Tages zu ziehen, nur dann und wann hervorhob, war
er seiner Sache sicher.

Ueberhaupt erscheint uns Luther hier in seinem eigen-
sten Wesen.

Wir haben oft bemerkt, er weicht nur so viel von
dem Herkömmlichen ab, als die Worte der Schrift ihn un-
bedingt nöthigen. 1 Etwas Neues aufzubringen oder das
Bestehende umzustürzen, was der Schrift nicht geradezu un-
gemäß, wären Gedanken, die seine Seele nicht kennt. Er
würde die ganze Entwickelung der lateinischen Kirche be-
haupten, wenn sie nur nicht durch fremdartige, dem ächten
Sinn des Evangeliums widersprechende spätere Bildungen
verunstaltet wäre, er würde die Hierarchie selbst anerkennen,
wofern sie ihm nur das Wort frei ließe. Da das aber
nicht seyn kann, so hat er das Amt der Reinigung noth-
gedrungen selber übernommen. Er hat sich, denn seine Seele

1 Z. B. fragt Carlstadt: wo hat Christus geboten, daß man
sein Abendmahl in die Höhe aufheben und dem Volke zeigen solle?
(Walch 2876), Luther antwortet: wo verbietet es Christus? (p. 252).

Abendmahlsſtreitigkeit.
tur erhaben, und daher auch in dem Brode füglich mit-
theilbar. Die Einwendung, daß Chriſtus geſagt, er werde
nicht immer gegenwärtig ſeyn, hebt er ohne Zweifel mit
Recht durch die Bemerkung, daß Chriſtus dort nur von ſei-
nem irdiſchen Daſeyn rede.

Es iſt deutlich, in wie fern Zwingli’s Beweisführung
nun weiter für Luther nichts Schlagendes hatte. Er konnte
wie er es liebte, bei dem Wortſinn bleiben, der ihm keinen
Widerſpruch darbot. Durch eine Auffaſſung, welche die
höchſten Myſterien der Religion berührt, wiewohl er ſie mit
einer ehrwürdigen Scheu, das Geheimnißvolle in den Streit
des Tages zu ziehen, nur dann und wann hervorhob, war
er ſeiner Sache ſicher.

Ueberhaupt erſcheint uns Luther hier in ſeinem eigen-
ſten Weſen.

Wir haben oft bemerkt, er weicht nur ſo viel von
dem Herkömmlichen ab, als die Worte der Schrift ihn un-
bedingt nöthigen. 1 Etwas Neues aufzubringen oder das
Beſtehende umzuſtürzen, was der Schrift nicht geradezu un-
gemäß, wären Gedanken, die ſeine Seele nicht kennt. Er
würde die ganze Entwickelung der lateiniſchen Kirche be-
haupten, wenn ſie nur nicht durch fremdartige, dem ächten
Sinn des Evangeliums widerſprechende ſpätere Bildungen
verunſtaltet wäre, er würde die Hierarchie ſelbſt anerkennen,
wofern ſie ihm nur das Wort frei ließe. Da das aber
nicht ſeyn kann, ſo hat er das Amt der Reinigung noth-
gedrungen ſelber übernommen. Er hat ſich, denn ſeine Seele

1 Z. B. fragt Carlſtadt: wo hat Chriſtus geboten, daß man
ſein Abendmahl in die Hoͤhe aufheben und dem Volke zeigen ſolle?
(Walch 2876), Luther antwortet: wo verbietet es Chriſtus? (p. 252).
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[85/0101] Abendmahlsſtreitigkeit. tur erhaben, und daher auch in dem Brode füglich mit- theilbar. Die Einwendung, daß Chriſtus geſagt, er werde nicht immer gegenwärtig ſeyn, hebt er ohne Zweifel mit Recht durch die Bemerkung, daß Chriſtus dort nur von ſei- nem irdiſchen Daſeyn rede. Es iſt deutlich, in wie fern Zwingli’s Beweisführung nun weiter für Luther nichts Schlagendes hatte. Er konnte wie er es liebte, bei dem Wortſinn bleiben, der ihm keinen Widerſpruch darbot. Durch eine Auffaſſung, welche die höchſten Myſterien der Religion berührt, wiewohl er ſie mit einer ehrwürdigen Scheu, das Geheimnißvolle in den Streit des Tages zu ziehen, nur dann und wann hervorhob, war er ſeiner Sache ſicher. Ueberhaupt erſcheint uns Luther hier in ſeinem eigen- ſten Weſen. Wir haben oft bemerkt, er weicht nur ſo viel von dem Herkömmlichen ab, als die Worte der Schrift ihn un- bedingt nöthigen. 1 Etwas Neues aufzubringen oder das Beſtehende umzuſtürzen, was der Schrift nicht geradezu un- gemäß, wären Gedanken, die ſeine Seele nicht kennt. Er würde die ganze Entwickelung der lateiniſchen Kirche be- haupten, wenn ſie nur nicht durch fremdartige, dem ächten Sinn des Evangeliums widerſprechende ſpätere Bildungen verunſtaltet wäre, er würde die Hierarchie ſelbſt anerkennen, wofern ſie ihm nur das Wort frei ließe. Da das aber nicht ſeyn kann, ſo hat er das Amt der Reinigung noth- gedrungen ſelber übernommen. Er hat ſich, denn ſeine Seele 1 Z. B. fragt Carlſtadt: wo hat Chriſtus geboten, daß man ſein Abendmahl in die Hoͤhe aufheben und dem Volke zeigen ſolle? (Walch 2876), Luther antwortet: wo verbietet es Chriſtus? (p. 252).

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation03_1840/101>, abgerufen am 25.11.2024.